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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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aus den geistvoll charakterisierten Figuren. Aber der Künstler blieb dieser Rich¬
tung nicht lange treu. Es folgte eine Anzahl kleinerer Genrebilder, meist Liebes¬
paare in schmucken Renaissance- und Rococokostümen, und erst 1874 wieder ein
größeres "Quartett auf einer venetianischen Terrasse", welches jedoch um feiner
flüchtigen Behandlung willen nicht denselben Erfolg hatte wie der "Osterspazier-
gang." Seitdem hat Schraudolph sein immerhin liebenswürdiges Talent in
Illustrationen für den Büchermarkt verzettelt.

Dem Kreise der Maler für den Salon ist auch Joseph Flüggen anzu¬
reihen, der Sohn Gisbert Flüggens. Von der geistvollen Lebensanschauung
des Vaters, der seine figurenreichen Genrebilder stets durch einen psychologisch
interessanten Conflict zu vertiefen wußte, ist freilich auf seinen 1842 gebornen
Sohn nichts übergegangen. Als echter Pilotyschüler malt er nur die Außenseite
der Dinge, wie seine Gemälde "Landgräfin Elisabeth auf der Flucht," "Milton,
das verlorene Paradies diktierend" und "Landgräfin Margarethe, von ihren
Kindern Abschied nehmend" bekunden. Nach den Erfolgen von Makart und
Gabriel Max trat ein Umschwung in seiner künstlerischen Richtung ein. Indem
er mit einem Genrebilde zu Uhlauds Gedicht "Der Wirthin Töchterlein" ganz
zur Romantik überging, gab er diesem Bilde und den folgenden Bildern durch
Verschwommenheit und Unbestimmtheit der Zeichnung und durch einen gelblich¬
grünen Ton jenes krankhafte Aussehen, das bei einem großen Theile des
Publicums für "interessant" gilt. Bis zur Unerträglichkeit ist diese süßliche
Verschwommenheit und die Kränklichkeit des Colorits in einem figurenreichen
Genrebild "Regime Jmhof, spätere Gemahlin Georg Fuggers, empfängt die
Brautgeschenke," und auf einem zweiten, ähnlich arrangierten, der "Taufe Kaiser
Maximilians" gesteigert. Neuerdings hat der Maler, dem Zuge der Zeit und
vielleicht auch seiner stark theatralischen Neigung folgend, einen Cyklus von grau
in grau gemalten Oelbildern zu Richard Wagners Opern für die Photographie
geschaffen.

Damit kehren wir den "Süßholzrasplern" oder "Veilchenfressern" in der
Münchener Malerei den Rücken, um uns von Anton Seitz in eine frischere
und gesundere, weniger von Parfüm durchduftete Atmosphäre führen zu lassen.
Anton Seitz, den man mit Recht den Münchener Meisfonnier nennt, obwohl er
ganz von selbst auf die saubere Durchführung seiner Miniaturbilder gekommen
ist, wurde im Jahre 1830 in Noth bei Nürnberg geboren. Er besuchte zuerst
die Nürnberger Kunstschule und ging im Jahre 1853 nach München, wo er
zehn Jahre lang unter Gisbert Flttggens Leitung arbeitete. Noch in den fünf¬
ziger Jahren trat er als Genremaler auf, der seine Stoffe aus der Sphäre des
Kleinbürgerthums und des Bauernlebens schöpfte und, der Bedeutung dieses
Mikrokosmus entsprechend, für dieselben auch ein kleines Format wählte. Die


aus den geistvoll charakterisierten Figuren. Aber der Künstler blieb dieser Rich¬
tung nicht lange treu. Es folgte eine Anzahl kleinerer Genrebilder, meist Liebes¬
paare in schmucken Renaissance- und Rococokostümen, und erst 1874 wieder ein
größeres „Quartett auf einer venetianischen Terrasse", welches jedoch um feiner
flüchtigen Behandlung willen nicht denselben Erfolg hatte wie der „Osterspazier-
gang." Seitdem hat Schraudolph sein immerhin liebenswürdiges Talent in
Illustrationen für den Büchermarkt verzettelt.

Dem Kreise der Maler für den Salon ist auch Joseph Flüggen anzu¬
reihen, der Sohn Gisbert Flüggens. Von der geistvollen Lebensanschauung
des Vaters, der seine figurenreichen Genrebilder stets durch einen psychologisch
interessanten Conflict zu vertiefen wußte, ist freilich auf seinen 1842 gebornen
Sohn nichts übergegangen. Als echter Pilotyschüler malt er nur die Außenseite
der Dinge, wie seine Gemälde „Landgräfin Elisabeth auf der Flucht," „Milton,
das verlorene Paradies diktierend" und „Landgräfin Margarethe, von ihren
Kindern Abschied nehmend" bekunden. Nach den Erfolgen von Makart und
Gabriel Max trat ein Umschwung in seiner künstlerischen Richtung ein. Indem
er mit einem Genrebilde zu Uhlauds Gedicht „Der Wirthin Töchterlein" ganz
zur Romantik überging, gab er diesem Bilde und den folgenden Bildern durch
Verschwommenheit und Unbestimmtheit der Zeichnung und durch einen gelblich¬
grünen Ton jenes krankhafte Aussehen, das bei einem großen Theile des
Publicums für „interessant" gilt. Bis zur Unerträglichkeit ist diese süßliche
Verschwommenheit und die Kränklichkeit des Colorits in einem figurenreichen
Genrebild „Regime Jmhof, spätere Gemahlin Georg Fuggers, empfängt die
Brautgeschenke," und auf einem zweiten, ähnlich arrangierten, der „Taufe Kaiser
Maximilians" gesteigert. Neuerdings hat der Maler, dem Zuge der Zeit und
vielleicht auch seiner stark theatralischen Neigung folgend, einen Cyklus von grau
in grau gemalten Oelbildern zu Richard Wagners Opern für die Photographie
geschaffen.

