Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Julius Mosen. Nun mag man immerhin sagen, daß der Mangel an überzeugender darstellender Es war Mosen leicht gewesen, sich der jungdeutschen Bewegung der ersten Grmzkwtm I. 1N81. 4
Julius Mosen. Nun mag man immerhin sagen, daß der Mangel an überzeugender darstellender Es war Mosen leicht gewesen, sich der jungdeutschen Bewegung der ersten Grmzkwtm I. 1N81. 4
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149017"/> <fw type="header" place="top"> Julius Mosen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_64" prev="#ID_63"> Nun mag man immerhin sagen, daß der Mangel an überzeugender darstellender<lb/> Kraft, an Concentration im einen wie im andern Falle einen Mangel in Mosers<lb/> Anlage bedeute. Aber wer schärfer hinsieht, wird bald gewahren, daß zwischen<lb/> den malerisch-rhetorischen Scenen der neuern Tragödien und den Theilen des<lb/> „Ahasver", welche wie poetische Erklärungen zu Cartons von Kaulbach klingen,<lb/> sich in Einzelheiten die tief ins Leben tauchende, muthig aus seinem Vollgefühle<lb/> schöpfende Begabung des Dichters wiederum offenbart. Es unterliegt keinem<lb/> Zweifel, daß bei einer andern Grundanschauung Mosers, bei der energischen<lb/> Richtung seines künstlerischen Willens auf ein anderes als gerade das ihm gegen¬<lb/> wärtig vorschwebende Ziel ihm die volle Belebung auch großer Erfindungen<lb/> möglich geworden sein müßte. Nicht daraus läßt sich schlechthin ein Vorwurf<lb/> machen, daß die Reflexion an seinem Schaffen Antheil gewann (sie wird in den<lb/> gebührenden Schranken an der Ausgestaltung großer Kunstwerke immer ihren<lb/> Antheil fordern und erhalten), sondern das ist zu beklage», daß die erwachende<lb/> Reflexion mit den prophetischen Verkündigungen über die Zukunft der deutschen<lb/> Literatur zusammentraf, welche seit dem großen Manifest gegen die Romantik<lb/> von Arnold Ruges und Th. Echtermeyers (Hallischen) „Deutschen Jahrbüchern"<lb/> für Wissenschaft und Kunst ausgingen.</p><lb/> <p xml:id="ID_65" next="#ID_66"> Es war Mosen leicht gewesen, sich der jungdeutschen Bewegung der ersten<lb/> dreißiger Jahre gegenüber ablehnend zu verhalten. Die Mischung von Poesie<lb/> und Pnblicistik, die Zerstörung aller künstlerischen Form, die Forderung, die<lb/> seitherige Trennung von gebundener und ungebundener Rede gleichsam in den<lb/> Urbrei eines allein zeitgemäßen modernsten Stiles aufzulösen, dazu die häßlichen<lb/> Persönlichen Momente, welche die Kämpfe leidenschaftlichen Ehrgeizes und ursach¬<lb/> licher eitler Selbstüberhebung, begleiteten, alles das stieß Mosen ab, und er fand<lb/> in seiner Natur leicht die Abwehr gegen die Theorien der ersten dreißiger Jahre.<lb/> In ganz anderm Sinne berührten und ergriffen ihn die Anschauungen, welche<lb/> die Hallischen „Jahrbücher" vertraten. Mit Siegessicherheit wurde verkündet,<lb/> daß das Zeitalter einer neuen, der politischen Literatur gekommen sei. In dem<lb/> Orakelstil der junghegelschen Schule wurde erklärt: „Wenn der Zweck absolut<lb/> ist, so wird auch sein Effect absolut und seine Realisierung ewig sein. Ist die<lb/> Theorie unlebendig in sich gelehrt, so ist die Praxis öde, geistlos und interesse¬<lb/> los. Die Geschichte schweigt, das Leben ist der Tod überall, wo es nur ein<lb/> Privatleben giebt. Die Interessen, welche das Herz des politischen Menschen<lb/> erfüllen, müssen in Wissen und Kunst erfaßt werden; sind diese reellen Inter¬<lb/> essen aus allen Herzen verschwunden, so träumt man sich andere." (A. Rüge,<lb/> „Deutsche Jahrbücher" 1842, Ur. 214, S. 856). Oder: „Wer poetisches oder<lb/> Philosophisches Talent hat, der hilft auf den Trümmern der Romantik die neue<lb/> Welt aufbauen, die Welt der wahren, freien Humanität. Wer daran nicht</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grmzkwtm I. 1N81. 4</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
Julius Mosen.
