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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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vortheilhafter wäre, den Handel später, nachdem man einige praktische Kenntniß
gewonnen, auf eigene Rechnung zu betreiben. Jedenfalls hätte man von dem
Profit, den man sich wahrscheinlich noch viel glänzender vorstellte als er war,
gern ein Theilchen in den eigenen Beutel gelenkt, scheute sich aber dies Be¬
gehren unumwunden kund zu thun. Man hoffte wohl das Ziel am bequemsten
zu erreichen, wenn man den Spröden spielte und den Augsburger Unternehmer
zappeln ließe. Gelegentlich konnte man ja dann einmal unter irgend einem
Vorwande versuchsweise eine größere oder kleinere Summe fordern. Der Stadt¬
gardehauptmann erhielt daher keine Antwort; dagegen meldete am 19. März
der Landrichter von Friedberg, einem etwa anderthalb Stunden von Augsburg
entfernt liegenden baierischen Städtchen, es seien ihm sechs Malesiecmten zur
Ablieferung an Augsburg überschickt worden, die Uebergabe könne, wofern es
den Herren so genehm sei, am folgenden Tage stattfinden. Als aber Langen-
mantel in Begleitung des Neichsstadtvvgtes zur bezeichneten Stunde auf der
Lechbrücke zwischen Augsburg und Friedberg, dem Orte, wo gewöhnlich der¬
gleichen Geschäfte vorgenommen wurden, erschien, um die Gefangenen zu über¬
nehmen, verweigerte der Landrichter deren Auslieferung, wenn ihm nicht zuvor
die Transportkosten von München aus zurückerstattet würden. Dieselben waren
auf 106 Gulden angesetzt worden, eine Summe, welche die wirklichen Kosten
etwa um das vierfache überstieg. Dabei stellte" sich die Baiern, als verlangten
sie nichts als was ihnen selbstverständlich und rechtmäßig gebühre. Langen-
mantel jedoch, schou aufgebracht, weil statt der 30-40 Manu, die er zum min-
ster erwartet, nur sechs gekommen waren, schlug jedwede Zahlung rundweg ab,
und da der Landrichter behauptete, er sei beauftragt auf seiner Forderung zu
bestehen, so blieb nichts weiter übrig als nach einigem Zank die Verbrecher
wieder nach Friedberg zurückzuführen und den beiderseitigen vorgesetzten Be¬
hörden über das Resultat zu berichten.

Ein Paar Tage später, am 24. März, langte beim Augsburger Rathe ein
neuer, ziemlich barsch abgefaßter Erlaß von München an. Die kurfürstliche
Regierung äußert ihr höchstes Befremden über das Verfahren der befreundeten
Nachbarstadt; "wie our aber nit hoffen wollen," heißt es zum Schlüsse, "unser
villgeehrt: geliebten Herren werden deren eingeholt zurückziehen als haben wir
mehrgedacht unseren Beambten (den Landrichter zu Friedberg) dahin instruiert,
wegen sothcmer sutrackieiunF und Bezcchluug der Transportuncösten annoch mit
Euch zu oorrcisxoliäieren."

Es gehörte ein gutes Theil von -- wie man jetzt es nennen würde --
Unverfrorenheit dazu, einen solchen Brief zu schreiben. Der Augsburger Magi¬
strat hatte oft und unzweideutig genug gesagt, daß er mit der Sache nichts zu
schaffen haben wolle und vor allem nicht gesonnen sei eine Garantie zu leisten.


vortheilhafter wäre, den Handel später, nachdem man einige praktische Kenntniß
gewonnen, auf eigene Rechnung zu betreiben. Jedenfalls hätte man von dem
Profit, den man sich wahrscheinlich noch viel glänzender vorstellte als er war,
gern ein Theilchen in den eigenen Beutel gelenkt, scheute sich aber dies Be¬
gehren unumwunden kund zu thun. Man hoffte wohl das Ziel am bequemsten
zu erreichen, wenn man den Spröden spielte und den Augsburger Unternehmer
zappeln ließe. Gelegentlich konnte man ja dann einmal unter irgend einem
Vorwande versuchsweise eine größere oder kleinere Summe fordern. Der Stadt¬
gardehauptmann erhielt daher keine Antwort; dagegen meldete am 19. März
der Landrichter von Friedberg, einem etwa anderthalb Stunden von Augsburg
entfernt liegenden baierischen Städtchen, es seien ihm sechs Malesiecmten zur
Ablieferung an Augsburg überschickt worden, die Uebergabe könne, wofern es
den Herren so genehm sei, am folgenden Tage stattfinden. Als aber Langen-
mantel in Begleitung des Neichsstadtvvgtes zur bezeichneten Stunde auf der
Lechbrücke zwischen Augsburg und Friedberg, dem Orte, wo gewöhnlich der¬
gleichen Geschäfte vorgenommen wurden, erschien, um die Gefangenen zu über¬
nehmen, verweigerte der Landrichter deren Auslieferung, wenn ihm nicht zuvor
die Transportkosten von München aus zurückerstattet würden. Dieselben waren
auf 106 Gulden angesetzt worden, eine Summe, welche die wirklichen Kosten
etwa um das vierfache überstieg. Dabei stellte» sich die Baiern, als verlangten
sie nichts als was ihnen selbstverständlich und rechtmäßig gebühre. Langen-
mantel jedoch, schou aufgebracht, weil statt der 30-40 Manu, die er zum min-
ster erwartet, nur sechs gekommen waren, schlug jedwede Zahlung rundweg ab,
und da der Landrichter behauptete, er sei beauftragt auf seiner Forderung zu
bestehen, so blieb nichts weiter übrig als nach einigem Zank die Verbrecher
wieder nach Friedberg zurückzuführen und den beiderseitigen vorgesetzten Be¬
hörden über das Resultat zu berichten.

Ein Paar Tage später, am 24. März, langte beim Augsburger Rathe ein
neuer, ziemlich barsch abgefaßter Erlaß von München an. Die kurfürstliche
Regierung äußert ihr höchstes Befremden über das Verfahren der befreundeten
Nachbarstadt; „wie our aber nit hoffen wollen," heißt es zum Schlüsse, „unser
villgeehrt: geliebten Herren werden deren eingeholt zurückziehen als haben wir
mehrgedacht unseren Beambten (den Landrichter zu Friedberg) dahin instruiert,
wegen sothcmer sutrackieiunF und Bezcchluug der Transportuncösten annoch mit
Euch zu oorrcisxoliäieren."

Es gehörte ein gutes Theil von — wie man jetzt es nennen würde —
Unverfrorenheit dazu, einen solchen Brief zu schreiben. Der Augsburger Magi¬
strat hatte oft und unzweideutig genug gesagt, daß er mit der Sache nichts zu
schaffen haben wolle und vor allem nicht gesonnen sei eine Garantie zu leisten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/9>, abgerufen am 28.12.2024.