Damit kehren wir den „Süßholzrasplern" oder „Veilchenfressern" in der
Münchener Malerei den Rücken, um uns von Anton Seitz in eine frischere
und gesundere, weniger von Parfüm durchduftete Atmosphäre führen zu lassen.
Anton Seitz, den man mit Recht den Münchener Meisfonnier nennt, obwohl er
ganz von selbst auf die saubere Durchführung seiner Miniaturbilder gekommen
ist, wurde im Jahre 1830 in Noth bei Nürnberg geboren. Er besuchte zuerst
die Nürnberger Kunstschule und ging im Jahre 1853 nach München, wo er
zehn Jahre lang unter Gisbert Flttggens Leitung arbeitete. Noch in den fünf¬
ziger Jahren trat er als Genremaler auf, der seine Stoffe aus der Sphäre des
Kleinbürgerthums und des Bauernlebens schöpfte und, der Bedeutung dieses
Mikrokosmus entsprechend, für dieselben auch ein kleines Format wählte. Die


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[0558] aus den geistvoll charakterisierten Figuren. Aber der Künstler blieb dieser Rich¬ tung nicht lange treu. Es folgte eine Anzahl kleinerer Genrebilder, meist Liebes¬ paare in schmucken Renaissance- und Rococokostümen, und erst 1874 wieder ein größeres „Quartett auf einer venetianischen Terrasse", welches jedoch um feiner flüchtigen Behandlung willen nicht denselben Erfolg hatte wie der „Osterspazier- gang." Seitdem hat Schraudolph sein immerhin liebenswürdiges Talent in Illustrationen für den Büchermarkt verzettelt. Dem Kreise der Maler für den Salon ist auch Joseph Flüggen anzu¬ reihen, der Sohn Gisbert Flüggens. Von der geistvollen Lebensanschauung des Vaters, der seine figurenreichen Genrebilder stets durch einen psychologisch interessanten Conflict zu vertiefen wußte, ist freilich auf seinen 1842 gebornen Sohn nichts übergegangen. Als echter Pilotyschüler malt er nur die Außenseite der Dinge, wie seine Gemälde „Landgräfin Elisabeth auf der Flucht," „Milton, das verlorene Paradies diktierend" und „Landgräfin Margarethe, von ihren Kindern Abschied nehmend" bekunden. Nach den Erfolgen von Makart und Gabriel Max trat ein Umschwung in seiner künstlerischen Richtung ein. Indem er mit einem Genrebilde zu Uhlauds Gedicht „Der Wirthin Töchterlein" ganz zur Romantik überging, gab er diesem Bilde und den folgenden Bildern durch Verschwommenheit und Unbestimmtheit der Zeichnung und durch einen gelblich¬ grünen Ton jenes krankhafte Aussehen, das bei einem großen Theile des Publicums für „interessant" gilt. Bis zur Unerträglichkeit ist diese süßliche Verschwommenheit und die Kränklichkeit des Colorits in einem figurenreichen Genrebild „Regime Jmhof, spätere Gemahlin Georg Fuggers, empfängt die Brautgeschenke," und auf einem zweiten, ähnlich arrangierten, der „Taufe Kaiser Maximilians" gesteigert. Neuerdings hat der Maler, dem Zuge der Zeit und vielleicht auch seiner stark theatralischen Neigung folgend, einen Cyklus von grau in grau gemalten Oelbildern zu Richard Wagners Opern für die Photographie geschaffen. Damit kehren wir den „Süßholzrasplern" oder „Veilchenfressern" in der Münchener Malerei den Rücken, um uns von Anton Seitz in eine frischere und gesundere, weniger von Parfüm durchduftete Atmosphäre führen zu lassen. Anton Seitz, den man mit Recht den Münchener Meisfonnier nennt, obwohl er ganz von selbst auf die saubere Durchführung seiner Miniaturbilder gekommen ist, wurde im Jahre 1830 in Noth bei Nürnberg geboren. Er besuchte zuerst die Nürnberger Kunstschule und ging im Jahre 1853 nach München, wo er zehn Jahre lang unter Gisbert Flttggens Leitung arbeitete. Noch in den fünf¬ ziger Jahren trat er als Genremaler auf, der seine Stoffe aus der Sphäre des Kleinbürgerthums und des Bauernlebens schöpfte und, der Bedeutung dieses Mikrokosmus entsprechend, für dieselben auch ein kleines Format wählte. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/558>, abgerufen am 28.12.2024.