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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Noch in einem seiner letzten Antwortschreiben nach München war ausdrücklich
erklärt worden, daß die Stadt für keinerlei Unkosten, die etwa aus dem Handel
entstehen konnten, aufkommen werde. Und zum Ueberflusse hatte die baierische
Regierung sich ja selbst erboten, den Transport bis Augsburg zu bezahlen. Eine
andere Körperschaft hätte sich unter diesen Umständen vielleicht zu einer hitzigen
Entgegnung hinreißen lassen. Von dein hochweisen Rathe der Reichsstadt war
solches nicht zu befürchten. Man war hier zu sehr darau gewohnt, dergleichen
freundnachbarliche Briese zu empfangen. Man übergab das Münchener Schreiben
einfach dem Stadtgnrdehauptinann, überließ es diesem, was er thun wolle,
und antwortete der kurfürstlichen Regierung ebenso trocken wie höflich, es müsse
hier ein Mißverständniß obwalten, da der Rath mit dieser Sache nicht das
mindeste zu thun habe, sondern lediglich ans Gefälligkeit gegen den hohen Nach¬
barn dessen Correspondenzen befördert habe; man müsse es demnach der kurfürst¬
lichen Regierung anheimstellen, wie sich dieselbe mit Langenmantel über den
Kostenpunkt auseinandersetzen wolle.

Jener barsche Brief war wohl nur bestimmt gewesen, einen kleinen Druck
auszuüben. In München hatte man zweifellos gleich bei Empfang der Kunde
von Langenmantels Weigerung zu zahlen eingesehen, daß zuviel gefordert worden,
und da man keineswegs gewillt war die Sache fahren zu lassen, die Verpfle¬
gungskosten der Gefangenen aber mit jedem versäumten Tage mehr anwuchsen,
so hatte man sicherlich den Landrichter von Friedberg sofort instruiert, die ge¬
machten Ansprüche zu ermäßigen. Derselbe erklärte am 26. März, sich mit 50
Gulden begnügen zu wollen. Langenmantel, der sich mittlerweile die Sache
ebenfalls besser überlegt hatte und für die Zukunft einen guten Kunden nicht
verlieren wollte, bot dagegen 30, indem er meinte, 5 Gulden für den Kopf sei
das Höchste, was die wirklichen Transportkosten betragen haben könnten. Der
Landrichter ging auf 45 herab, Langenmantel aber bestand auf 30, und nach
längerem Hin- und Herschachern hatte es auch wohl schließlich dabei sein Be¬
wenden. Die Maleficanten wurden am 27. ausgeliefert. Was der Hauptmann
dafür zahlte, ist aus den Acten nicht ersichtlich.

Es waren, wie schon erwähnt, sechs Mann. Ihre Verbrechen waren Raub
und Diebstahl. Zwei waren zu zehn Jahren, einer -- und dies ist nicht wenig
charakteristisch -- zu fünf b i s sechs, drei zu drei Jahren verurtheilt. Alle sechs
wurden vorläufig in die Eisen -- so hieß das hinter dem Rathhause gelegene
Gefängniß -- gebracht und dort auf Laugenmantels Kosten, einer den Tag für
8 Kreuzer, verpflegt. Am 1. April wurde die Reise nach dem Süden ange¬
treten, nachdem den sechs baierischen Bösewichter in Augsburg uoch ein zum Tode
verurtheilter Räuber beigesellt wordeu war, den man, weil die Gelegenheit gerade
günstig war und es so auch weniger kostete, zur Ruderbank begnadigt hatte.


Noch in einem seiner letzten Antwortschreiben nach München war ausdrücklich
erklärt worden, daß die Stadt für keinerlei Unkosten, die etwa aus dem Handel
entstehen konnten, aufkommen werde. Und zum Ueberflusse hatte die baierische
Regierung sich ja selbst erboten, den Transport bis Augsburg zu bezahlen. Eine
andere Körperschaft hätte sich unter diesen Umständen vielleicht zu einer hitzigen
Entgegnung hinreißen lassen. Von dein hochweisen Rathe der Reichsstadt war
solches nicht zu befürchten. Man war hier zu sehr darau gewohnt, dergleichen
freundnachbarliche Briese zu empfangen. Man übergab das Münchener Schreiben
einfach dem Stadtgnrdehauptinann, überließ es diesem, was er thun wolle,
und antwortete der kurfürstlichen Regierung ebenso trocken wie höflich, es müsse
hier ein Mißverständniß obwalten, da der Rath mit dieser Sache nicht das
mindeste zu thun habe, sondern lediglich ans Gefälligkeit gegen den hohen Nach¬
barn dessen Correspondenzen befördert habe; man müsse es demnach der kurfürst¬
lichen Regierung anheimstellen, wie sich dieselbe mit Langenmantel über den
Kostenpunkt auseinandersetzen wolle.

Jener barsche Brief war wohl nur bestimmt gewesen, einen kleinen Druck
auszuüben. In München hatte man zweifellos gleich bei Empfang der Kunde
von Langenmantels Weigerung zu zahlen eingesehen, daß zuviel gefordert worden,
und da man keineswegs gewillt war die Sache fahren zu lassen, die Verpfle¬
gungskosten der Gefangenen aber mit jedem versäumten Tage mehr anwuchsen,
so hatte man sicherlich den Landrichter von Friedberg sofort instruiert, die ge¬
machten Ansprüche zu ermäßigen. Derselbe erklärte am 26. März, sich mit 50
Gulden begnügen zu wollen. Langenmantel, der sich mittlerweile die Sache
ebenfalls besser überlegt hatte und für die Zukunft einen guten Kunden nicht
verlieren wollte, bot dagegen 30, indem er meinte, 5 Gulden für den Kopf sei
das Höchste, was die wirklichen Transportkosten betragen haben könnten. Der
Landrichter ging auf 45 herab, Langenmantel aber bestand auf 30, und nach
längerem Hin- und Herschachern hatte es auch wohl schließlich dabei sein Be¬
wenden. Die Maleficanten wurden am 27. ausgeliefert. Was der Hauptmann
dafür zahlte, ist aus den Acten nicht ersichtlich.

Es waren, wie schon erwähnt, sechs Mann. Ihre Verbrechen waren Raub
und Diebstahl. Zwei waren zu zehn Jahren, einer — und dies ist nicht wenig
charakteristisch — zu fünf b i s sechs, drei zu drei Jahren verurtheilt. Alle sechs
wurden vorläufig in die Eisen — so hieß das hinter dem Rathhause gelegene
Gefängniß — gebracht und dort auf Laugenmantels Kosten, einer den Tag für
8 Kreuzer, verpflegt. Am 1. April wurde die Reise nach dem Süden ange¬
treten, nachdem den sechs baierischen Bösewichter in Augsburg uoch ein zum Tode
verurtheilter Räuber beigesellt wordeu war, den man, weil die Gelegenheit gerade
günstig war und es so auch weniger kostete, zur Ruderbank begnadigt hatte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/10>, abgerufen am 28.12.2024.