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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Mvlinski und Gwvzdzewski die Geschäfte eines Waffenmeisters der Insurgenten.
Durch geheime Thüren, von denen eine in das eigne Zimmer des Priors führte,
wurde, obgleich das Kloster militärisch besetzt war, der Verkehr mit den revo¬
lutionären Behörden unterhalten. Infolge dieser Entdeckungen legte Graf Berg
der römisch-katholischen Geistlichkeit eine Kontribution von l2 Procent ihres
baaren Jahreseinkommens auf, wobei er hervorhob, "daß der katholische Klerus
lateinischer Observanz den Aufstand vornehmlich genährt habe und noch nähre,
weshalb es billig, daß er auch zur Pacifieation beitrage." Die Maßregel wirkte,
vorzüglich in Warschau, und es kamen hier fortan weniger Morde und Mord¬
anfälle vor.

Auch in Litthallen war der katholische Klerus ein Hauptträger der Revo¬
lution, und mehrere Mitglieder desselben mußten, weil sie die Bevölkerung auf¬
gewiegelt, in den Kirchen Hochverrätherische Aufrufe publiciert, Rekruten gegen
Rußland vereidigt oder Banden von Insurgenten geführt hatten, kriegsgerichtlich
bestraft werden.

Endlich blieben damals auch die katholischen Geistlichen der Provinz Posen
wenigstens mit Demonstrationen nicht zurück. Man verglich von der Kanzel
herab die Leiden des "von Russen und Deutschen zerrissenen polnischen Volkes"
mit denen Israels. Die Attentate, die in Warschau auf Graf Lambert, Gro߬
fürst Konstantin und Marquis Wielopolski unternommen worden waren, wurden
von Posenschen Geistlichen als Heldenthaten gepriesen. Zum "Andenken der
seligen Märtyrer Jaroczynski, Rhll und Rzouca", dreier in Warschau Hingerich¬
teten Hängegendarmen, Hielt man am 9. September 1862 in Posen eine
öffentliche Trauerandacht ab. Das revolutionäre Lied "Brze eos Polske" wurde
als integrierender Theil jedes Gottesdienstes dem Ritual eingefügt. Als das
Tragen der polnischen Nationalfarben Mode wurde, bediente sich auch der Posen-
sche Klerus derselben vielfach. Unter anderm zerriß ein fanatischer Priester bei
einer Wallfahrt seinen Ornat, machte roth-weiße Cocarden daraus und vertheilte
sie unter seine Leute. Endlich dienten zur Aufmachung der revolutionären Leiden¬
schaften den Posenschen Geistlichen die sogenannten Kreuzerrichtungen. Das Krenz,
welches man neben der Martinskirche in der Stadt Posen aufzustellen vorhatte,
war ein mächtiger Eichenstamm und sollte mit dem aus Zinkblech angefertigten
Bildnisse des Heilands, dessen Körper durch zwei Säbelhiebe, zertheilt war,
-- ein Symbol der Kirchenschändungen, welche die Russen und Deutschen angeb¬
lich verübt hatten -- einer Märtyrerpalme, einer Dornenkrone und der In¬
schrift: "Zum Andenken an unsere im Königreiche und in Litthauen gemordeten
Brüder" versehen werden. Das Zustandekommen dieser Demonstration in der
Stadt Posen wurde verhindert, aber in verschiedenen andern Orten der Provinz


Mvlinski und Gwvzdzewski die Geschäfte eines Waffenmeisters der Insurgenten.
Durch geheime Thüren, von denen eine in das eigne Zimmer des Priors führte,
wurde, obgleich das Kloster militärisch besetzt war, der Verkehr mit den revo¬
lutionären Behörden unterhalten. Infolge dieser Entdeckungen legte Graf Berg
der römisch-katholischen Geistlichkeit eine Kontribution von l2 Procent ihres
baaren Jahreseinkommens auf, wobei er hervorhob, „daß der katholische Klerus
lateinischer Observanz den Aufstand vornehmlich genährt habe und noch nähre,
weshalb es billig, daß er auch zur Pacifieation beitrage." Die Maßregel wirkte,
vorzüglich in Warschau, und es kamen hier fortan weniger Morde und Mord¬
anfälle vor.

Auch in Litthallen war der katholische Klerus ein Hauptträger der Revo¬
lution, und mehrere Mitglieder desselben mußten, weil sie die Bevölkerung auf¬
gewiegelt, in den Kirchen Hochverrätherische Aufrufe publiciert, Rekruten gegen
Rußland vereidigt oder Banden von Insurgenten geführt hatten, kriegsgerichtlich
bestraft werden.

Endlich blieben damals auch die katholischen Geistlichen der Provinz Posen
wenigstens mit Demonstrationen nicht zurück. Man verglich von der Kanzel
herab die Leiden des „von Russen und Deutschen zerrissenen polnischen Volkes"
mit denen Israels. Die Attentate, die in Warschau auf Graf Lambert, Gro߬
fürst Konstantin und Marquis Wielopolski unternommen worden waren, wurden
von Posenschen Geistlichen als Heldenthaten gepriesen. Zum „Andenken der
seligen Märtyrer Jaroczynski, Rhll und Rzouca", dreier in Warschau Hingerich¬
teten Hängegendarmen, Hielt man am 9. September 1862 in Posen eine
öffentliche Trauerandacht ab. Das revolutionäre Lied „Brze eos Polske" wurde
als integrierender Theil jedes Gottesdienstes dem Ritual eingefügt. Als das
Tragen der polnischen Nationalfarben Mode wurde, bediente sich auch der Posen-
sche Klerus derselben vielfach. Unter anderm zerriß ein fanatischer Priester bei
einer Wallfahrt seinen Ornat, machte roth-weiße Cocarden daraus und vertheilte
sie unter seine Leute. Endlich dienten zur Aufmachung der revolutionären Leiden¬
schaften den Posenschen Geistlichen die sogenannten Kreuzerrichtungen. Das Krenz,
welches man neben der Martinskirche in der Stadt Posen aufzustellen vorhatte,
war ein mächtiger Eichenstamm und sollte mit dem aus Zinkblech angefertigten
Bildnisse des Heilands, dessen Körper durch zwei Säbelhiebe, zertheilt war,
— ein Symbol der Kirchenschändungen, welche die Russen und Deutschen angeb¬
lich verübt hatten — einer Märtyrerpalme, einer Dornenkrone und der In¬
schrift: „Zum Andenken an unsere im Königreiche und in Litthauen gemordeten
Brüder" versehen werden. Das Zustandekommen dieser Demonstration in der
Stadt Posen wurde verhindert, aber in verschiedenen andern Orten der Provinz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/346>, abgerufen am 28.12.2024.