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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Besitztitel dieser Provinz trotz des großen Königssiegels, das sie trugen, für
ungiltig erklärt, und es hieß nun, daß all dieses Land noch rechtliches Eigen¬
thum der Krone sei.

Das Mißtrauen gegen englische Gesetze war allgemein geworden. Doch
wurde von der irischen Gentry noch ein letzter Versuch gemacht, die Regierung
zu bewegen oder besser zu bestechen, ihnen ihren Besitz zu lassen. Sie versprach
die große Summe von 120000 Pfd. Se. für gewisse "Gnaden", die sie sich
vom Könige erbat, und unter denen die wichtigsten waren, daß ein unbehelligter
Besitz von 60 Jahren den Grundeigenthümer gegen alle ältern Ansprüche der
Krone sicherstellen solle, und daß die Bewohner von Connaught durch die Ein¬
tragung ihrer Patente gegen Processuierung geschützt sein sollten. Diese Be¬
dingungen wurden angenommen. Die Zusage des Königs erfolgte. Die
"Gnaden" gingen dein Statthalter und Rathe von Irland in Gestalt einer In-
struction zu, und die Negierung verpflichtete sich noch außerdem, allen Eigen¬
thümern sowie deren Erben ihre Besitzungen von dem nächsten irischen Parla¬
mente bestätigen zu lassen. Der Verfolg der Sache gehört zu den schmachvoll¬
sten Thaten der englischen Regierung in Irland. Mit offner Verletzung des
feierlichen Königswvrtes und nachdem die im Vertrauen desselben bewilligten
Gelder richtig eingegangen waren, kündigte Wentworth ohne Vorwand und Ent¬
schuldigung die Zurücknahme der erwähnten Hauptpunkte der "Gnaden" an. Er
erstrebte den Despotismus in England und übte zu dem Zwecke Despotis¬
mus in Irland. Der König sollte durch Reichwerden in diesem Lande von
den Bewilligungen des englischen Parlaments unabhängig werden und sich
ohne letzteres eine starke Armee halten können. So ließ ihn Wentworth sein
Wort brechen und auf seine frühern Ansprüche hinsichtlich Connaughts zurück¬
kommen. Dann sollte an die Besiedlung des auf diese Weise reclamierten Landes
gegangen werden. Dies geschah mit den ruchlosesten Mitteln. Untersuchungen
wurden in allen Grafschaften Connaughts angestellt und, um den Schein der
Gerechtigkeit zu wahren, Geschwornengerichte einberufen. Diese erhielten aber
die gemessene Weisung, Wahrsprüche abzugeben, die alle Besitztitel als dem Könige
zustehend erklärten, und man bemerkte ihnen, ungünstige Verbiete würden nicht
nur nicht beachtet, sondern mit "einer hübschen Strafsumme" geahndet werden.
Grafschaft für Grafschaft sprachen sich die eingeschreckten Leute nach dem Willen
der Regierung aus. Nur in Galway weigerte sich die Jury, aber sofort machte
der Statthalter hier seine Drohung wahr, indem er jedem einzelnen Geschwornen
durch das Schloßkammergericht die ungeheure Geldbuße von 4000 Pfd. Se.
auferlegen ließ.

Von jetzt an war eine Empörung der Iren unvermeidlich geworden. Went-
worths Verfahren erhielt die volle Billigung seines Königs, der ihn dafür mit


Besitztitel dieser Provinz trotz des großen Königssiegels, das sie trugen, für
ungiltig erklärt, und es hieß nun, daß all dieses Land noch rechtliches Eigen¬
thum der Krone sei.

