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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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gegen Deutschland, das die Italiener begreiflicherweise noch nicht von dem
metternichschen Oesterreich, welches wie ein Alp auf den nach nationaler Existenz
und Unabhängigkeit verlangenden Patrioten lastete, vollständig zu scheiden ver¬
mochten, zu tief in die Seele geflößt war, als daß das officielle Deutschland
des Bundestages und der Karlsbader Beschlüsse von dem jungen, für Freiheit
und Selbstbestimmung der Völker begeisterten Fremden eine wohlwollende Be¬
urtheilung feiner traurigen politischen Zustände hätte erwarten dürfen, so war
andererseits "der unklare, wilde Mysticismus" der damaligen burschenschaft-
lichen Bestrebungen seiner ganzen Natur viel zu sehr zuwider, als daß er ein
volles Verständniß dafür haben oder gar lebhafte Sympathie für dieselben
hätte empfinden können.

Nach Hause zurückgekehrt, fühlte er sich zunächst wieder sehr unglücklich
und fand nur allmählich in wissenschaftlichen Arbeiten Trost, wenn auch nie
volle Befriedigung. Hielt er sich übrigens in dieser Zeit geflissentlich von dem
politischen Gebiete fern, so bewies er doch bei mehr als einer Gelegenheit, wie
sehr ihm das Wohl der geliebten Heimat am Herzen lag. So setzte er gegen
die Opposition der Geistlichkeit und eines Theiles des Hofes mit Hilfe der
Großherzogin Marie Luise, einer bairischen Prinzessin, die Gründung des ersten
Laien-Erziehungsinstitnts für Mädchen durch, gründete (1829) die erste Spar¬
casse in Toscana und unterstützte den unermüdlichen Peter Vicnsscux bei der
Gründung der bedeutendsten literarisch-wissenschaftlichen Zeitschrift des damaligen
Italiens, der ^.ntvlvg'in, zu der er selbst namhafte Beiträge lieferte. In den
Sitzungen des Vereins der OkorAollll (Freunde der Lnndwirthschaft) hielt er
eine Reihe trefflicher, tief durchdachter Vortrüge, in denen er das Toscana
eigenthümliche System der intWvrm oolouiv", das auf einer Theilung der
Ernte zwischen dem Grundeigenthümer und dem Behälter des Bodens beruht,
sür sein Heimatland, wenn nicht für ganz Italien als das beste nachzuweisen
suchte, el" System, zu dem er später auch nicht ohne Erfolg den bei ihm
weilenden Cobden zu bekehren unternahm. In seinen 1845 veröffentlichten
Fragmenten über die Erziehung, die zwar in ihren Sätzen und Folgerungen sehr
anfechtbar sind, aber doch von ernster, tiefgehender Beschäftigung mit den ein¬
schlagende" Frage" zeuge", kämpfte er gegen die zu große moderne Mechanisirung
des Unterrichts und die physische wie moralische Verweichlichung der Zöglinge.
Sei" hauptsächliches Interesse aber co"ce"trirte er mehr und mehr auf histo¬
rische Studien. Er began" eine Geschichte Peter Leopolds, des toscanischen
Reformators und spätern Kaisers Leopolds II., und sammelte zugleich eifrig
Materalie" zu einer Lorm eivitö äoll-r vlriöW (Bürgerliche Geschieb'te der
Kirche), i" der er die Einwirkung des Christenthums auf die sociale und siaat-


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gegen Deutschland, das die Italiener begreiflicherweise noch nicht von dem
metternichschen Oesterreich, welches wie ein Alp auf den nach nationaler Existenz
und Unabhängigkeit verlangenden Patrioten lastete, vollständig zu scheiden ver¬
mochten, zu tief in die Seele geflößt war, als daß das officielle Deutschland
des Bundestages und der Karlsbader Beschlüsse von dem jungen, für Freiheit
und Selbstbestimmung der Völker begeisterten Fremden eine wohlwollende Be¬
urtheilung feiner traurigen politischen Zustände hätte erwarten dürfen, so war
andererseits „der unklare, wilde Mysticismus" der damaligen burschenschaft-
lichen Bestrebungen seiner ganzen Natur viel zu sehr zuwider, als daß er ein
volles Verständniß dafür haben oder gar lebhafte Sympathie für dieselben
hätte empfinden können.

