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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Der Parlamentarismus in England,

und dem Lordkanzler mit der Aufforderung zugestellt, ein Commissnrium für
den Staatssecretär des Auswärtigen unter dem großen Siegel zu ertheilen.
Erst nachdem so die Nützlichkeit und die Rechtsfrage von den größten vorhandenen
Autoritäten geprüft sind, ist der Minister befugt, einen Schritt zu thun. Der
Beschluß des geheimen Raths mit der Stimmliste wird zu Protokoll genommen,
und häufig nahm das Parlament die Protokolle in Verwahrung, damit die Ver¬
antwortlichkeit jedes einzelnen Mitglieds nicht verdunkelt werde. Jetzt herrscht
ein ganz andres Verfahren. Die Mitwirkung des Geheimsicgclbewahrers ist
abgeschafft, der Lordkanzler wird nicht mehr gefragt, an die Rechtsfrage denkt
man nicht mehr, der Geheimrath, in dem alle Parteien vertreten waren, ist
durch das Cabinet, d. h. die gerade herrschende Clique, verdrängt. Bis 1850
bestand für die auswärtige Politik ein vollkommner Ministcrialdespotismus.
Die Controle durch den Souverän war fast leere Form geworden und wurde,
wenn sie sich regte, durch Berufung auf das Parlament abgewiesen, und diesem
gegenüber berief man sich wieder auf das Interesse des Dienstes und die Präro¬
gativen der Krone. "In einem Bescheide an die Einwohner von Nottingham
von 1854 erklärte der Kriegsminister es ,für höchst ungewöhnlich, dem Par¬
lamente eine Petition zu überreichen, die sich unmittelbar auf eine Kriegs¬
erklärung oder einen Friedensschluß bezieht, Gegenstande, die ausschließlich
in die Gewalt und Prärogative der Krone fallen. Die Functionen des Par¬
laments könnten schwerlich auf diese Ereignisse angewendet werden, ehe sie ein¬
getreten sind/"

Als die Königin Victoria, die keine Neigung hatte, nochmals mit einer
abgeschmackten Redensart vor das Parlament zu treten, die Expedition nach der
Krim bei ihren Ministern durchgesetzt hatte, obgleich ihr die Times wiederholt
die gräßlichen Semen vorgemalt, welche die Folge davon sein würden, trugen
ihre Nöthe Sorge, daß in einem Leitartikel gesagt wurde: "Der Krieg ist jetzt
in königlicher Hand." Sobald aber die Kunde von der glücklichen Landung bei
Eupntorin eingetroffen war, ließen die Herren sich selbst von den durch sie
inspirirteu Blättern himmelhoch loben. Wie groß oder gering ihr Verdienst in
Wahrheit wog, möge eine ergötzliche Anekdote zeigen.

Kinglake, dem die Papiere Lord Raglans vorlagen, erzählt in seiner Ge¬
schichte des Krimkriegs, wie der Beschluß, in der Krim zu landen und Sebastvpvl
anzugreifen, zu Stande kam. Die Minister waren am 28. Juni 1854 bei Lord
John Russell in Pembrvke Lodge bei Richmond versammelt. Der Kriegsminister,
Herzog von Newcastle, las die lange Instruction, die er für Raglan, den eng¬
lischen Obergeneral, entworfen, den College" vor, um deren Urtheil darüber zu
vernehmen und deren Genehmigung zu erhalten.


Der Parlamentarismus in England,

und dem Lordkanzler mit der Aufforderung zugestellt, ein Commissnrium für
den Staatssecretär des Auswärtigen unter dem großen Siegel zu ertheilen.
Erst nachdem so die Nützlichkeit und die Rechtsfrage von den größten vorhandenen
Autoritäten geprüft sind, ist der Minister befugt, einen Schritt zu thun. Der
Beschluß des geheimen Raths mit der Stimmliste wird zu Protokoll genommen,
und häufig nahm das Parlament die Protokolle in Verwahrung, damit die Ver¬
antwortlichkeit jedes einzelnen Mitglieds nicht verdunkelt werde. Jetzt herrscht
ein ganz andres Verfahren. Die Mitwirkung des Geheimsicgclbewahrers ist
abgeschafft, der Lordkanzler wird nicht mehr gefragt, an die Rechtsfrage denkt
man nicht mehr, der Geheimrath, in dem alle Parteien vertreten waren, ist
durch das Cabinet, d. h. die gerade herrschende Clique, verdrängt. Bis 1850
bestand für die auswärtige Politik ein vollkommner Ministcrialdespotismus.
Die Controle durch den Souverän war fast leere Form geworden und wurde,
wenn sie sich regte, durch Berufung auf das Parlament abgewiesen, und diesem
gegenüber berief man sich wieder auf das Interesse des Dienstes und die Präro¬
gativen der Krone. „In einem Bescheide an die Einwohner von Nottingham
von 1854 erklärte der Kriegsminister es ,für höchst ungewöhnlich, dem Par¬
lamente eine Petition zu überreichen, die sich unmittelbar auf eine Kriegs¬
erklärung oder einen Friedensschluß bezieht, Gegenstande, die ausschließlich
in die Gewalt und Prärogative der Krone fallen. Die Functionen des Par¬
laments könnten schwerlich auf diese Ereignisse angewendet werden, ehe sie ein¬
getreten sind/"

Als die Königin Victoria, die keine Neigung hatte, nochmals mit einer
abgeschmackten Redensart vor das Parlament zu treten, die Expedition nach der
Krim bei ihren Ministern durchgesetzt hatte, obgleich ihr die Times wiederholt
die gräßlichen Semen vorgemalt, welche die Folge davon sein würden, trugen
ihre Nöthe Sorge, daß in einem Leitartikel gesagt wurde: „Der Krieg ist jetzt
in königlicher Hand." Sobald aber die Kunde von der glücklichen Landung bei
Eupntorin eingetroffen war, ließen die Herren sich selbst von den durch sie
inspirirteu Blättern himmelhoch loben. Wie groß oder gering ihr Verdienst in
Wahrheit wog, möge eine ergötzliche Anekdote zeigen.

Kinglake, dem die Papiere Lord Raglans vorlagen, erzählt in seiner Ge¬
schichte des Krimkriegs, wie der Beschluß, in der Krim zu landen und Sebastvpvl
anzugreifen, zu Stande kam. Die Minister waren am 28. Juni 1854 bei Lord
John Russell in Pembrvke Lodge bei Richmond versammelt. Der Kriegsminister,
Herzog von Newcastle, las die lange Instruction, die er für Raglan, den eng¬
lischen Obergeneral, entworfen, den College» vor, um deren Urtheil darüber zu
vernehmen und deren Genehmigung zu erhalten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/280>, abgerufen am 28.12.2024.