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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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dem Titel eines Grafen vou Strafford belohnte. Nicht der leiseste Zweifel war
bei der eingebornen Bevölkerung mehr möglich, daß der alte Plan, sie "vom
Erdboden zu vertilgen" noch jetzt Ziel der Regierung war, und daß alles Land,
was ihnen noch geblieben, hungerigen Abenteurern, dem Auswurfe Englands
und Schottlands, als Beute zufallen würde. Es war ihr vollkommen klar ge¬
worden, daß keine Loyalität, keine Unterwerfung, kein Zugeständniß von Seiten
des Volkes und ebenso keinerlei Versprechungen oder Verpflichtungen der Re¬
gierung das Verhängniß abwenden konnte, das über der irischen Rasse schwebte.

Dazu kam die Gefährdung der Religion der Iren. Zwar waren die Ge¬
setze, welche dieselben ihres Cultus beraubten und das Volk unter Androhung
von Strafe zum Besuche des anglikanischen Gottesdienstes anhielten, ohne er¬
heblichen Erfolg. Aber die Verfolgung der katholischen Kirche, die beiläufig
mehr aus politischen Motiven als aus theologischen hervorging, war doch hart
genug. Während der Unruhen, welche unter dieser Regierung stattfanden, kamen
fünf Bischöfe durch die Soldaten oder den Henker uns Leben, und der Primas
des Landes starb als Gefangener im Tower zu London. Eine königliche Pro¬
klamation verbannte alle papistischen Priester aus dem Königreiche. Man zog
Stiftungen zur Erziehung von Katholiken ein und machte das Purgatorium des
heiligen Patrick, eins der vornehmsten Heiligthümer Irlands, der Erde gleich.
Als die vom wildesten Hasse gegen das Papstthum beseelten Puritaner in Eng¬
land und Schottland mächtig wurden, wurde die Gefahr größer. Sie richteten
an den König das Gesuch, die Confiscation von zwei Dritteln des von den
Katholiken besessenen Landes anzuordnen. Clotworth erklärte im Parlamente,
die Bekehrung der irischen Katholiken lasse sich nur mit der Bibel in der einen
und demi Schwerte in der andern Hand bewerkstelligen. Pym prahlte, das
Parlament werde in Irland nicht einen Priester übrig lassen. Sir William
Parsons prophezeite bei einem öffentlichen Banket, binnen Jahresfrist werde dort
kein Katholik mehr anzutreffen sein. Die irischen Presbyterianer reichten beim
englischen Parlamente Bittschriften um Ausrottung des Prälatenthums und der
Papisterei in Irland ein. Man hatte allen Grund zu glauben, daß unter den
Puritanern ein fester Plan bestünde, den katholischen Cultus in Irland ganz
und gar zu unterdrücken, und der Veröffentlichung dieses Planes schrieb Ormond
die große Ausdehnung der nun ausbrechenden Rebellion zu.

Der Aufstand hatte jedoch nicht bloß diese Ursache. Er reflectierte viel¬
mehr den wohlberechtigten Groll zweier Generationen. Der Einfluß der ver¬
triebenen Grundbesitzer, die verarmt umherirrten, die Wuth der Claus, die ihrer
alten Eigenthumsrechte beraubt waren, der Haß der Eingebornen gegen die
fremden Kolonisten, der Fanatismus, den wandernde Priester und Mönche an¬
gefacht, eine lauge Reihe agrarischer Unbilden und religiöser Kränkungen -- alle


Grenzboten IV. 63

dem Titel eines Grafen vou Strafford belohnte. Nicht der leiseste Zweifel war
bei der eingebornen Bevölkerung mehr möglich, daß der alte Plan, sie „vom
Erdboden zu vertilgen" noch jetzt Ziel der Regierung war, und daß alles Land,
was ihnen noch geblieben, hungerigen Abenteurern, dem Auswurfe Englands
und Schottlands, als Beute zufallen würde. Es war ihr vollkommen klar ge¬
worden, daß keine Loyalität, keine Unterwerfung, kein Zugeständniß von Seiten
des Volkes und ebenso keinerlei Versprechungen oder Verpflichtungen der Re¬
gierung das Verhängniß abwenden konnte, das über der irischen Rasse schwebte.

