Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Lossmgswdicn, Etwas andres aber ist es, das Vergnüge" nur zum erfreulichen Begleiter des Lessing bewährt sich hier als abhängig von de" Strömungen el"er Epoche, Vgl. Lessings eigen' Wen'et' hienibn' im 77. Stück der Dmmntin'M.
Lossmgswdicn, Etwas andres aber ist es, das Vergnüge» nur zum erfreulichen Begleiter des Lessing bewährt sich hier als abhängig von de» Strömungen el»er Epoche, Vgl. Lessings eigen' Wen'et' hienibn' im 77. Stück der Dmmntin'M.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0248" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149232"/> <fw type="header" place="top"> Lossmgswdicn,</fw><lb/> <p xml:id="ID_678" prev="#ID_677"> Etwas andres aber ist es, das Vergnüge» nur zum erfreulichen Begleiter des<lb/> Nutzens zu machen, und etwas andres, es als höchsten und einzige» Zweck der<lb/> K»»se hinzustellen, und sei eS mich das ans moralischen Bedingungen beruhende<lb/> „freie Vergnüge»" Schillers. „Ist der Zweck selbst moralisch, sagt Schiller<lb/> Kleber den Grund des Vergnügens :e.), so verliert die Kunst das, wodurch sie<lb/> allein mächtig ist, ihre Freiheit, »»d das, wodurch sie so allgemein wirksam ist,<lb/> den Reiz des Vergnügens,"</p><lb/> <p xml:id="ID_679" next="#ID_680"> Lessing bewährt sich hier als abhängig von de» Strömungen el»er Epoche,<lb/> als deren edelsten und genialsten Vertreter wir ihn verehren, einer Epoche,<lb/> deren geistigen Inhalt nur gewohnt sind unter der Bezeichnung des Rationa¬<lb/> lismus zusammeiiznfassen. Insofern ist es richtig, diesen seinen moralisirenden<lb/> Standpunkt als einen Tribut zu bezeichnen, den er seinem Jahrhundert abtrug,<lb/> aber mau darf nicht vergessen, wie sehr diese Richtung in seiner ganzen persön¬<lb/> lichen Anlage ihre diesre Begründung fand. Stimmen genug erhoben sich schon<lb/> damals, welche jede Verbindung der dramatischen Poesie mit der Moral ver¬<lb/> warfen,^) und es verdient hervorgehoben zu werden, das; gerade Lessings Freund<lb/> Nicolai, deu Goethe später so grausam zum Urtypus des seichten moralisirenden<lb/> Nationalismus stempelte, der erste war, welcher die Behauptung aufstellte, das<lb/> Trauerspiel solle nur die Leidenschaften errege». Er ging soweit vor, daß er<lb/> dem Grundsatz, das Trauerspiel solle bessern, die Schuld an dem elenden Zustand<lb/> der deutschen Bühne zuschrieb. (Nicolai an Lessing, 31. August 1756. Lessing<lb/> nu Nicolai, 13. November 1756.) Wenn Lessing in diesen Schlachtruf nicht<lb/> einstimmte, nicht die ihm hier entgegengetragne Rolle deS Reformators ergriff —<lb/> war es doch sonst seine Lieblingsthätigkeit, alte Vorurtheile a»sz»rotten — so<lb/> zeugt diese Zurückhaltung von der Tiefe seines sittlichen Gefühls. Mit dem vollen<lb/> Bewußtsein seines Gegensatzes zu Nicolais Anschauung verharrte er dabei, dem<lb/> dramatischen Dichter eine hohe ethische Bedeutung zu vindiciren. Wer kennt sie nicht,<lb/> jene beherzigenswerthen schönen Worte, welche Lessing einst seinem Bruder schrieb<lb/> (28. Oct. 1768): „studire fleißig Moral und cultivire deinen eignen Charakter;<lb/> ohne das kann ich nur keinen guten dramatischen Schriftsteller denken!" Er irrte<lb/> der edle Mann, indem er diese ethische Wirkung für das höchste und hauptsäch¬<lb/> lichste Ziel der tragische» K»»se erklärte. Seine Moral bleibt daher noch eine äußer¬<lb/> liche, weil beabsichtigte und zwar als dauernde Wirkung beabsichtigte. Hier muthet<lb/> er uns, die wir mit dem Geiste Goethes und Schillers getränkt sind, fremd und<lb/> kaum noch verständlich um. Um so weniger dürfen wir den Fortschritt unterschätzen,<lb/> den seine Auffassung gegeuiiber der moralisirenden Plattheit seiner Vorgänger</p><lb/> <note xml:id="FID_29" place="foot"> Vgl. Lessings eigen' Wen'et' hienibn' im 77. Stück der Dmmntin'M.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0248]
