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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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abgeschlossen wird, repräsentiert für sie ein mit 5 Prozent verzinsbares Kapital
in Höhe der Jahresgage, Willst dn dich diesem Contract nicht fügen, so ver¬
schmachte mit deiner Kunst an einer kleinen Schmiere!

Nicht besser geht es den Theaterdichtern, welche für wenige Thaler die
Ernte auf dem Halm verkaufen. Einer unserer talentvollsten Theaterdichter
ist oder war ohne Zweifel Hugo Müller. Nun, er verkaufte seine erfolgreiche
Piece: "Im Wartesalon erster Classe" für ein Frühstück -- ein Champagner¬
frühstück allerdings, welches er einigen Freunden gab und, ein echtes Escius-
gericht, mit dem Erlös des Stückes bezahlte -- an den Agenten Michaelson,
der dann Tausende von Tantiemen dafür bezog. Nicht sehr viel mehr, wir
hören zwanzig Thaler, erhielt er für seinen "Diplomaten der alten Schule".
Er pesant sich in Noth mit seiner Familie in Danzig und mußte Geld
haben. Eine solche Zwangslage weiß der Agent stets trefflich zu benutzen.
Und doch hatte Hugo Müller uoch Glück. Andere geben noch Geld zu, wenn
sie ihre Namen auf dem Zettel sehen wollen. Denn sonst wird das Stück
vom Agenten eben nur erworben, damit einer der jüdischen Koryphäen es adoptirt,
d. h. einige Striche, Kalauer und Couplets darin anbringt. Die Ehre der
geistigen Urheberschaft muß mit in den Kauf gegeben werden. Der Ehrbegriff
überhaupt -- obgleich die eigentliche Triebfeder des geistigen Schaffens und bei
den Hellenen z. B. das wesentliche Element, das den Preisaufführungen zu
Grunde lag -- ist vor dem Forum, welches jetzt die deutsche Bühuenkuust be¬
herrscht, so verpönt, daß sich der Agent sofort in einen Großinquisitor verwandelt,
wenn man nicht zugeben will, daß sich das jüdische Reelmnegenie unsrer gei¬
stigen Schöpfung bemächtige und sie ihres Gemüths entkleide. Deutsche Be-
scheidenheit, deutscher Leichtsinn, Mangel an Geschäftssinn und Selbstgefühl, wie
in Hugo Müllers Fall, thun das ihrige, um dieses Agenturgeschäft zu einer der
blühendsten Domänen indirecter Ausbeutung zu machen. Die Mauchesterdoctrin,
welche das geistige Eigenthum leugnet, macht die Musik dazu. Paul Lindau
sagte sehr richtig, als Herr Dr. Alexander Meyer im Verein der "Presse" das
geistige Eigenthum leugnete, Meyer habe ganz Recht -- nämlich für den Fall,
daß er -- Lindau -- aus dieser Doctrin Vortheil ziehen könne; wenn aber
das Gegentheil der Fall, so habe er selber -- Paul Lindau -- Recht, wenn
er sein geistiges Eigenthum nach Kräften wahre.

Die Frage ist: Hat die Nation irgend welchen Vortheil davon, wenn der
Agent für ein Stück Tausende von Thalern an Tantiemen in seine Tasche steckt,
den Dichter aber mit zwanzig Thalern abspeist, wie dies bei Hugo Müller that¬
sächlich eingetreten ist? Oder ist es nicht vielmehr entwürdigend für eine Nation,
ihre geistigen Lichter verlnmven zu lassen, damit ein jüdischer Agent, die nutz¬
loseste Marodeurnatur, mit der eine Nation behaftet sein kann, sich mäste? Es


abgeschlossen wird, repräsentiert für sie ein mit 5 Prozent verzinsbares Kapital
in Höhe der Jahresgage, Willst dn dich diesem Contract nicht fügen, so ver¬
schmachte mit deiner Kunst an einer kleinen Schmiere!

Nicht besser geht es den Theaterdichtern, welche für wenige Thaler die
Ernte auf dem Halm verkaufen. Einer unserer talentvollsten Theaterdichter
ist oder war ohne Zweifel Hugo Müller. Nun, er verkaufte seine erfolgreiche
Piece: „Im Wartesalon erster Classe" für ein Frühstück — ein Champagner¬
frühstück allerdings, welches er einigen Freunden gab und, ein echtes Escius-
gericht, mit dem Erlös des Stückes bezahlte — an den Agenten Michaelson,
der dann Tausende von Tantiemen dafür bezog. Nicht sehr viel mehr, wir
hören zwanzig Thaler, erhielt er für seinen „Diplomaten der alten Schule".
Er pesant sich in Noth mit seiner Familie in Danzig und mußte Geld
haben. Eine solche Zwangslage weiß der Agent stets trefflich zu benutzen.
Und doch hatte Hugo Müller uoch Glück. Andere geben noch Geld zu, wenn
sie ihre Namen auf dem Zettel sehen wollen. Denn sonst wird das Stück
vom Agenten eben nur erworben, damit einer der jüdischen Koryphäen es adoptirt,
d. h. einige Striche, Kalauer und Couplets darin anbringt. Die Ehre der
geistigen Urheberschaft muß mit in den Kauf gegeben werden. Der Ehrbegriff
überhaupt — obgleich die eigentliche Triebfeder des geistigen Schaffens und bei
den Hellenen z. B. das wesentliche Element, das den Preisaufführungen zu
Grunde lag — ist vor dem Forum, welches jetzt die deutsche Bühuenkuust be¬
herrscht, so verpönt, daß sich der Agent sofort in einen Großinquisitor verwandelt,
wenn man nicht zugeben will, daß sich das jüdische Reelmnegenie unsrer gei¬
stigen Schöpfung bemächtige und sie ihres Gemüths entkleide. Deutsche Be-
scheidenheit, deutscher Leichtsinn, Mangel an Geschäftssinn und Selbstgefühl, wie
in Hugo Müllers Fall, thun das ihrige, um dieses Agenturgeschäft zu einer der
blühendsten Domänen indirecter Ausbeutung zu machen. Die Mauchesterdoctrin,
welche das geistige Eigenthum leugnet, macht die Musik dazu. Paul Lindau
sagte sehr richtig, als Herr Dr. Alexander Meyer im Verein der „Presse" das
geistige Eigenthum leugnete, Meyer habe ganz Recht — nämlich für den Fall,
daß er — Lindau — aus dieser Doctrin Vortheil ziehen könne; wenn aber
das Gegentheil der Fall, so habe er selber — Paul Lindau — Recht, wenn
er sein geistiges Eigenthum nach Kräften wahre.

Die Frage ist: Hat die Nation irgend welchen Vortheil davon, wenn der
Agent für ein Stück Tausende von Thalern an Tantiemen in seine Tasche steckt,
den Dichter aber mit zwanzig Thalern abspeist, wie dies bei Hugo Müller that¬
sächlich eingetreten ist? Oder ist es nicht vielmehr entwürdigend für eine Nation,
ihre geistigen Lichter verlnmven zu lassen, damit ein jüdischer Agent, die nutz¬
loseste Marodeurnatur, mit der eine Nation behaftet sein kann, sich mäste? Es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/82>, abgerufen am 07.01.2025.