Das Mißtrauen gegen englische Gesetze war allgemein geworden. Doch
wurde von der irischen Gentry noch ein letzter Versuch gemacht, die Regierung
zu bewegen oder besser zu bestechen, ihnen ihren Besitz zu lassen. Sie versprach
die große Summe von 120000 Pfd. Se. für gewisse „Gnaden", die sie sich
vom Könige erbat, und unter denen die wichtigsten waren, daß ein unbehelligter
Besitz von 60 Jahren den Grundeigenthümer gegen alle ältern Ansprüche der
Krone sicherstellen solle, und daß die Bewohner von Connaught durch die Ein¬
tragung ihrer Patente gegen Processuierung geschützt sein sollten. Diese Be¬
dingungen wurden angenommen. Die Zusage des Königs erfolgte. Die
„Gnaden" gingen dein Statthalter und Rathe von Irland in Gestalt einer In-
struction zu, und die Negierung verpflichtete sich noch außerdem, allen Eigen¬
thümern sowie deren Erben ihre Besitzungen von dem nächsten irischen Parla¬
mente bestätigen zu lassen. Der Verfolg der Sache gehört zu den schmachvoll¬
sten Thaten der englischen Regierung in Irland. Mit offner Verletzung des
feierlichen Königswvrtes und nachdem die im Vertrauen desselben bewilligten
Gelder richtig eingegangen waren, kündigte Wentworth ohne Vorwand und Ent¬
schuldigung die Zurücknahme der erwähnten Hauptpunkte der „Gnaden" an. Er
erstrebte den Despotismus in England und übte zu dem Zwecke Despotis¬
mus in Irland. Der König sollte durch Reichwerden in diesem Lande von
den Bewilligungen des englischen Parlaments unabhängig werden und sich
ohne letzteres eine starke Armee halten können. So ließ ihn Wentworth sein
Wort brechen und auf seine frühern Ansprüche hinsichtlich Connaughts zurück¬
kommen. Dann sollte an die Besiedlung des auf diese Weise reclamierten Landes
gegangen werden. Dies geschah mit den ruchlosesten Mitteln. Untersuchungen
wurden in allen Grafschaften Connaughts angestellt und, um den Schein der
Gerechtigkeit zu wahren, Geschwornengerichte einberufen. Diese erhielten aber
die gemessene Weisung, Wahrsprüche abzugeben, die alle Besitztitel als dem Könige
zustehend erklärten, und man bemerkte ihnen, ungünstige Verbiete würden nicht
nur nicht beachtet, sondern mit „einer hübschen Strafsumme" geahndet werden.
Grafschaft für Grafschaft sprachen sich die eingeschreckten Leute nach dem Willen
der Regierung aus. Nur in Galway weigerte sich die Jury, aber sofort machte
der Statthalter hier seine Drohung wahr, indem er jedem einzelnen Geschwornen
durch das Schloßkammergericht die ungeheure Geldbuße von 4000 Pfd. Se.
auferlegen ließ.

Von jetzt an war eine Empörung der Iren unvermeidlich geworden. Went-
worths Verfahren erhielt die volle Billigung seines Königs, der ihn dafür mit


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[0488] Besitztitel dieser Provinz trotz des großen Königssiegels, das sie trugen, für ungiltig erklärt, und es hieß nun, daß all dieses Land noch rechtliches Eigen¬ thum der Krone sei. Das Mißtrauen gegen englische Gesetze war allgemein geworden. Doch wurde von der irischen Gentry noch ein letzter Versuch gemacht, die Regierung zu bewegen oder besser zu bestechen, ihnen ihren Besitz zu lassen. Sie versprach die große Summe von 120000 Pfd. Se. für gewisse „Gnaden", die sie sich vom Könige erbat, und unter denen die wichtigsten waren, daß ein unbehelligter Besitz von 60 Jahren den Grundeigenthümer gegen alle ältern Ansprüche der Krone sicherstellen solle, und daß die Bewohner von Connaught durch die Ein¬ tragung ihrer Patente gegen Processuierung geschützt sein sollten. Diese Be¬ dingungen wurden angenommen. Die Zusage des Königs erfolgte. Die „Gnaden" gingen dein Statthalter und Rathe von Irland in Gestalt einer In- struction zu, und die Negierung verpflichtete sich noch außerdem, allen Eigen¬ thümern sowie deren Erben ihre Besitzungen von dem nächsten irischen Parla¬ mente bestätigen zu lassen. Der Verfolg der Sache gehört zu den schmachvoll¬ sten Thaten der englischen Regierung in Irland. Mit offner Verletzung des feierlichen Königswvrtes und nachdem die im Vertrauen desselben bewilligten Gelder richtig eingegangen waren, kündigte Wentworth ohne Vorwand und Ent¬ schuldigung die Zurücknahme der erwähnten Hauptpunkte der „Gnaden" an. Er erstrebte den Despotismus in England und übte zu dem Zwecke Despotis¬ mus in Irland. Der König sollte durch Reichwerden in diesem Lande von den Bewilligungen des englischen Parlaments unabhängig werden und sich ohne letzteres eine starke Armee halten können. So ließ ihn Wentworth sein Wort brechen und auf seine frühern Ansprüche hinsichtlich Connaughts zurück¬ kommen. Dann sollte an die Besiedlung des auf diese Weise reclamierten Landes gegangen werden. Dies geschah mit den ruchlosesten Mitteln. Untersuchungen wurden in allen Grafschaften Connaughts angestellt und, um den Schein der Gerechtigkeit zu wahren, Geschwornengerichte einberufen. Diese erhielten aber die gemessene Weisung, Wahrsprüche abzugeben, die alle Besitztitel als dem Könige zustehend erklärten, und man bemerkte ihnen, ungünstige Verbiete würden nicht nur nicht beachtet, sondern mit „einer hübschen Strafsumme" geahndet werden. Grafschaft für Grafschaft sprachen sich die eingeschreckten Leute nach dem Willen der Regierung aus. Nur in Galway weigerte sich die Jury, aber sofort machte der Statthalter hier seine Drohung wahr, indem er jedem einzelnen Geschwornen durch das Schloßkammergericht die ungeheure Geldbuße von 4000 Pfd. Se. auferlegen ließ. Von jetzt an war eine Empörung der Iren unvermeidlich geworden. Went- worths Verfahren erhielt die volle Billigung seines Königs, der ihn dafür mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/488>, abgerufen am 29.12.2024.