Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.für 1800 Gulden und schloß ihn in die Merkelsche Fcunilienstiftung ein. Dem¬ Bis vor kurzer Zeit knüpfte sich der hochberühmte Name Jamnitzers mit Das Kästchen nämlich, welches die bairische Schatzkammer besitzt, wird auch Grenzboten IV. 1880. 66
für 1800 Gulden und schloß ihn in die Merkelsche Fcunilienstiftung ein. Dem¬ Bis vor kurzer Zeit knüpfte sich der hochberühmte Name Jamnitzers mit Das Kästchen nämlich, welches die bairische Schatzkammer besitzt, wird auch Grenzboten IV. 1880. 66
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für 1800 Gulden und schloß ihn in die Merkelsche Fcunilienstiftung ein. Dem¬
nach hätten die Erben nicht pietätvoll gehandelt, indem sie den Stolz der Nürn¬
berger Goldschmiedekunst veräußerten. Interessant ist es aber immerhin, an
dem jetzt erzielten Preise zu constatieren, wie hoch der Affectionswerth solcher
Dinge in unsern Tagen gestiegen ist.
Bis vor kurzer Zeit knüpfte sich der hochberühmte Name Jamnitzers mit
Sicherheit nur an dieses eine Werk und literarisch nur an die Mittheilungen
des Nürnberger Schreib- und Rechenmeisters Johann Neudörfer, welcher im
Jahre 1547 biographische Notizen über Nürnberger „Künstler und Werkleute"
zusammenstellte. Er rühmt, daß die Brüder Wenzel und Albrecht Jamnitzer so
einträchtiglich mit einander gelebt, „auch in Erfindung der Kunst, auch in Ver-
theilung ihrer gemachten Arbeiten ..., daß keiner das Seine von dem andern
fordert, noch viel weniger das wenigst oder das meist vor dem andern verbirgt.
Sie arbeiten beide von Silber und Gold, haben der Perspectiv und Maßwerk
einen großen Verstand, schneiden beide Wappen und Siegel in Silber, Stein
und Eisen. Sie schmelzen die schönsten Farben von Glas und haben das
Silberätzen am höchsten gebracht; was sie aber von Thjerlein, Würmlein, Kräu¬
tern und Schnecken von Silber gießen und die silbernen Gefäße damit zieren,
das ist vorhin nicht erhöret worden. Wie sie mich denn mit einer ganzen sil¬
bernen Schnecken, von allerlei Blümlein und Kräutlein gegossen, verehret haben,
welche Blättlein und Kräutlein also subtil und dünn sind, daß sie auch ein
Anblasen wehig macht, aber in dem allen geben sie Gott allein die Ehre." Ob¬
wohl das Urtheil Neudörfers, wie man ans dem naiven Schlußsätze sieht, nicht
ganz unbeeinflußt ist, hat er doch nicht zu viel gesagt. Wenzel Jamnitzers
Prachtstück, der Tafelaufsatz, war damals, als Neudörfer schrieb, noch nicht ein¬
mal vorhanden. Aber was gerade an diesem am meisten bewundert wird, die
kleinen zierlichen Blumen, Pflanzen und Thiere am Fuße und am Hauptkörper,
damit hatte sich Jamnitzer, wie aus der Schilderung Neudörfers hervorgeht,
schon früher einen Namen gemacht. Wenn man den Tafelaufsatz vom Stand-
Punkte strenger Stilreinheit betrachtet, wird man freilich manches daran aus¬
zusetzen haben. Die Kritik wird sich mit Recht gegen die naturalistischen Blumen
und Pflanzen wenden, welche die architektonische Grundform überwuchern und
sich mit ihr in Widerspruch setzen. Es ist eine Dissonanz, die sich am stärksten
in dem Blumenstrauße kundgiebt, welcher oben aus einer antikisierenden Urne
herauswächst. Aber vielleicht liegt gerade in dieser Unregelmäßigkeit, in dieser
Systemlosigkeit ein Hauptreiz dieses einzigen Geräthes, vielleicht ist diese be¬
stechende Willkür auch ein Charakterzug der deutschen Frührenaissance, der sich
später ganz verwischte.
Das Kästchen nämlich, welches die bairische Schatzkammer besitzt, wird auch
Grenzboten IV. 1880. 66
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