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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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an. Anfangs im historischen Genre thätig, bekundete er nach den Traditionen
der Pilotyschnle besonders in der Stoffmalerei eine große Virtuosität, ohne sich
viel um geistige Vertiefung der Köpfe und um historische Charakteristik zu küm¬
mern "Ludwig XI. in Peronne," "Mozarts letzte Augenblicke," "Aus dem ge¬
lobten Lande," ein Kreuzfahrer, welcher beim vollen Kruge Mönchen seine Aben¬
teuer erzählt, "Friedrich der Große und Sebastian Bach" sind Bilder dieser
Art, welche durch correcte Zeichnung und gefälliges Colorit Beifall fanden. Mit
einer Grisaille für die "Gustav Freytag-Galerie" -- Juno, Hildegard und
Gerhard aus dem "Nest der Zaunkönige" --, der später noch zwei andere folg¬
ten, gerieth er vollends in das Fahrwasser der Romantik und begann damit
auch sein erstes Opfer auf dem Altar des "Ewig Weiblichen" niederzulegen. In
einer Sammlung von Grisaillen, deren Stoffe aus den beliebtesten Opern ent¬
lehnt waren und die zusammen in photographischen Nachbildungen als "Opern¬
galerie" erschienen sind, hat er sich völlig als Maler der eleganten Welt ent¬
puppt, die auf tiefere Empfindungen verzichtet, wenn nur eine zierliche Form
und ein gefälliges Exterieur mit schwärmerischem Augenaufschlage geboten werden.
Es verlohnt nicht der Mühe, bei solchen buchhüudlerischen Speculationen, zu
welchen die Künstler nur gar zu willig ihre Hand bieten, länger zu verweilen.
Sie sind malerische Pendants zu den Erzeugnissen unserer Goldschnittlyrik, aus
welcher sich ebenso wenig eine Literaturgeschichte wird zusammenhauen lassen
wie aus jenen eine Kunstgeschichte.

Ebensoweit von der Art des Vaters wie Hermann Kaulbach hat sich Clau¬
dius Schraudo^h entfernt, der gleich jenem den schlüpfrigen Pfad betreten
hat, welcher zy'^c schnell zur Gunst des großen Publicums führt, aber ebenso
schnell von der wahren Kunst entfernt. Geboren im Jahre 1843 wuchs er in
der Schule seines Vaters auf, des berühmten Heiligeumalers aus der Corne-
lianischen Schule, welcher den Sohn noch an seinen umfangreichen Malereien
im Dom zu Speyer Theil nehmen ließ. Auch nachdem der junge Schraudolph
selbständig geworden, betrieb er, wenn auch ohne innere Neigung, noch eine Zeit
lang die religiöse Malerei nach der überkommenen Schablone. Nachdem er mit
einer "Brotaustheilenden heiligen Elisabeth" das Gebiet des Genre betreten,
wagte er 1866 einen kecken Sprung mit einer humoristischen Scene aus dem
Münchener Hofbräuhaus. Damit hatte er definitiv mit seiner Vergangenheit
gebrochen. Ein "Mädchen am Clavier," zart empfunden und malerisch fein
durchgeführt, vermittelte den Uebergang zum Salonbild. Nach 1871 erweiterte
er seinen Stoffkreis durch Studien des mittelalterlichen Lebens, als deren erste
Frucht ein figurenreicher, ganz in der Weise der alten deutschen Meister behan¬
delter "Osterspaziergang" nach Goethes "Faust" erschien. Ein fröhliches, heiteres
Leben, welches durch die Zartheit des Colorits freundlich gehoben wurde, sprach


Grenzboten IV, 1880. 72

an. Anfangs im historischen Genre thätig, bekundete er nach den Traditionen
der Pilotyschnle besonders in der Stoffmalerei eine große Virtuosität, ohne sich
viel um geistige Vertiefung der Köpfe und um historische Charakteristik zu küm¬
mern „Ludwig XI. in Peronne," „Mozarts letzte Augenblicke," „Aus dem ge¬
lobten Lande," ein Kreuzfahrer, welcher beim vollen Kruge Mönchen seine Aben¬
teuer erzählt, „Friedrich der Große und Sebastian Bach" sind Bilder dieser
Art, welche durch correcte Zeichnung und gefälliges Colorit Beifall fanden. Mit
einer Grisaille für die „Gustav Freytag-Galerie" — Juno, Hildegard und
Gerhard aus dem „Nest der Zaunkönige" —, der später noch zwei andere folg¬
ten, gerieth er vollends in das Fahrwasser der Romantik und begann damit
auch sein erstes Opfer auf dem Altar des „Ewig Weiblichen" niederzulegen. In
einer Sammlung von Grisaillen, deren Stoffe aus den beliebtesten Opern ent¬
lehnt waren und die zusammen in photographischen Nachbildungen als „Opern¬
galerie" erschienen sind, hat er sich völlig als Maler der eleganten Welt ent¬
puppt, die auf tiefere Empfindungen verzichtet, wenn nur eine zierliche Form
und ein gefälliges Exterieur mit schwärmerischem Augenaufschlage geboten werden.
Es verlohnt nicht der Mühe, bei solchen buchhüudlerischen Speculationen, zu
welchen die Künstler nur gar zu willig ihre Hand bieten, länger zu verweilen.
Sie sind malerische Pendants zu den Erzeugnissen unserer Goldschnittlyrik, aus
welcher sich ebenso wenig eine Literaturgeschichte wird zusammenhauen lassen
wie aus jenen eine Kunstgeschichte.

