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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Regierung trug jedoch Bedenken, mit einem untergeordneteren Offizier, der ihr
vielleicht keine genügende Sicherheit zu gewähren schien, in directe Verbindung
zu treten oder gar eine Vereinbarung abzuschließen; gern hätte sie von Seiten
der Reichsstadt selber eine Bürgschaft gehabt.

In Augsburg war man jedoch viel zu vorsichtig, um hierauf einzugehen.
Die Stadt als solche, antwortete der Rath, sei nicht gesonnen, sich in diese An¬
gelegenheit zu melieren; indeß wolle man aus Gefälligkeit gegen den Kurfürsten,
ohne aber deßhalb irgend eine Verantwortung zu übernehmen, sehr gern zwischen
diesem und dem Hauptmann von Langenmantel, der schon seit einiger Zeit mit
Venedig unterhandle, den Vermittler machen. Zugleich folgten einige nähere
Angaben, die Langenmantel dem Rathe über den Gegenstand mitgetheilt hatte.

Die baierische Regierung erfuhr daraus nichts, was sie nicht längst gewußt
hätte; gleichwohl setzte sie den Briefwechsel fort, ohne ihre Absichten deutlich
auszusprechen, und indem sie beharrlich die Fiction aufrecht erhielt, als ob es
der Augsburger Rath selbst sei, der das Geschäft betreibe. Die Absicht war nicht
mißzuverstehen. Da die Hochedlen und Hochweisen von Augsburg sich jedoch
durch dieses diplomatische Kunststück nicht fangen lassen wollten, sondern jedes¬
mal von neuem sich gegen jene Unterstellung ausdrücklich verwahrten, so be¬
kannten die Münchener endlich Farbe. Man habe jetzt wirklich, heißt es in
einem Schreiben vom 30. Oetober, einen kleinen Vorrath von Malefieanten, die
zur Ruderbank eondemniert worden, und sei Willens, dieselben kostenfrei bis
Augsburg zu liefern; man verlange keinerlei Bezahlung, wolle aber dafür auch
nachher aller weiteren Sorge ledig sein. Langenmantel erklärte sich damit für
befriedigt und versprach die Verurtheilten in Augsburg zu übernehmen und auf
fein Risico und seine Kosten nach Venedig zu schaffen.

Um mit dem Transport sofort beginnen zu können, war die kalte Jahres¬
zeit schon zu weit heranrückt. Im Winter hätte die Reise zuviel gekostet, mau
mußte also damit bis zum nächsten Frühling warten. So kam das neue Jahr
heran. Gegen Ende Februar schrieb die kurfürstliche Regierung, es seien nun
vier Galeerensträflinge vorhanden, die man im nächsten Monat in Augsburg
zu übergeben gedenke. Der Rath händigte das Schreiben dem Stadtgarde¬
hauptmann ein, und obwohl dieser auf eine viel größere Anzahl gerechnet hatte,
so beeilte er sich doch der baierischen Regierung seine Bereitwilligkeit auszu¬
sprechen, jene vier Mann zu übernehmen, bat aber zugleich, man möge ein¬
mal in den Gefängnissen Nachforschungen anstellen, ob sich nicht noch mehr
für die Galeeren taugliche Subjecte vorfünden. Wenn sich eine größere Menge
zusammenbringen lasse, so verspreche er die Transportkosten von München nach
Augsburg ebenfalls auf sein Conto zu nehmen.

In München schwankte man. Vielleicht überlegte man sich, ob es nicht


Regierung trug jedoch Bedenken, mit einem untergeordneteren Offizier, der ihr
vielleicht keine genügende Sicherheit zu gewähren schien, in directe Verbindung
zu treten oder gar eine Vereinbarung abzuschließen; gern hätte sie von Seiten
der Reichsstadt selber eine Bürgschaft gehabt.

In Augsburg war man jedoch viel zu vorsichtig, um hierauf einzugehen.
Die Stadt als solche, antwortete der Rath, sei nicht gesonnen, sich in diese An¬
gelegenheit zu melieren; indeß wolle man aus Gefälligkeit gegen den Kurfürsten,
ohne aber deßhalb irgend eine Verantwortung zu übernehmen, sehr gern zwischen
diesem und dem Hauptmann von Langenmantel, der schon seit einiger Zeit mit
Venedig unterhandle, den Vermittler machen. Zugleich folgten einige nähere
Angaben, die Langenmantel dem Rathe über den Gegenstand mitgetheilt hatte.

Die baierische Regierung erfuhr daraus nichts, was sie nicht längst gewußt
hätte; gleichwohl setzte sie den Briefwechsel fort, ohne ihre Absichten deutlich
auszusprechen, und indem sie beharrlich die Fiction aufrecht erhielt, als ob es
der Augsburger Rath selbst sei, der das Geschäft betreibe. Die Absicht war nicht
mißzuverstehen. Da die Hochedlen und Hochweisen von Augsburg sich jedoch
durch dieses diplomatische Kunststück nicht fangen lassen wollten, sondern jedes¬
mal von neuem sich gegen jene Unterstellung ausdrücklich verwahrten, so be¬
kannten die Münchener endlich Farbe. Man habe jetzt wirklich, heißt es in
einem Schreiben vom 30. Oetober, einen kleinen Vorrath von Malefieanten, die
zur Ruderbank eondemniert worden, und sei Willens, dieselben kostenfrei bis
Augsburg zu liefern; man verlange keinerlei Bezahlung, wolle aber dafür auch
nachher aller weiteren Sorge ledig sein. Langenmantel erklärte sich damit für
befriedigt und versprach die Verurtheilten in Augsburg zu übernehmen und auf
fein Risico und seine Kosten nach Venedig zu schaffen.

Um mit dem Transport sofort beginnen zu können, war die kalte Jahres¬
zeit schon zu weit heranrückt. Im Winter hätte die Reise zuviel gekostet, mau
mußte also damit bis zum nächsten Frühling warten. So kam das neue Jahr
heran. Gegen Ende Februar schrieb die kurfürstliche Regierung, es seien nun
vier Galeerensträflinge vorhanden, die man im nächsten Monat in Augsburg
zu übergeben gedenke. Der Rath händigte das Schreiben dem Stadtgarde¬
hauptmann ein, und obwohl dieser auf eine viel größere Anzahl gerechnet hatte,
so beeilte er sich doch der baierischen Regierung seine Bereitwilligkeit auszu¬
sprechen, jene vier Mann zu übernehmen, bat aber zugleich, man möge ein¬
mal in den Gefängnissen Nachforschungen anstellen, ob sich nicht noch mehr
für die Galeeren taugliche Subjecte vorfünden. Wenn sich eine größere Menge
zusammenbringen lasse, so verspreche er die Transportkosten von München nach
Augsburg ebenfalls auf sein Conto zu nehmen.

In München schwankte man. Vielleicht überlegte man sich, ob es nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/8>, abgerufen am 28.12.2024.