Nun mag man immerhin sagen, daß der Mangel an überzeugender darstellender
Kraft, an Concentration im einen wie im andern Falle einen Mangel in Mosers
Anlage bedeute. Aber wer schärfer hinsieht, wird bald gewahren, daß zwischen
den malerisch-rhetorischen Scenen der neuern Tragödien und den Theilen des
„Ahasver", welche wie poetische Erklärungen zu Cartons von Kaulbach klingen,
sich in Einzelheiten die tief ins Leben tauchende, muthig aus seinem Vollgefühle
schöpfende Begabung des Dichters wiederum offenbart. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß bei einer andern Grundanschauung Mosers, bei der energischen
Richtung seines künstlerischen Willens auf ein anderes als gerade das ihm gegen¬
wärtig vorschwebende Ziel ihm die volle Belebung auch großer Erfindungen
möglich geworden sein müßte. Nicht daraus läßt sich schlechthin ein Vorwurf
machen, daß die Reflexion an seinem Schaffen Antheil gewann (sie wird in den
gebührenden Schranken an der Ausgestaltung großer Kunstwerke immer ihren
Antheil fordern und erhalten), sondern das ist zu beklage», daß die erwachende
Reflexion mit den prophetischen Verkündigungen über die Zukunft der deutschen
Literatur zusammentraf, welche seit dem großen Manifest gegen die Romantik
von Arnold Ruges und Th. Echtermeyers (Hallischen) „Deutschen Jahrbüchern"
für Wissenschaft und Kunst ausgingen.
Es war Mosen leicht gewesen, sich der jungdeutschen Bewegung der ersten
dreißiger Jahre gegenüber ablehnend zu verhalten. Die Mischung von Poesie
und Pnblicistik, die Zerstörung aller künstlerischen Form, die Forderung, die
seitherige Trennung von gebundener und ungebundener Rede gleichsam in den
Urbrei eines allein zeitgemäßen modernsten Stiles aufzulösen, dazu die häßlichen
Persönlichen Momente, welche die Kämpfe leidenschaftlichen Ehrgeizes und ursach¬
licher eitler Selbstüberhebung, begleiteten, alles das stieß Mosen ab, und er fand
in seiner Natur leicht die Abwehr gegen die Theorien der ersten dreißiger Jahre.
In ganz anderm Sinne berührten und ergriffen ihn die Anschauungen, welche
die Hallischen „Jahrbücher" vertraten. Mit Siegessicherheit wurde verkündet,
daß das Zeitalter einer neuen, der politischen Literatur gekommen sei. In dem
Orakelstil der junghegelschen Schule wurde erklärt: „Wenn der Zweck absolut
ist, so wird auch sein Effect absolut und seine Realisierung ewig sein. Ist die
Theorie unlebendig in sich gelehrt, so ist die Praxis öde, geistlos und interesse¬
los. Die Geschichte schweigt, das Leben ist der Tod überall, wo es nur ein
Privatleben giebt. Die Interessen, welche das Herz des politischen Menschen
erfüllen, müssen in Wissen und Kunst erfaßt werden; sind diese reellen Inter¬
essen aus allen Herzen verschwunden, so träumt man sich andere." (A. Rüge,
„Deutsche Jahrbücher" 1842, Ur. 214, S. 856). Oder: „Wer poetisches oder
Philosophisches Talent hat, der hilft auf den Trümmern der Romantik die neue
Welt aufbauen, die Welt der wahren, freien Humanität. Wer daran nicht
Grmzkwtm I. 1N81. 4
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