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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Aber begeben wir uns in die Zeit zurück, wo die Bezeichnung "Junker"
im politischen Sinne aufkam, florierte und auch auf Bismarck angewandt wurde,
und fragen wir an der Hand eines soeben erschienenen Sammelwerks von
Th. Riedel: "Die Reden des Abgeordneten von Bismarck-Schön-
hausen in den Parlamenten 1847 bis 1851", ob überhaupt und wie
weit er im Anfang seiner politischen Laufbahn als Geistesverwandter des oben
charakterisierten Juukerparlaments angesehen werden kann. Zwar würde man
zur erschöpfenden Beantwortung dieser Frage auch noch die Artikel studieren
müssen, die er in jenen Tagen für die conservative Presse schrieb, indeß genügt
für eine kurze Darstellung der Sache ein Auszug aus dem soeben genannten
Buche, welches die fleißige Arbeit Ludwig Hahns*) in ihren ersten Ab¬
schnitten wesentlich ergänzt. Bismarck hat in den Jahren 1847 bis 1851 viel
häufiger öffentlich gesprochen, als jetzt noch in der Erinnerung des großen
Publicums lebt. Man hat von ihm als Abgeordneten überhaupt nur noch ein
nachgedunkeltes und gleich den Verhältnissen, unter denen er sprach, kaum recht
verständliches Bild. So hat der Sammler jener Kammerreden sich ein nicht
geringes Verdienst erworben, zumal da er sich nicht damit begnügt hat, sie in
chronologischer Ordnung wiederzugeben, sondern auch bemüht gewesen ist, sie
dnrch kurze Einleitungen und Anmerkungen möglichst verständlich zu machen.

Wie die Reden, vom Glänze der Gegenwart bestrahlt, ganz anders aus¬
sehe", als sie der Generation erschienen, die sie hörte, so leuchtet, wie der
Herausgeber mit Recht bemerkt, ihr eignes Licht bis in unsere Tage herein.
Wir erkennen in ihnen den Regenerator Deutschlands in seinen Anfängen, sein
Charakter ist fertig, und nur nach einigen Beziehungen hin hat er noch von
der Erfahrung zu lernen. Fast überall blitzt der Jnstinct des politischen Genies
ans. Wir begegnen allenthalben tief religiösem Sinne, sittlichem Ernste, warmer
Vaterlandsliebe und entschiedenster Wahrhaftigkeit gegenüber der Phrase und
allem Scheinwesen, andrerseits aber einem klaren, kühlen Verstände und unge¬
wöhnlicher Sachkenntniß. Endlich ist auch die Form dieser Reden von außer¬
ordentlicher Wirkung. Sie sind nichts weniger als schulgerecht, aber beinahe
immer anziehend, reich an feiner Ironie und, wo es die Umstände gebieten,
schneidig wie eine Toledoklinge.

Letzteres trat gleich das erste Mal hervor, wo der Abgeordnete v. Bismarck



*) Fürst Bismarck. Sein politisches Leben und Wirken urkundlich in
Thatsachen und des Fürsten eigenen Kundgebungen dargestellt. Berlin, Verlag von W. Hertz.
1878. Zwei starke Bände. Ein unentbehrliches Hand- und Nachschlagebuch, Wohl geordnet,
zuverlässig und vom Jahre 1862 an so vollständig als derartige Repertorien sich überhaupt
gestalten lasse". Ein dritter Band steht, wie man hört in Aussicht. (Ist soeben erschienen-
D. Red.)

Aber begeben wir uns in die Zeit zurück, wo die Bezeichnung „Junker"
im politischen Sinne aufkam, florierte und auch auf Bismarck angewandt wurde,
und fragen wir an der Hand eines soeben erschienenen Sammelwerks von
Th. Riedel: „Die Reden des Abgeordneten von Bismarck-Schön-
hausen in den Parlamenten 1847 bis 1851", ob überhaupt und wie
weit er im Anfang seiner politischen Laufbahn als Geistesverwandter des oben
charakterisierten Juukerparlaments angesehen werden kann. Zwar würde man
zur erschöpfenden Beantwortung dieser Frage auch noch die Artikel studieren
müssen, die er in jenen Tagen für die conservative Presse schrieb, indeß genügt
für eine kurze Darstellung der Sache ein Auszug aus dem soeben genannten
Buche, welches die fleißige Arbeit Ludwig Hahns*) in ihren ersten Ab¬
schnitten wesentlich ergänzt. Bismarck hat in den Jahren 1847 bis 1851 viel
häufiger öffentlich gesprochen, als jetzt noch in der Erinnerung des großen
Publicums lebt. Man hat von ihm als Abgeordneten überhaupt nur noch ein
nachgedunkeltes und gleich den Verhältnissen, unter denen er sprach, kaum recht
verständliches Bild. So hat der Sammler jener Kammerreden sich ein nicht
geringes Verdienst erworben, zumal da er sich nicht damit begnügt hat, sie in
chronologischer Ordnung wiederzugeben, sondern auch bemüht gewesen ist, sie
dnrch kurze Einleitungen und Anmerkungen möglichst verständlich zu machen.

Wie die Reden, vom Glänze der Gegenwart bestrahlt, ganz anders aus¬
sehe«, als sie der Generation erschienen, die sie hörte, so leuchtet, wie der
Herausgeber mit Recht bemerkt, ihr eignes Licht bis in unsere Tage herein.
Wir erkennen in ihnen den Regenerator Deutschlands in seinen Anfängen, sein
Charakter ist fertig, und nur nach einigen Beziehungen hin hat er noch von
der Erfahrung zu lernen. Fast überall blitzt der Jnstinct des politischen Genies
ans. Wir begegnen allenthalben tief religiösem Sinne, sittlichem Ernste, warmer
Vaterlandsliebe und entschiedenster Wahrhaftigkeit gegenüber der Phrase und
allem Scheinwesen, andrerseits aber einem klaren, kühlen Verstände und unge¬
wöhnlicher Sachkenntniß. Endlich ist auch die Form dieser Reden von außer¬
ordentlicher Wirkung. Sie sind nichts weniger als schulgerecht, aber beinahe
immer anziehend, reich an feiner Ironie und, wo es die Umstände gebieten,
schneidig wie eine Toledoklinge.

Letzteres trat gleich das erste Mal hervor, wo der Abgeordnete v. Bismarck



*) Fürst Bismarck. Sein politisches Leben und Wirken urkundlich in
Thatsachen und des Fürsten eigenen Kundgebungen dargestellt. Berlin, Verlag von W. Hertz.
1878. Zwei starke Bände. Ein unentbehrliches Hand- und Nachschlagebuch, Wohl geordnet,
zuverlässig und vom Jahre 1862 an so vollständig als derartige Repertorien sich überhaupt
gestalten lasse». Ein dritter Band steht, wie man hört in Aussicht. (Ist soeben erschienen-
D. Red.)
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/395>, abgerufen am 29.12.2024.