Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.reichende Anzahl von Individuen, bewaffnet oder unbewaffnet, zu sammeln, hin¬ Sehr charakteristisch ist die Rede, in welcher Bismarck am 21. April 1849 Grenzboten IV. Z830. 62
reichende Anzahl von Individuen, bewaffnet oder unbewaffnet, zu sammeln, hin¬ Sehr charakteristisch ist die Rede, in welcher Bismarck am 21. April 1849 Grenzboten IV. Z830. 62
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0401" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/148048"/> <p xml:id="ID_1073" prev="#ID_1072"> reichende Anzahl von Individuen, bewaffnet oder unbewaffnet, zu sammeln, hin¬<lb/> reichend, um eine schwache Regierung einzuschüchtern oder, wenn sie sich nicht<lb/> einschüchtern läßt, sie durch Barrikaden über den Haufen zu werfen, voll¬<lb/> kommen im Rechte wäre." Als dritten Grund gegen eine Amnestie nannte<lb/> Bismarck die Menschlichkeit. „Der Principienstreit," sagte er, „welcher in diesem<lb/> Jahre Europa in seinen Grundvesten erschüttert hat, ist ein solcher, der sich<lb/> nicht vermitteln läßt. Die Principien beruhen auf entgegengesetzten Grundlagen,<lb/> die sich von Haus aus einander ausschließen. Das eine zieht seine Rechtsquelle<lb/> angeblich aus dem Volkswillen, in Wahrheit aber aus dem Faustrechte der<lb/> Barrikaden. Das andere gründet sich auf eine von Gott eingesetzte Obrigkeit<lb/> und sucht seine Entwicklung in der organischen Anknüpfung an den verfassungs¬<lb/> mäßigen Rechtszustand. Dem einen dieser Principe sind Aufrührer jeder Art<lb/> heldenmüthige Vorkämpfer für Wahrheit, Freiheit und Recht, dem andern sind<lb/> sie Rebellen, die unter Umständen allerdings durch die Amnestie gegen den Arm<lb/> der weltlichen Gerechtigkeit geschützt werden können----Der Soldat faßt es<lb/> nicht, daß er einen und denselben Aufrührer mehrmals gefangen nehmen soll<lb/> und voraussehen muß, daß derselbe sich ihm immer von neuem gegenüberstellen<lb/> wird; ich fürchte also, er wird weniger Gefangene machen, und die weinerliche<lb/> Sentimentalität unsers Jahrhunderts, welche in jedem fanatischen Rebellen, in<lb/> jedem gedungenen Barrikadenkämpfer einen Märtyrer findet, wird mehr Blut¬<lb/> vergießen herbeiführen, als eine strenge und entschlossene Gerechtigkeit, wenn sie<lb/> von Anfang an geübt worden wäre, hätte thun können."</p><lb/> <p xml:id="ID_1074" next="#ID_1075"> Sehr charakteristisch ist die Rede, in welcher Bismarck am 21. April 1849<lb/> in der zweiten preußischen Kammer den von ihm gestellten Antrag, über die<lb/> Annahme der Frankfurter Reichsverfassung einfach zur Tagesordnung überzu¬<lb/> gehen, rechtfertigte. Er bemerkte hier u. a.: „Die rechtlosen Beschlüsse, mit<lb/> welchen die Nationalversammlung in Frankfurt ihren Octroyierungsgelüsten Nach¬<lb/> druck zu geben versuchte, kann ich für uns als vorhanden nicht anerkennen.<lb/> Ebensowenig kann ich zugeben, daß die Erklärungen von 28 Regierungen,<lb/> welche zusammen 4 bis 5 Millionen Unterthanen haben----(Stimmen von<lb/> der Linken: Unterthanen?) ja, Unterthanen____Dieser Regierungen, deren<lb/> Minister eilig bemüht sind, ihre märzerrnngenen Stellungen mittelst der konsti¬<lb/> tuierten Anarchie, welche von Frankfurt aus dargeboten wird, unter Dach und<lb/> Fach zu bringen, daß, wie gesagt, diese Erklärungen nicht hinreichend schwer ins<lb/> Gewicht fallen, unsere Ansichten da zu ändern, wo es sich um die Zukunft<lb/> Preußens handelt____Die preußische Verfassung vom 5. December rechne ich<lb/> nicht unter die vorzüglichsten, von denen die Geschichte Nachricht giebt, ihr<lb/> Hauptvorzug ist, daß sie da ist. Sie läßt der Regierung kaum den nothdürf¬<lb/> tigsten Bestand derjenigen Rechte, ohne welche sich überhaupt nicht regieren läßt.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. Z830. 62</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0401]
