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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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nähren. Sie mögen uns social gleichstehen, aber wie sie keinen Staat dauernd
zu bilden vermocht haben, so mögen sie darauf verzichten, sich in den regierenden
Beruf über unser Volk einzudrängen. Denn dieses Eindrängen bedeutet ent¬
weder eine Fremdherrschaft oder eine Verleugnung der eigenen Nationalität.
Das eine darf der Deutsche, das andere darf der achtungswerthe Jude nicht
ertragen.




Literatur.
Encyclopädie der neueren Geschichte. In Verbindung mit namhaften deut¬
schen und außerdmtschen Historikern herausgegeben von Will)ein Herbst, Rektor
a. D. d. tgi. Landesschule Pforta. Lief. 1 und 2. Gotha, F, A. Perthes, 1880.

Während früher die großen Conversationslexika den Bedürfnissen Aller ge¬
nügen mußten, ist jetzt auch auf diesem Gebiete eine Arbeitstheilung eingetreten,
und Jahr für Jahr erscheinen, illustriert und nicht illustriert, Lexika, welche nur
bestimmte Fächer ins Auge fassen. Eine Encyclopädie der neueren Geschichte kann
Wohl als ein Bedürfniß bezeichnet werden. Wer, um auf diesem Gebiete über einen
Gegenstand sich rasch zu orientieren, nach einem der großen Conversationslexika
griff, verlor beim Suchen des Artikels viel Zeit und fand ihn schließlich in der
Regel kürzer behandelt, als seinem Interesse entsprach. Die einzelnen Artikel der
neuen Encyclopädie bieten, so weit wir sie geprüft haben, eine gründliche und zu¬
verlässige Information, und da sie die Literatur anführen, geben sie jedem Gele¬
genheit, sich ausführlicher zu unterrichten. Die Culturgeschichte als solche ins¬
besondere also auch Literatur-, Kunst- und Kirchengeschichte -- findet sich nur inso¬
weit herangezogen, als sie unmittelbar mit der Staatengeschichte zusammenhängt
und in deren Gang eingreift. Vorausgeschickt ist eine Skizze aus der Feder des
Herausgebers, welche die treibenden Kräfte im Beginn wie im Verlaufe der neueren
Geschichte aller Culturländer charakterisiert.


Clytia. Eine pädagogische Novelle. Ein Beitrag zur Volkserziehung von
F. Schmid-sah Warze nberg. Erlangen, Palm und Ente.

Deutschland ist das Land der Wunderlichkeiten. So gut wir archäologische,
ethnologische und philosophische Romane und Novellen haben, können wir auch
noch pädagogische (die obenein die Autorität Rousseaus und Pestalozzis für sich
haben) in Kauf nehmen. Indeß muß sich jede solche Leistung doch einigermaßen
als Roman oder Novelle ausweisen. "Dieses Büchlein habe ich für solche Erden¬
pilger geschrieben, denen die große Gesellschaft auf der bekannten breiten Straße
bange macht und Pein verursacht. Ich will sie in diesen Blättern auf einem stillen
Wege in eine kleine geistig-vornehme Gesellschaft führen, in welcher ihnen Wohl
sein wird, weil man sich in ihr mit der menschenwürdigsten Angelegenheit beschäftigt,
mit dem höchsten künstlerischen Schaffen, mit der Volkserziehung." Der Verfasser
führt uns demnächst einen Kreis von Menschen vor, deren Lcbensstationen von
Pompeji bis Erlangen reichen, und unter denen wir einen entschiedenen Materia¬
listen und einen entschiedenen Buddhisten, einen bekehrten Materialisten (den Grafen,
Clytias Oheim) und einen bekehrten Buddhisten, Dagobert Leuchtenburg, endlich eine
reine Weiblichkeit antreffen, welche vorahnend die Sehnsucht nach pädagogischen


nähren. Sie mögen uns social gleichstehen, aber wie sie keinen Staat dauernd
zu bilden vermocht haben, so mögen sie darauf verzichten, sich in den regierenden
Beruf über unser Volk einzudrängen. Denn dieses Eindrängen bedeutet ent¬
weder eine Fremdherrschaft oder eine Verleugnung der eigenen Nationalität.
Das eine darf der Deutsche, das andere darf der achtungswerthe Jude nicht
ertragen.




Literatur.
Encyclopädie der neueren Geschichte. In Verbindung mit namhaften deut¬
schen und außerdmtschen Historikern herausgegeben von Will)ein Herbst, Rektor
a. D. d. tgi. Landesschule Pforta. Lief. 1 und 2. Gotha, F, A. Perthes, 1880.

Während früher die großen Conversationslexika den Bedürfnissen Aller ge¬
nügen mußten, ist jetzt auch auf diesem Gebiete eine Arbeitstheilung eingetreten,
und Jahr für Jahr erscheinen, illustriert und nicht illustriert, Lexika, welche nur
bestimmte Fächer ins Auge fassen. Eine Encyclopädie der neueren Geschichte kann
Wohl als ein Bedürfniß bezeichnet werden. Wer, um auf diesem Gebiete über einen
Gegenstand sich rasch zu orientieren, nach einem der großen Conversationslexika
griff, verlor beim Suchen des Artikels viel Zeit und fand ihn schließlich in der
Regel kürzer behandelt, als seinem Interesse entsprach. Die einzelnen Artikel der
neuen Encyclopädie bieten, so weit wir sie geprüft haben, eine gründliche und zu¬
verlässige Information, und da sie die Literatur anführen, geben sie jedem Gele¬
genheit, sich ausführlicher zu unterrichten. Die Culturgeschichte als solche ins¬
besondere also auch Literatur-, Kunst- und Kirchengeschichte — findet sich nur inso¬
weit herangezogen, als sie unmittelbar mit der Staatengeschichte zusammenhängt
und in deren Gang eingreift. Vorausgeschickt ist eine Skizze aus der Feder des
Herausgebers, welche die treibenden Kräfte im Beginn wie im Verlaufe der neueren
Geschichte aller Culturländer charakterisiert.


Clytia. Eine pädagogische Novelle. Ein Beitrag zur Volkserziehung von
F. Schmid-sah Warze nberg. Erlangen, Palm und Ente.

Deutschland ist das Land der Wunderlichkeiten. So gut wir archäologische,
ethnologische und philosophische Romane und Novellen haben, können wir auch
noch pädagogische (die obenein die Autorität Rousseaus und Pestalozzis für sich
haben) in Kauf nehmen. Indeß muß sich jede solche Leistung doch einigermaßen
als Roman oder Novelle ausweisen. „Dieses Büchlein habe ich für solche Erden¬
pilger geschrieben, denen die große Gesellschaft auf der bekannten breiten Straße
bange macht und Pein verursacht. Ich will sie in diesen Blättern auf einem stillen
Wege in eine kleine geistig-vornehme Gesellschaft führen, in welcher ihnen Wohl
sein wird, weil man sich in ihr mit der menschenwürdigsten Angelegenheit beschäftigt,
mit dem höchsten künstlerischen Schaffen, mit der Volkserziehung." Der Verfasser
führt uns demnächst einen Kreis von Menschen vor, deren Lcbensstationen von
Pompeji bis Erlangen reichen, und unter denen wir einen entschiedenen Materia¬
listen und einen entschiedenen Buddhisten, einen bekehrten Materialisten (den Grafen,
Clytias Oheim) und einen bekehrten Buddhisten, Dagobert Leuchtenburg, endlich eine
reine Weiblichkeit antreffen, welche vorahnend die Sehnsucht nach pädagogischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/431>, abgerufen am 28.12.2024.