Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.können wir diese an komischen Einfällen so reiche Rede hier nicht zur Kenntniß Als das laute Beifallsgequak der Abderiten verhallt war, fielen sie vor Endlich verstummte das welterschütterude Gelächter und Gequak, und ein können wir diese an komischen Einfällen so reiche Rede hier nicht zur Kenntniß Als das laute Beifallsgequak der Abderiten verhallt war, fielen sie vor Endlich verstummte das welterschütterude Gelächter und Gequak, und ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/148121"/> <p xml:id="ID_1248" prev="#ID_1247"> können wir diese an komischen Einfällen so reiche Rede hier nicht zur Kenntniß<lb/> unserer Leser bringen, um ihre Aufmerksamkeit nicht allzulange in Anspruch zu nehmen.<lb/> Wir bemerken nur, daß, während dieser Rede des Kikirikikas, der dunkle Kopf<lb/> desselben hin und her schwankte, so daß die Hörer einige Male ernstlich fürch¬<lb/> teten, er werde ihn verlieren. Auch sein wohlgepflegter Zopf wuchs mit jedem<lb/> feiner Worte: ehe noch das letzte sich seinen bartlosen Lippen entrungen, war<lb/> er bis auf die Erde gewachsen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1249"> Als das laute Beifallsgequak der Abderiten verhallt war, fielen sie vor<lb/> Entzücken einander in die langen Arme, und da sie ja zum größten Theile auf<lb/> den Köpfen gingen, so war der Anblick dieser sonderbaren Armverschlingungen<lb/> ein so possierlicher, daß er ein allgemeines Gelächter hervorrief. Dieses Geläch¬<lb/> ter war unauslöschlicher als das Gelächter der homerischen Götter; denn es<lb/> verpflanzte sich von den Rathsmännern auf die nächsten Volksgruppen, von<lb/> diesen auf Personen, die auf den Straßen sich befanden und ihren Geschäften<lb/> nachgingen, von den Straßen drang es in die Häuser, so daß zuletzt ganz Ab-<lb/> dera lachte. Auch die Schutzgöttin Abderas, die geheiligte Latona, die ihren<lb/> Platz vor dem Rathhause hatte, gerieth in wundersame Heiterkeit, sie hatte so¬<lb/> gar Mühe, sich auf ihrem Marmorpiedestale zu halten. Der Latonatempel gar<lb/> zerbarst vor innerer Bewegung, und selbst das eruste Antlitz der abderitischen<lb/> Priester verzog sich auf kurze Zeit zu einem sauersüßen Lächeln. Endlich quak¬<lb/> ten selbst die gefürchteten Frösche lustiger als jemals in den geheiligten Teichen;<lb/> triumphierend reckten sie die bemoosten Häupter, trotz der nebligen Luft, aus<lb/> dem schlammigen Gewässer empor und stimmten herzhaft mit ein in den großen<lb/> harmonischen Accord.</p><lb/> <p xml:id="ID_1250" next="#ID_1251"> Endlich verstummte das welterschütterude Gelächter und Gequak, und ein<lb/> uichtabderitischer Redner erhielt das Wort. Obwohl er in Abdera geboren war,<lb/> so wallte in ihm doch reines indogermanisches Blut. Er war ein Freund des<lb/> Protagoras, und alles, was er sprach, war des Inhalts, wie des Protagoras<lb/> Rede gegen Orestes gewesen war. Nach ihm sprach wieder ein Addern, dann<lb/> wieder ein Nichtabderit und dann wieder ein anderer und wieder ein anderer,<lb/> und so redeten die biedern Rathsmänner bis zum Abend und vom Abend bis<lb/> zur Nacht und von der Nacht bis zum dämmernden Tage. Der oberste der<lb/> Rathsmänner verkündete endlich mit verklärter Miene den Sieg der abderitischen<lb/> Partei. Ihre Weisheit hatte gesiegt über die Thorheit der nationalen An-<lb/> schlüßler, die sich anmaßten, für das Interesse Abderas und die Handels- und<lb/> Zoll-Einheit des griechischen Reichs zu kämpfen. Kaum hatten die Männer des<lb/> großen Rathes den Berathungsort verlassen, so zerrannen die gespenstischen<lb/> Nebel, die Luft wurde hell und heiter, die Abderiten gingen wieder ans ihren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
können wir diese an komischen Einfällen so reiche Rede hier nicht zur Kenntniß
unserer Leser bringen, um ihre Aufmerksamkeit nicht allzulange in Anspruch zu nehmen.
Wir bemerken nur, daß, während dieser Rede des Kikirikikas, der dunkle Kopf
desselben hin und her schwankte, so daß die Hörer einige Male ernstlich fürch¬
teten, er werde ihn verlieren. Auch sein wohlgepflegter Zopf wuchs mit jedem
feiner Worte: ehe noch das letzte sich seinen bartlosen Lippen entrungen, war
er bis auf die Erde gewachsen.
Als das laute Beifallsgequak der Abderiten verhallt war, fielen sie vor
Entzücken einander in die langen Arme, und da sie ja zum größten Theile auf
den Köpfen gingen, so war der Anblick dieser sonderbaren Armverschlingungen
ein so possierlicher, daß er ein allgemeines Gelächter hervorrief. Dieses Geläch¬
ter war unauslöschlicher als das Gelächter der homerischen Götter; denn es
verpflanzte sich von den Rathsmännern auf die nächsten Volksgruppen, von
diesen auf Personen, die auf den Straßen sich befanden und ihren Geschäften
nachgingen, von den Straßen drang es in die Häuser, so daß zuletzt ganz Ab-
dera lachte. Auch die Schutzgöttin Abderas, die geheiligte Latona, die ihren
Platz vor dem Rathhause hatte, gerieth in wundersame Heiterkeit, sie hatte so¬
gar Mühe, sich auf ihrem Marmorpiedestale zu halten. Der Latonatempel gar
zerbarst vor innerer Bewegung, und selbst das eruste Antlitz der abderitischen
Priester verzog sich auf kurze Zeit zu einem sauersüßen Lächeln. Endlich quak¬
ten selbst die gefürchteten Frösche lustiger als jemals in den geheiligten Teichen;
triumphierend reckten sie die bemoosten Häupter, trotz der nebligen Luft, aus
dem schlammigen Gewässer empor und stimmten herzhaft mit ein in den großen
harmonischen Accord.
Endlich verstummte das welterschütterude Gelächter und Gequak, und ein
uichtabderitischer Redner erhielt das Wort. Obwohl er in Abdera geboren war,
so wallte in ihm doch reines indogermanisches Blut. Er war ein Freund des
Protagoras, und alles, was er sprach, war des Inhalts, wie des Protagoras
Rede gegen Orestes gewesen war. Nach ihm sprach wieder ein Addern, dann
wieder ein Nichtabderit und dann wieder ein anderer und wieder ein anderer,
und so redeten die biedern Rathsmänner bis zum Abend und vom Abend bis
zur Nacht und von der Nacht bis zum dämmernden Tage. Der oberste der
Rathsmänner verkündete endlich mit verklärter Miene den Sieg der abderitischen
Partei. Ihre Weisheit hatte gesiegt über die Thorheit der nationalen An-
schlüßler, die sich anmaßten, für das Interesse Abderas und die Handels- und
Zoll-Einheit des griechischen Reichs zu kämpfen. Kaum hatten die Männer des
großen Rathes den Berathungsort verlassen, so zerrannen die gespenstischen
Nebel, die Luft wurde hell und heiter, die Abderiten gingen wieder ans ihren
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