Dazu kam die Gefährdung der Religion der Iren. Zwar waren die Ge¬
setze, welche dieselben ihres Cultus beraubten und das Volk unter Androhung
von Strafe zum Besuche des anglikanischen Gottesdienstes anhielten, ohne er¬
heblichen Erfolg. Aber die Verfolgung der katholischen Kirche, die beiläufig
mehr aus politischen Motiven als aus theologischen hervorging, war doch hart
genug. Während der Unruhen, welche unter dieser Regierung stattfanden, kamen
fünf Bischöfe durch die Soldaten oder den Henker uns Leben, und der Primas
des Landes starb als Gefangener im Tower zu London. Eine königliche Pro¬
klamation verbannte alle papistischen Priester aus dem Königreiche. Man zog
Stiftungen zur Erziehung von Katholiken ein und machte das Purgatorium des
heiligen Patrick, eins der vornehmsten Heiligthümer Irlands, der Erde gleich.
Als die vom wildesten Hasse gegen das Papstthum beseelten Puritaner in Eng¬
land und Schottland mächtig wurden, wurde die Gefahr größer. Sie richteten
an den König das Gesuch, die Confiscation von zwei Dritteln des von den
Katholiken besessenen Landes anzuordnen. Clotworth erklärte im Parlamente,
die Bekehrung der irischen Katholiken lasse sich nur mit der Bibel in der einen
und demi Schwerte in der andern Hand bewerkstelligen. Pym prahlte, das
Parlament werde in Irland nicht einen Priester übrig lassen. Sir William
Parsons prophezeite bei einem öffentlichen Banket, binnen Jahresfrist werde dort
kein Katholik mehr anzutreffen sein. Die irischen Presbyterianer reichten beim
englischen Parlamente Bittschriften um Ausrottung des Prälatenthums und der
Papisterei in Irland ein. Man hatte allen Grund zu glauben, daß unter den
Puritanern ein fester Plan bestünde, den katholischen Cultus in Irland ganz
und gar zu unterdrücken, und der Veröffentlichung dieses Planes schrieb Ormond
die große Ausdehnung der nun ausbrechenden Rebellion zu.

Der Aufstand hatte jedoch nicht bloß diese Ursache. Er reflectierte viel¬
mehr den wohlberechtigten Groll zweier Generationen. Der Einfluß der ver¬
triebenen Grundbesitzer, die verarmt umherirrten, die Wuth der Claus, die ihrer
alten Eigenthumsrechte beraubt waren, der Haß der Eingebornen gegen die
fremden Kolonisten, der Fanatismus, den wandernde Priester und Mönche an¬
gefacht, eine lauge Reihe agrarischer Unbilden und religiöser Kränkungen — alle


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[0489] dem Titel eines Grafen vou Strafford belohnte. Nicht der leiseste Zweifel war bei der eingebornen Bevölkerung mehr möglich, daß der alte Plan, sie „vom Erdboden zu vertilgen" noch jetzt Ziel der Regierung war, und daß alles Land, was ihnen noch geblieben, hungerigen Abenteurern, dem Auswurfe Englands und Schottlands, als Beute zufallen würde. Es war ihr vollkommen klar ge¬ worden, daß keine Loyalität, keine Unterwerfung, kein Zugeständniß von Seiten des Volkes und ebenso keinerlei Versprechungen oder Verpflichtungen der Re¬ gierung das Verhängniß abwenden konnte, das über der irischen Rasse schwebte. Dazu kam die Gefährdung der Religion der Iren. Zwar waren die Ge¬ setze, welche dieselben ihres Cultus beraubten und das Volk unter Androhung von Strafe zum Besuche des anglikanischen Gottesdienstes anhielten, ohne er¬ heblichen Erfolg. Aber die Verfolgung der katholischen Kirche, die beiläufig mehr aus politischen Motiven als aus theologischen hervorging, war doch hart genug. Während der Unruhen, welche unter dieser Regierung stattfanden, kamen fünf Bischöfe durch die Soldaten oder den Henker uns Leben, und der Primas des Landes starb als Gefangener im Tower zu London. Eine königliche Pro¬ klamation verbannte alle papistischen Priester aus dem Königreiche. Man zog Stiftungen zur Erziehung von Katholiken ein und machte das Purgatorium des heiligen Patrick, eins der vornehmsten Heiligthümer Irlands, der Erde gleich. Als die vom wildesten Hasse gegen das Papstthum beseelten Puritaner in Eng¬ land und Schottland mächtig wurden, wurde die Gefahr größer. Sie richteten an den König das Gesuch, die Confiscation von zwei Dritteln des von den Katholiken besessenen Landes anzuordnen. Clotworth erklärte im Parlamente, die Bekehrung der irischen Katholiken lasse sich nur mit der Bibel in der einen und demi Schwerte in der andern Hand bewerkstelligen. Pym prahlte, das Parlament werde in Irland nicht einen Priester übrig lassen. Sir William Parsons prophezeite bei einem öffentlichen Banket, binnen Jahresfrist werde dort kein Katholik mehr anzutreffen sein. Die irischen Presbyterianer reichten beim englischen Parlamente Bittschriften um Ausrottung des Prälatenthums und der Papisterei in Irland ein. Man hatte allen Grund zu glauben, daß unter den Puritanern ein fester Plan bestünde, den katholischen Cultus in Irland ganz und gar zu unterdrücken, und der Veröffentlichung dieses Planes schrieb Ormond die große Ausdehnung der nun ausbrechenden Rebellion zu. Der Aufstand hatte jedoch nicht bloß diese Ursache. Er reflectierte viel¬ mehr den wohlberechtigten Groll zweier Generationen. Der Einfluß der ver¬ triebenen Grundbesitzer, die verarmt umherirrten, die Wuth der Claus, die ihrer alten Eigenthumsrechte beraubt waren, der Haß der Eingebornen gegen die fremden Kolonisten, der Fanatismus, den wandernde Priester und Mönche an¬ gefacht, eine lauge Reihe agrarischer Unbilden und religiöser Kränkungen — alle Grenzboten IV. 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/489>, abgerufen am 29.12.2024.