Nach Hause zurückgekehrt, fühlte er sich zunächst wieder sehr unglücklich
und fand nur allmählich in wissenschaftlichen Arbeiten Trost, wenn auch nie
volle Befriedigung. Hielt er sich übrigens in dieser Zeit geflissentlich von dem
politischen Gebiete fern, so bewies er doch bei mehr als einer Gelegenheit, wie
sehr ihm das Wohl der geliebten Heimat am Herzen lag. So setzte er gegen
die Opposition der Geistlichkeit und eines Theiles des Hofes mit Hilfe der
Großherzogin Marie Luise, einer bairischen Prinzessin, die Gründung des ersten
Laien-Erziehungsinstitnts für Mädchen durch, gründete (1829) die erste Spar¬
casse in Toscana und unterstützte den unermüdlichen Peter Vicnsscux bei der
Gründung der bedeutendsten literarisch-wissenschaftlichen Zeitschrift des damaligen
Italiens, der ^.ntvlvg'in, zu der er selbst namhafte Beiträge lieferte. In den
Sitzungen des Vereins der OkorAollll (Freunde der Lnndwirthschaft) hielt er
eine Reihe trefflicher, tief durchdachter Vortrüge, in denen er das Toscana
eigenthümliche System der intWvrm oolouiv», das auf einer Theilung der
Ernte zwischen dem Grundeigenthümer und dem Behälter des Bodens beruht,
sür sein Heimatland, wenn nicht für ganz Italien als das beste nachzuweisen
suchte, el» System, zu dem er später auch nicht ohne Erfolg den bei ihm
weilenden Cobden zu bekehren unternahm. In seinen 1845 veröffentlichten
Fragmenten über die Erziehung, die zwar in ihren Sätzen und Folgerungen sehr
anfechtbar sind, aber doch von ernster, tiefgehender Beschäftigung mit den ein¬
schlagende» Frage» zeuge», kämpfte er gegen die zu große moderne Mechanisirung
des Unterrichts und die physische wie moralische Verweichlichung der Zöglinge.
Sei» hauptsächliches Interesse aber co»ce»trirte er mehr und mehr auf histo¬
rische Studien. Er began» eine Geschichte Peter Leopolds, des toscanischen
Reformators und spätern Kaisers Leopolds II., und sammelte zugleich eifrig
Materalie» zu einer Lorm eivitö äoll-r vlriöW (Bürgerliche Geschieb'te der
Kirche), i» der er die Einwirkung des Christenthums auf die sociale und siaat-


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[0214] <K>"o ^cipponi, gegen Deutschland, das die Italiener begreiflicherweise noch nicht von dem metternichschen Oesterreich, welches wie ein Alp auf den nach nationaler Existenz und Unabhängigkeit verlangenden Patrioten lastete, vollständig zu scheiden ver¬ mochten, zu tief in die Seele geflößt war, als daß das officielle Deutschland des Bundestages und der Karlsbader Beschlüsse von dem jungen, für Freiheit und Selbstbestimmung der Völker begeisterten Fremden eine wohlwollende Be¬ urtheilung feiner traurigen politischen Zustände hätte erwarten dürfen, so war andererseits „der unklare, wilde Mysticismus" der damaligen burschenschaft- lichen Bestrebungen seiner ganzen Natur viel zu sehr zuwider, als daß er ein volles Verständniß dafür haben oder gar lebhafte Sympathie für dieselben hätte empfinden können. Nach Hause zurückgekehrt, fühlte er sich zunächst wieder sehr unglücklich und fand nur allmählich in wissenschaftlichen Arbeiten Trost, wenn auch nie volle Befriedigung. Hielt er sich übrigens in dieser Zeit geflissentlich von dem politischen Gebiete fern, so bewies er doch bei mehr als einer Gelegenheit, wie sehr ihm das Wohl der geliebten Heimat am Herzen lag. So setzte er gegen die Opposition der Geistlichkeit und eines Theiles des Hofes mit Hilfe der Großherzogin Marie Luise, einer bairischen Prinzessin, die Gründung des ersten Laien-Erziehungsinstitnts für Mädchen durch, gründete (1829) die erste Spar¬ casse in Toscana und unterstützte den unermüdlichen Peter Vicnsscux bei der Gründung der bedeutendsten literarisch-wissenschaftlichen Zeitschrift des damaligen Italiens, der ^.ntvlvg'in, zu der er selbst namhafte Beiträge lieferte. In den Sitzungen des Vereins der OkorAollll (Freunde der Lnndwirthschaft) hielt er eine Reihe trefflicher, tief durchdachter Vortrüge, in denen er das Toscana eigenthümliche System der intWvrm oolouiv», das auf einer Theilung der Ernte zwischen dem Grundeigenthümer und dem Behälter des Bodens beruht, sür sein Heimatland, wenn nicht für ganz Italien als das beste nachzuweisen suchte, el» System, zu dem er später auch nicht ohne Erfolg den bei ihm weilenden Cobden zu bekehren unternahm. In seinen 1845 veröffentlichten Fragmenten über die Erziehung, die zwar in ihren Sätzen und Folgerungen sehr anfechtbar sind, aber doch von ernster, tiefgehender Beschäftigung mit den ein¬ schlagende» Frage» zeuge», kämpfte er gegen die zu große moderne Mechanisirung des Unterrichts und die physische wie moralische Verweichlichung der Zöglinge. Sei» hauptsächliches Interesse aber co»ce»trirte er mehr und mehr auf histo¬ rische Studien. Er began» eine Geschichte Peter Leopolds, des toscanischen Reformators und spätern Kaisers Leopolds II., und sammelte zugleich eifrig Materalie» zu einer Lorm eivitö äoll-r vlriöW (Bürgerliche Geschieb'te der Kirche), i» der er die Einwirkung des Christenthums auf die sociale und siaat-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/214>, abgerufen am 27.12.2024.