Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.man am Ende, ganz im Sinne der Zeit, in Augsburg auch keine besondere Die beiden angeklagten Soldaten, die übrigens fortwährend auf freiem Mit jenen schindermäßigen Handlungen nun hatte es folgende Bewandniß. man am Ende, ganz im Sinne der Zeit, in Augsburg auch keine besondere Die beiden angeklagten Soldaten, die übrigens fortwährend auf freiem Mit jenen schindermäßigen Handlungen nun hatte es folgende Bewandniß. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147713"/> <p xml:id="ID_190" prev="#ID_189"> man am Ende, ganz im Sinne der Zeit, in Augsburg auch keine besondere<lb/> Veranlassung scharf vorzugehen. Der Geldpunkt bildete die Hauptschwierigkeit.<lb/> So geschah, was in dergleichen Fällen gewöhnlich zu geschehen Pflegt: die<lb/> Untersuchung wurde fortgesetzt, als ob uoch Wunder was zu erklären sei. Der<lb/> Untersuchungsrichter, d. h. der mit der Angelegenheit betraute Burgermeister<lb/> Paulus Amman, fuhr fort von Zeit zu Zeit Verhöre anzustellen und berich¬<lb/> tete jedesmal ausführlich darüber an den Rath mit Einsendung der Protocolle.<lb/> Der Rath übergab Berichte und Protocolle nach ernsthafter Erwägung den<lb/> Rathsconsulenten zur Begutachtung, die Rathsconsulenten schickten nach einiger<lb/> Zeit ihre Gutachten ein, und der Rath ertheilte darauf hin dem Bürgermeister<lb/> neue Aufträge. So wurde das Spiel zwischen Bürgermeister, Rath und Raths¬<lb/> consulenten in immer langsamer werdendem Tempo weitergespielt, natürlich in<lb/> der wenn auch unausgesprochenen Erwartung, daß die Sache allmählich von<lb/> selber einschlafen werde. Und das wäre sie auch aller Wahrscheinlichkeit nach,<lb/> hätte nicht einer von jenen in den reichsstädtischen Nechtshündeln jener Zeit so<lb/> häufig eintretenden Zwischenfälle alles zu neuer Bewegung aufgestört.</p><lb/> <p xml:id="ID_191"> Die beiden angeklagten Soldaten, die übrigens fortwährend auf freiem<lb/> Fuße blieben und ihren Dienst versahen, als ob nichts geschehen sei, waren durch<lb/> die gemeinsame Gefahr keineswegs veranlaßt worden, ihre privaten Feindselig¬<lb/> keiten einzustellen. Der Musketier Löser hörte uicht auf, seinen Vorgesetzten zu<lb/> bedrohen, er ließ sogar verlauten, daß er noch mit anderen Enthüllungen auf¬<lb/> warten könne, wenn ihm nicht würde, was ihm gebühre. Eines Tages nun<lb/> — es war am 5. Januar — kam Bernauer zum Gögginger Thore, um zu in¬<lb/> spirieren, und richtete bei dieser Gelegenheit an Löser, der gerade dort auf Wache<lb/> stand, eine dienstliche Frage. Die Disciplin in der Augsburger Stadtgarde war<lb/> nicht nach preußischem Muster zugeschnitten. Statt zu antworten, fing der Mus¬<lb/> ketier an zu expostulieren und erkundigte sich, wann er denn das ihm noch<lb/> schuldige Geld erhalten würde. Der Unteroffizier verwies ihm sein Benehmen<lb/> und wiederholte seine Frage; Löser aber antwortete, indem er trotzig auch seine<lb/> Frage zum zweitenmale stellte, und als Bernauer drohend den Stock schwang,<lb/> rief er ihm mit lauter Stimme zu: „Mit einem Schinderstecken lasse ich mich<lb/> nicht hauen." Den übrigen Mannschaften aber, die dem Auftritte beigewohnt<lb/> hatten, erklärte er feierlich, der Unteroffizier sei kein ehrlicher Soldat; auf dem<lb/> Transporte jenes Sträflings habe er sich vielerlei schindermäßige Handlungen<lb/> zu Schulden kommen lassen, und er, Löser, werde ihn so lange für schinder¬<lb/> mäßig ansehen, bis er ihm sein Geld bezahlt habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_192" next="#ID_193"> Mit jenen schindermäßigen Handlungen nun hatte es folgende Bewandniß.<lb/> Nach dem militärischen Code d'Horreur war es einem rechtschaffenen Kriegs¬<lb/> manne streng verboten, irgend welche Dienste zu verrichten, die der Henker oder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
man am Ende, ganz im Sinne der Zeit, in Augsburg auch keine besondere
Veranlassung scharf vorzugehen. Der Geldpunkt bildete die Hauptschwierigkeit.