Lossmgswdicn,
Etwas andres aber ist es, das Vergnüge» nur zum erfreulichen Begleiter des
Nutzens zu machen, und etwas andres, es als höchsten und einzige» Zweck der
K»»se hinzustellen, und sei eS mich das ans moralischen Bedingungen beruhende
„freie Vergnüge»" Schillers. „Ist der Zweck selbst moralisch, sagt Schiller
Kleber den Grund des Vergnügens :e.), so verliert die Kunst das, wodurch sie
allein mächtig ist, ihre Freiheit, »»d das, wodurch sie so allgemein wirksam ist,
den Reiz des Vergnügens,"
Lessing bewährt sich hier als abhängig von de» Strömungen el»er Epoche,
als deren edelsten und genialsten Vertreter wir ihn verehren, einer Epoche,
deren geistigen Inhalt nur gewohnt sind unter der Bezeichnung des Rationa¬
lismus zusammeiiznfassen. Insofern ist es richtig, diesen seinen moralisirenden
Standpunkt als einen Tribut zu bezeichnen, den er seinem Jahrhundert abtrug,
aber mau darf nicht vergessen, wie sehr diese Richtung in seiner ganzen persön¬
lichen Anlage ihre diesre Begründung fand. Stimmen genug erhoben sich schon
damals, welche jede Verbindung der dramatischen Poesie mit der Moral ver¬
warfen,^) und es verdient hervorgehoben zu werden, das; gerade Lessings Freund
Nicolai, deu Goethe später so grausam zum Urtypus des seichten moralisirenden
Nationalismus stempelte, der erste war, welcher die Behauptung aufstellte, das
Trauerspiel solle nur die Leidenschaften errege». Er ging soweit vor, daß er
dem Grundsatz, das Trauerspiel solle bessern, die Schuld an dem elenden Zustand
der deutschen Bühne zuschrieb. (Nicolai an Lessing, 31. August 1756. Lessing
nu Nicolai, 13. November 1756.) Wenn Lessing in diesen Schlachtruf nicht
einstimmte, nicht die ihm hier entgegengetragne Rolle deS Reformators ergriff —
war es doch sonst seine Lieblingsthätigkeit, alte Vorurtheile a»sz»rotten — so
zeugt diese Zurückhaltung von der Tiefe seines sittlichen Gefühls. Mit dem vollen
Bewußtsein seines Gegensatzes zu Nicolais Anschauung verharrte er dabei, dem
dramatischen Dichter eine hohe ethische Bedeutung zu vindiciren. Wer kennt sie nicht,
jene beherzigenswerthen schönen Worte, welche Lessing einst seinem Bruder schrieb
(28. Oct. 1768): „studire fleißig Moral und cultivire deinen eignen Charakter;
ohne das kann ich nur keinen guten dramatischen Schriftsteller denken!" Er irrte
der edle Mann, indem er diese ethische Wirkung für das höchste und hauptsäch¬
lichste Ziel der tragische» K»»se erklärte. Seine Moral bleibt daher noch eine äußer¬
liche, weil beabsichtigte und zwar als dauernde Wirkung beabsichtigte. Hier muthet
er uns, die wir mit dem Geiste Goethes und Schillers getränkt sind, fremd und
kaum noch verständlich um. Um so weniger dürfen wir den Fortschritt unterschätzen,
den seine Auffassung gegeuiiber der moralisirenden Plattheit seiner Vorgänger
Vgl. Lessings eigen' Wen'et' hienibn' im 77. Stück der Dmmntin'M.
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