Ebensoweit von der Art des Vaters wie Hermann Kaulbach hat sich Clau¬
dius Schraudo^h entfernt, der gleich jenem den schlüpfrigen Pfad betreten
hat, welcher zy'^c schnell zur Gunst des großen Publicums führt, aber ebenso
schnell von der wahren Kunst entfernt. Geboren im Jahre 1843 wuchs er in
der Schule seines Vaters auf, des berühmten Heiligeumalers aus der Corne-
lianischen Schule, welcher den Sohn noch an seinen umfangreichen Malereien
im Dom zu Speyer Theil nehmen ließ. Auch nachdem der junge Schraudolph
selbständig geworden, betrieb er, wenn auch ohne innere Neigung, noch eine Zeit
lang die religiöse Malerei nach der überkommenen Schablone. Nachdem er mit
einer „Brotaustheilenden heiligen Elisabeth" das Gebiet des Genre betreten,
wagte er 1866 einen kecken Sprung mit einer humoristischen Scene aus dem
Münchener Hofbräuhaus. Damit hatte er definitiv mit seiner Vergangenheit
gebrochen. Ein „Mädchen am Clavier," zart empfunden und malerisch fein
durchgeführt, vermittelte den Uebergang zum Salonbild. Nach 1871 erweiterte
er seinen Stoffkreis durch Studien des mittelalterlichen Lebens, als deren erste
Frucht ein figurenreicher, ganz in der Weise der alten deutschen Meister behan¬
delter „Osterspaziergang" nach Goethes „Faust" erschien. Ein fröhliches, heiteres
Leben, welches durch die Zartheit des Colorits freundlich gehoben wurde, sprach


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[0557] an. Anfangs im historischen Genre thätig, bekundete er nach den Traditionen der Pilotyschnle besonders in der Stoffmalerei eine große Virtuosität, ohne sich viel um geistige Vertiefung der Köpfe und um historische Charakteristik zu küm¬ mern „Ludwig XI. in Peronne," „Mozarts letzte Augenblicke," „Aus dem ge¬ lobten Lande," ein Kreuzfahrer, welcher beim vollen Kruge Mönchen seine Aben¬ teuer erzählt, „Friedrich der Große und Sebastian Bach" sind Bilder dieser Art, welche durch correcte Zeichnung und gefälliges Colorit Beifall fanden. Mit einer Grisaille für die „Gustav Freytag-Galerie" — Juno, Hildegard und Gerhard aus dem „Nest der Zaunkönige" —, der später noch zwei andere folg¬ ten, gerieth er vollends in das Fahrwasser der Romantik und begann damit auch sein erstes Opfer auf dem Altar des „Ewig Weiblichen" niederzulegen. In einer Sammlung von Grisaillen, deren Stoffe aus den beliebtesten Opern ent¬ lehnt waren und die zusammen in photographischen Nachbildungen als „Opern¬ galerie" erschienen sind, hat er sich völlig als Maler der eleganten Welt ent¬ puppt, die auf tiefere Empfindungen verzichtet, wenn nur eine zierliche Form und ein gefälliges Exterieur mit schwärmerischem Augenaufschlage geboten werden. Es verlohnt nicht der Mühe, bei solchen buchhüudlerischen Speculationen, zu welchen die Künstler nur gar zu willig ihre Hand bieten, länger zu verweilen. Sie sind malerische Pendants zu den Erzeugnissen unserer Goldschnittlyrik, aus welcher sich ebenso wenig eine Literaturgeschichte wird zusammenhauen lassen wie aus jenen eine Kunstgeschichte. Ebensoweit von der Art des Vaters wie Hermann Kaulbach hat sich Clau¬ dius Schraudo^h entfernt, der gleich jenem den schlüpfrigen Pfad betreten hat, welcher zy'^c schnell zur Gunst des großen Publicums führt, aber ebenso schnell von der wahren Kunst entfernt. Geboren im Jahre 1843 wuchs er in der Schule seines Vaters auf, des berühmten Heiligeumalers aus der Corne- lianischen Schule, welcher den Sohn noch an seinen umfangreichen Malereien im Dom zu Speyer Theil nehmen ließ. Auch nachdem der junge Schraudolph selbständig geworden, betrieb er, wenn auch ohne innere Neigung, noch eine Zeit lang die religiöse Malerei nach der überkommenen Schablone. Nachdem er mit einer „Brotaustheilenden heiligen Elisabeth" das Gebiet des Genre betreten, wagte er 1866 einen kecken Sprung mit einer humoristischen Scene aus dem Münchener Hofbräuhaus. Damit hatte er definitiv mit seiner Vergangenheit gebrochen. Ein „Mädchen am Clavier," zart empfunden und malerisch fein durchgeführt, vermittelte den Uebergang zum Salonbild. Nach 1871 erweiterte er seinen Stoffkreis durch Studien des mittelalterlichen Lebens, als deren erste Frucht ein figurenreicher, ganz in der Weise der alten deutschen Meister behan¬ delter „Osterspaziergang" nach Goethes „Faust" erschien. Ein fröhliches, heiteres Leben, welches durch die Zartheit des Colorits freundlich gehoben wurde, sprach Grenzboten IV, 1880. 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/557>, abgerufen am 28.12.2024.