So geschah, was in dergleichen Fällen gewöhnlich zu geschehen Pflegt: die
Untersuchung wurde fortgesetzt, als ob uoch Wunder was zu erklären sei. Der
Untersuchungsrichter, d. h. der mit der Angelegenheit betraute Burgermeister
Paulus Amman, fuhr fort von Zeit zu Zeit Verhöre anzustellen und berich¬
tete jedesmal ausführlich darüber an den Rath mit Einsendung der Protocolle.
Der Rath übergab Berichte und Protocolle nach ernsthafter Erwägung den
Rathsconsulenten zur Begutachtung, die Rathsconsulenten schickten nach einiger
Zeit ihre Gutachten ein, und der Rath ertheilte darauf hin dem Bürgermeister
neue Aufträge. So wurde das Spiel zwischen Bürgermeister, Rath und Raths¬
consulenten in immer langsamer werdendem Tempo weitergespielt, natürlich in
der wenn auch unausgesprochenen Erwartung, daß die Sache allmählich von
selber einschlafen werde. Und das wäre sie auch aller Wahrscheinlichkeit nach,
hätte nicht einer von jenen in den reichsstädtischen Nechtshündeln jener Zeit so
häufig eintretenden Zwischenfälle alles zu neuer Bewegung aufgestört.
Die beiden angeklagten Soldaten, die übrigens fortwährend auf freiem
Fuße blieben und ihren Dienst versahen, als ob nichts geschehen sei, waren durch
die gemeinsame Gefahr keineswegs veranlaßt worden, ihre privaten Feindselig¬
keiten einzustellen. Der Musketier Löser hörte uicht auf, seinen Vorgesetzten zu
bedrohen, er ließ sogar verlauten, daß er noch mit anderen Enthüllungen auf¬
warten könne, wenn ihm nicht würde, was ihm gebühre. Eines Tages nun
— es war am 5. Januar — kam Bernauer zum Gögginger Thore, um zu in¬
spirieren, und richtete bei dieser Gelegenheit an Löser, der gerade dort auf Wache
stand, eine dienstliche Frage. Die Disciplin in der Augsburger Stadtgarde war
nicht nach preußischem Muster zugeschnitten. Statt zu antworten, fing der Mus¬
ketier an zu expostulieren und erkundigte sich, wann er denn das ihm noch
schuldige Geld erhalten würde. Der Unteroffizier verwies ihm sein Benehmen
und wiederholte seine Frage; Löser aber antwortete, indem er trotzig auch seine
Frage zum zweitenmale stellte, und als Bernauer drohend den Stock schwang,
rief er ihm mit lauter Stimme zu: „Mit einem Schinderstecken lasse ich mich
nicht hauen." Den übrigen Mannschaften aber, die dem Auftritte beigewohnt
hatten, erklärte er feierlich, der Unteroffizier sei kein ehrlicher Soldat; auf dem
Transporte jenes Sträflings habe er sich vielerlei schindermäßige Handlungen
zu Schulden kommen lassen, und er, Löser, werde ihn so lange für schinder¬
mäßig ansehen, bis er ihm sein Geld bezahlt habe.
Mit jenen schindermäßigen Handlungen nun hatte es folgende Bewandniß.
Nach dem militärischen Code d'Horreur war es einem rechtschaffenen Kriegs¬
manne streng verboten, irgend welche Dienste zu verrichten, die der Henker oder
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