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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Laufe des Salmnbria folgen und am Golfe von Arka endigen würde, so daß
Larissa, Metzowo und Janina der Türkei erhalten blieben. Der Sultan will
dieses Arrangement hundert Tage nach dein Datum zur Ausführung bringen,
wo Europa erklärt, die Flottendemvnstration zu unterlassen. Die Pforte nimmt
die von der europäischen Commission entworfenen organischen Statuten zur
Anwendung auf die übrigen Provinzen der europäischen Türkei nach Artikel 23
des Berliner Vertrags an. In Bezug auf Armenien besagt die Note, daß,
nachdem die zur Berichterstattung über diese Provinz abgesandte Commission
Reformen der Gerichte, der Polizei und Gensdarmerie und der Gemeindceinrich-
tungen empfohlen, zehn Procent des überschüssigen Stenertrags auf öffent¬
liche Schulen und Staatsbauten verwendet werden sollen, und daß eine
Aenderung in der Ernennung von Richtern und Beamten in Aussicht genom¬
men ist. Die gestimmte Verwaltung soll umgestaltet werde", so daß öffentliche
Aemter fortan von allen ottomanischen Unterthanen ohne Unterschied der Reli¬
gion bekleidet werden können. Mit einem Worte, die Pforte verspricht, die
Ausführung des Artikels 62 des Berliner Vertrags in allen Punkten binnen
vier Monaten zu bewirken, aber wohlgemerkt wieder unter der Voraussetz¬
ung, daß die Flottendemonstrativn unterbleibt. Nachdem dann die finanzielle
Frage berührt und verschiedene Wege zur Lösung derselben vorgeschlagen wor¬
den, kommt das Actenstück wieder auf die Flottendemonstration und den durch
dieselbe geübten schweren Druck, sowie auf die Gefahren zu sprechen, mit denen
sie drohe, worauf die Pforte ihre Rechte hinsichtlich der Schleifung der Donau-
festungen und der Besetzung der Balkanpässe durch die Truppen des Sultans
geltend macht. Den Mächten soll das Recht zustehen, über die Ausführung der
hier gemachten Versprechungen während der Frist zu wachen, die dazu nachge¬
sucht wird. Schließlich werden die Mächte nochmals eingeladen, die Flotten¬
demonstration zu unterlassen.

Diese Note hat die Botschafter uicht befriedigt, und in London ist sie
sicherem Vernehmen nach unannehmbar befunden worden. Wird sie aber von
der englischen Regierung zurückgewiesen, so kann sie auch den übrigen Mächten
nicht als Grundlage zu neuen Verhandlungen dienen. (Nach späteren Nach¬
richten hat sie auch in anderen Cabinetten nicht befriedigt.)

Der vorstehende Rückblick auf die Ereignisse, die einander seit dem Ber¬
liner Vertrage im Westen der Balkanhalbinsel folgten, zeigt, daß die Pforte
ihre Politik der wahren Lage der Dinge nicht angepaßt hat. Sie hat aller
den Mächten keineswegs blos Gegner, sondern auch Freunde, aber sie hat bei-
unhc alles gethan, was ihr die Gunst der letzteren zu entfremden oder doch
deren Vermittlung zu erschweren geeignet war. Oesterreich-Ungarn hat ein
sehr entschiedenes Interesse daran, daß die Türkei in dem Bestände und mit


Laufe des Salmnbria folgen und am Golfe von Arka endigen würde, so daß
Larissa, Metzowo und Janina der Türkei erhalten blieben. Der Sultan will
dieses Arrangement hundert Tage nach dein Datum zur Ausführung bringen,
wo Europa erklärt, die Flottendemvnstration zu unterlassen. Die Pforte nimmt
die von der europäischen Commission entworfenen organischen Statuten zur
Anwendung auf die übrigen Provinzen der europäischen Türkei nach Artikel 23
des Berliner Vertrags an. In Bezug auf Armenien besagt die Note, daß,
nachdem die zur Berichterstattung über diese Provinz abgesandte Commission
Reformen der Gerichte, der Polizei und Gensdarmerie und der Gemeindceinrich-
tungen empfohlen, zehn Procent des überschüssigen Stenertrags auf öffent¬
liche Schulen und Staatsbauten verwendet werden sollen, und daß eine
Aenderung in der Ernennung von Richtern und Beamten in Aussicht genom¬
men ist. Die gestimmte Verwaltung soll umgestaltet werde», so daß öffentliche
Aemter fortan von allen ottomanischen Unterthanen ohne Unterschied der Reli¬
gion bekleidet werden können. Mit einem Worte, die Pforte verspricht, die
Ausführung des Artikels 62 des Berliner Vertrags in allen Punkten binnen
vier Monaten zu bewirken, aber wohlgemerkt wieder unter der Voraussetz¬
ung, daß die Flottendemonstrativn unterbleibt. Nachdem dann die finanzielle
Frage berührt und verschiedene Wege zur Lösung derselben vorgeschlagen wor¬
den, kommt das Actenstück wieder auf die Flottendemonstration und den durch
dieselbe geübten schweren Druck, sowie auf die Gefahren zu sprechen, mit denen
sie drohe, worauf die Pforte ihre Rechte hinsichtlich der Schleifung der Donau-
festungen und der Besetzung der Balkanpässe durch die Truppen des Sultans
geltend macht. Den Mächten soll das Recht zustehen, über die Ausführung der
hier gemachten Versprechungen während der Frist zu wachen, die dazu nachge¬
sucht wird. Schließlich werden die Mächte nochmals eingeladen, die Flotten¬
demonstration zu unterlassen.

Diese Note hat die Botschafter uicht befriedigt, und in London ist sie
sicherem Vernehmen nach unannehmbar befunden worden. Wird sie aber von
der englischen Regierung zurückgewiesen, so kann sie auch den übrigen Mächten
nicht als Grundlage zu neuen Verhandlungen dienen. (Nach späteren Nach¬
richten hat sie auch in anderen Cabinetten nicht befriedigt.)

Der vorstehende Rückblick auf die Ereignisse, die einander seit dem Ber¬
liner Vertrage im Westen der Balkanhalbinsel folgten, zeigt, daß die Pforte
ihre Politik der wahren Lage der Dinge nicht angepaßt hat. Sie hat aller
den Mächten keineswegs blos Gegner, sondern auch Freunde, aber sie hat bei-
unhc alles gethan, was ihr die Gunst der letzteren zu entfremden oder doch
deren Vermittlung zu erschweren geeignet war. Oesterreich-Ungarn hat ein
sehr entschiedenes Interesse daran, daß die Türkei in dem Bestände und mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/95>, abgerufen am 07.01.2025.