reichende Anzahl von Individuen, bewaffnet oder unbewaffnet, zu sammeln, hin¬
reichend, um eine schwache Regierung einzuschüchtern oder, wenn sie sich nicht
einschüchtern läßt, sie durch Barrikaden über den Haufen zu werfen, voll¬
kommen im Rechte wäre." Als dritten Grund gegen eine Amnestie nannte
Bismarck die Menschlichkeit. „Der Principienstreit," sagte er, „welcher in diesem
Jahre Europa in seinen Grundvesten erschüttert hat, ist ein solcher, der sich
nicht vermitteln läßt. Die Principien beruhen auf entgegengesetzten Grundlagen,
die sich von Haus aus einander ausschließen. Das eine zieht seine Rechtsquelle
angeblich aus dem Volkswillen, in Wahrheit aber aus dem Faustrechte der
Barrikaden. Das andere gründet sich auf eine von Gott eingesetzte Obrigkeit
und sucht seine Entwicklung in der organischen Anknüpfung an den verfassungs¬
mäßigen Rechtszustand. Dem einen dieser Principe sind Aufrührer jeder Art
heldenmüthige Vorkämpfer für Wahrheit, Freiheit und Recht, dem andern sind
sie Rebellen, die unter Umständen allerdings durch die Amnestie gegen den Arm
der weltlichen Gerechtigkeit geschützt werden können----Der Soldat faßt es
nicht, daß er einen und denselben Aufrührer mehrmals gefangen nehmen soll
und voraussehen muß, daß derselbe sich ihm immer von neuem gegenüberstellen
wird; ich fürchte also, er wird weniger Gefangene machen, und die weinerliche
Sentimentalität unsers Jahrhunderts, welche in jedem fanatischen Rebellen, in
jedem gedungenen Barrikadenkämpfer einen Märtyrer findet, wird mehr Blut¬
vergießen herbeiführen, als eine strenge und entschlossene Gerechtigkeit, wenn sie
von Anfang an geübt worden wäre, hätte thun können."
Sehr charakteristisch ist die Rede, in welcher Bismarck am 21. April 1849
in der zweiten preußischen Kammer den von ihm gestellten Antrag, über die
Annahme der Frankfurter Reichsverfassung einfach zur Tagesordnung überzu¬
gehen, rechtfertigte. Er bemerkte hier u. a.: „Die rechtlosen Beschlüsse, mit
welchen die Nationalversammlung in Frankfurt ihren Octroyierungsgelüsten Nach¬
druck zu geben versuchte, kann ich für uns als vorhanden nicht anerkennen.
Ebensowenig kann ich zugeben, daß die Erklärungen von 28 Regierungen,
welche zusammen 4 bis 5 Millionen Unterthanen haben----(Stimmen von
der Linken: Unterthanen?) ja, Unterthanen____Dieser Regierungen, deren
Minister eilig bemüht sind, ihre märzerrnngenen Stellungen mittelst der konsti¬
tuierten Anarchie, welche von Frankfurt aus dargeboten wird, unter Dach und
Fach zu bringen, daß, wie gesagt, diese Erklärungen nicht hinreichend schwer ins
Gewicht fallen, unsere Ansichten da zu ändern, wo es sich um die Zukunft
Preußens handelt____Die preußische Verfassung vom 5. December rechne ich
nicht unter die vorzüglichsten, von denen die Geschichte Nachricht giebt, ihr
Hauptvorzug ist, daß sie da ist. Sie läßt der Regierung kaum den nothdürf¬
tigsten Bestand derjenigen Rechte, ohne welche sich überhaupt nicht regieren läßt.
Grenzboten IV. Z830. 62
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |