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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Jene Erbitterung hätte beschworen und ein dauernder Friede hergestellt
werden können, wenn man von jetzt an wenigstens mit fester Gerechtigkeit und
Unparteilichkeit regiert und so den Iren die Ueberzeugung beigebracht hätte, unter
der englischen Regierung würden ihr Eigenthum und ihre Religion fortan ge¬
wissenhaft geachtet werden. Allein die Gier nach irischen Lande, welche zur
vorherrschenden Eigenschaft englischer Abenteurer geworden war, hatte sich noch
nicht gesättigt, und während der ganzen Regierung Jacobs I. trachtete man
ohne Unterlaß, die Iren auch des Restes von liegenden Gütern, der ihnen ge¬
blieben, zu berauben. Die in dem Ansiedelungsplane beabsichtigten Zugeständ-
nisse wurden höchst mangelhaft ausgeführt. Man verfügte auf unklare Besitztitel
hin Confiscationen, man suchte Landschenkungen, die Heinrich II. gemacht hatte,
zu benutzen, um einen seit Jahrhunderte" ungestört gebliebenen Besitz anzufechten.
Ein großer Theil des Grund und Bodens war in der ersten Zeit der Plan¬
tagenets aus normännischen Händen in irische übergegangen, da der Kreis des
von England unterjochten Landes noch ein enger gewesen, und wenn jetzt die
dermaligen Eigenthümer ihr Anrecht nicht durch Documente völlig klar nachzu¬
weisen vermochten, so wurden ihre Güter, wenn sonst niemand Anspruch auf sie
erhob, der Krone zugesprochen. Die nach Belieben absetzbaren Richter leisteten
der Regierung allen Vorschub, und so wurde für alle Jrländer der Genuß
ihres Grundeigenthums etwas völlig Unsicheres; zumal da man ihnen auch mit
andern Mitteln beizukommen wußte. Eine Familie O'Byrne wurde, als man
es unmöglich fand, sie durch civilrechtliche Chicane um ihren Grundbesitz zu
bringen, in einen Criminalproceß verwickelt, bei dem die Richter sich falscher
Zeugen bedienten und einen Zeugen, der sich weigerte, die verlangte Aussage
zu machen, durch die Tortur dazu zwangen, indem man ihn auf einen glühen¬
den Bratrost stellte.

Ein viel kolossalerer Betrug wurde ersonnen. Man hatte irischerseits ge¬
hofft, Sir Perrots Ausgleich in Conncmght werde die Besitztitel wenigstens in
dieser Provinz für die Zukunft unantastbar gemacht haben. Die dortigen Grund¬
besitzer hatten ihre Güter von der Krone als Lehen genommen, und sie hatten
dann die ihnen dafür auferlegten Verpflichtungen pünktlich erfüllt. Aber sie
hatten meist versäumt, ihre auf die Uebergabe bezüglichen Erklärungen eintragen
zu lassen oder ihre Patente zu lösen. König Jacob half diesem Mangel ab,
und die vorläufig confiscierten Güter wurden durch neue regelmäßige Patente
unter dem großen englischen Staatssiegel zurückerstattet. Die Gebühren fiir das
Eintragen dieser Patente waren bezahlt, als sichs fand, daß die letztern durch
Nachlässigkeit der Beamten des Kanzleigerichts nicht gehörig registriert worden
waren, und auf Grund dieses bloßen Formfehlers, den die Gutsbesitzer in Con-
naught nicht entfernt verschuldet hatten, wurden schändlicherweise die sämmtlichen


Jene Erbitterung hätte beschworen und ein dauernder Friede hergestellt
werden können, wenn man von jetzt an wenigstens mit fester Gerechtigkeit und
Unparteilichkeit regiert und so den Iren die Ueberzeugung beigebracht hätte, unter
der englischen Regierung würden ihr Eigenthum und ihre Religion fortan ge¬
wissenhaft geachtet werden. Allein die Gier nach irischen Lande, welche zur
vorherrschenden Eigenschaft englischer Abenteurer geworden war, hatte sich noch
nicht gesättigt, und während der ganzen Regierung Jacobs I. trachtete man
ohne Unterlaß, die Iren auch des Restes von liegenden Gütern, der ihnen ge¬
blieben, zu berauben. Die in dem Ansiedelungsplane beabsichtigten Zugeständ-
nisse wurden höchst mangelhaft ausgeführt. Man verfügte auf unklare Besitztitel
hin Confiscationen, man suchte Landschenkungen, die Heinrich II. gemacht hatte,
zu benutzen, um einen seit Jahrhunderte« ungestört gebliebenen Besitz anzufechten.
Ein großer Theil des Grund und Bodens war in der ersten Zeit der Plan¬
tagenets aus normännischen Händen in irische übergegangen, da der Kreis des
von England unterjochten Landes noch ein enger gewesen, und wenn jetzt die
dermaligen Eigenthümer ihr Anrecht nicht durch Documente völlig klar nachzu¬
weisen vermochten, so wurden ihre Güter, wenn sonst niemand Anspruch auf sie
erhob, der Krone zugesprochen. Die nach Belieben absetzbaren Richter leisteten
der Regierung allen Vorschub, und so wurde für alle Jrländer der Genuß
ihres Grundeigenthums etwas völlig Unsicheres; zumal da man ihnen auch mit
andern Mitteln beizukommen wußte. Eine Familie O'Byrne wurde, als man
es unmöglich fand, sie durch civilrechtliche Chicane um ihren Grundbesitz zu
bringen, in einen Criminalproceß verwickelt, bei dem die Richter sich falscher
Zeugen bedienten und einen Zeugen, der sich weigerte, die verlangte Aussage
zu machen, durch die Tortur dazu zwangen, indem man ihn auf einen glühen¬
den Bratrost stellte.

Ein viel kolossalerer Betrug wurde ersonnen. Man hatte irischerseits ge¬
hofft, Sir Perrots Ausgleich in Conncmght werde die Besitztitel wenigstens in
dieser Provinz für die Zukunft unantastbar gemacht haben. Die dortigen Grund¬
besitzer hatten ihre Güter von der Krone als Lehen genommen, und sie hatten
dann die ihnen dafür auferlegten Verpflichtungen pünktlich erfüllt. Aber sie
hatten meist versäumt, ihre auf die Uebergabe bezüglichen Erklärungen eintragen
zu lassen oder ihre Patente zu lösen. König Jacob half diesem Mangel ab,
und die vorläufig confiscierten Güter wurden durch neue regelmäßige Patente
unter dem großen englischen Staatssiegel zurückerstattet. Die Gebühren fiir das
Eintragen dieser Patente waren bezahlt, als sichs fand, daß die letztern durch
Nachlässigkeit der Beamten des Kanzleigerichts nicht gehörig registriert worden
waren, und auf Grund dieses bloßen Formfehlers, den die Gutsbesitzer in Con-
naught nicht entfernt verschuldet hatten, wurden schändlicherweise die sämmtlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/487>, abgerufen am 29.12.2024.