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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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fanden derartige Kreuzeserrichtungen uach demselben Programm uuter Führung
der Geistlichkeit statt.

So glaubte auch hier der römisch-katholische Klerus seinen heiligen Beruf
zu erfüllen, und wenn nicht ärgeres geschah, so war es doch nur, weil man
nicht konnte. Ueberall gaben die Priester das Beispiel zur Gefährdung der
öffentlichen Ruhe und zur Mißachtung der Gesetze. Ueberall sich soviel als
möglich gegen die Staatsbehörden auflehnend, suchte diese Geistlichkeit die sie
treffenden strafgerichtlichen Verfolgungen wegen Vergehungen gegen das Vereins¬
gesetz und die öffentliche Ordnung, wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt
und wegen Beleidigung der Beamten dem großen Hausen als Gott wohlgefäl¬
liges Leiden, sich selbst aber, die Uebertreter der Gesetze, als Märtyrer hinzu¬
stellen. Selbst die gröbsten Verletzungen der Ehrfurcht vor dem Staatsober¬
haupte fehlten in der Reihe der klerikalen Deliete nicht. Die kirchliche Ober¬
behörde der Diöcese aber sah diesem Treiben gelassen und vielleicht mit Wohl¬
gefallen zu. Dafür gefiel man sich darin, für den Erzbischof von Posen und
Gnesen die Würde eines "Metropoliten von Polen" wieder aufzuwärmen und
ihn als "Primas der Krone Polen und Litthauen" zu feiern. Als der Erzbischof
von Przyluski, von Rom zurückgekehrt, und von Seiten der polnischen Demo¬
kraten mit einer Ovation beehrt, bei Ertheilung des apostolischen Segens an
die zusammengelaufene Menge über die Fürsprache berichtete, welche er beim
Papste sür die zwanzig Millionen Polen eingelegt, konnten ihm polnische Zei¬
tungen Worte in den Mund legen, welche die heftigste Schmähung der preußi¬
schen Herrschaft in sich schlössen, und welche von seiner Seite niemals in Abrede
gestellt worden sind.

Wir denken, diese Erinnerungen bedürfen keines Commentars, und so können
wir unsern Zweck, zu zeigen, welches das eigentliche Wesen der Klerikalen ist,
und wie sie sich bei Krisen gegenüber dem Staate verhalten haben und immer
verhalten werden, mit ihrer bloßen Mittheilung sür erreicht ansehen. Aristo¬
kraten und Demokraten sind ihnen gleich liebe Bundesgenossen, wenn nur die
Verbindung mit ihnen Vortheil sür die Herrschaft des Papstes über die Staaten
in Aussicht zu stellen scheint, und bei der Action nach diesem Ziele ist ihnen
auch das verwerflichste Mittel nicht zu schlecht.




fanden derartige Kreuzeserrichtungen uach demselben Programm uuter Führung
der Geistlichkeit statt.

So glaubte auch hier der römisch-katholische Klerus seinen heiligen Beruf
zu erfüllen, und wenn nicht ärgeres geschah, so war es doch nur, weil man
nicht konnte. Ueberall gaben die Priester das Beispiel zur Gefährdung der
öffentlichen Ruhe und zur Mißachtung der Gesetze. Ueberall sich soviel als
möglich gegen die Staatsbehörden auflehnend, suchte diese Geistlichkeit die sie
treffenden strafgerichtlichen Verfolgungen wegen Vergehungen gegen das Vereins¬
gesetz und die öffentliche Ordnung, wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt
und wegen Beleidigung der Beamten dem großen Hausen als Gott wohlgefäl¬
liges Leiden, sich selbst aber, die Uebertreter der Gesetze, als Märtyrer hinzu¬
stellen. Selbst die gröbsten Verletzungen der Ehrfurcht vor dem Staatsober¬
haupte fehlten in der Reihe der klerikalen Deliete nicht. Die kirchliche Ober¬
behörde der Diöcese aber sah diesem Treiben gelassen und vielleicht mit Wohl¬
gefallen zu. Dafür gefiel man sich darin, für den Erzbischof von Posen und
Gnesen die Würde eines „Metropoliten von Polen" wieder aufzuwärmen und
ihn als „Primas der Krone Polen und Litthauen" zu feiern. Als der Erzbischof
von Przyluski, von Rom zurückgekehrt, und von Seiten der polnischen Demo¬
kraten mit einer Ovation beehrt, bei Ertheilung des apostolischen Segens an
die zusammengelaufene Menge über die Fürsprache berichtete, welche er beim
Papste sür die zwanzig Millionen Polen eingelegt, konnten ihm polnische Zei¬
tungen Worte in den Mund legen, welche die heftigste Schmähung der preußi¬
schen Herrschaft in sich schlössen, und welche von seiner Seite niemals in Abrede
gestellt worden sind.

Wir denken, diese Erinnerungen bedürfen keines Commentars, und so können
wir unsern Zweck, zu zeigen, welches das eigentliche Wesen der Klerikalen ist,
und wie sie sich bei Krisen gegenüber dem Staate verhalten haben und immer
verhalten werden, mit ihrer bloßen Mittheilung sür erreicht ansehen. Aristo¬
kraten und Demokraten sind ihnen gleich liebe Bundesgenossen, wenn nur die
Verbindung mit ihnen Vortheil sür die Herrschaft des Papstes über die Staaten
in Aussicht zu stellen scheint, und bei der Action nach diesem Ziele ist ihnen
auch das verwerflichste Mittel nicht zu schlecht.




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[0347] fanden derartige Kreuzeserrichtungen uach demselben Programm uuter Führung der Geistlichkeit statt. So glaubte auch hier der römisch-katholische Klerus seinen heiligen Beruf zu erfüllen, und wenn nicht ärgeres geschah, so war es doch nur, weil man nicht konnte. Ueberall gaben die Priester das Beispiel zur Gefährdung der öffentlichen Ruhe und zur Mißachtung der Gesetze. Ueberall sich soviel als möglich gegen die Staatsbehörden auflehnend, suchte diese Geistlichkeit die sie treffenden strafgerichtlichen Verfolgungen wegen Vergehungen gegen das Vereins¬ gesetz und die öffentliche Ordnung, wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und wegen Beleidigung der Beamten dem großen Hausen als Gott wohlgefäl¬ liges Leiden, sich selbst aber, die Uebertreter der Gesetze, als Märtyrer hinzu¬ stellen. Selbst die gröbsten Verletzungen der Ehrfurcht vor dem Staatsober¬ haupte fehlten in der Reihe der klerikalen Deliete nicht. Die kirchliche Ober¬ behörde der Diöcese aber sah diesem Treiben gelassen und vielleicht mit Wohl¬ gefallen zu. Dafür gefiel man sich darin, für den Erzbischof von Posen und Gnesen die Würde eines „Metropoliten von Polen" wieder aufzuwärmen und ihn als „Primas der Krone Polen und Litthauen" zu feiern. Als der Erzbischof von Przyluski, von Rom zurückgekehrt, und von Seiten der polnischen Demo¬ kraten mit einer Ovation beehrt, bei Ertheilung des apostolischen Segens an die zusammengelaufene Menge über die Fürsprache berichtete, welche er beim Papste sür die zwanzig Millionen Polen eingelegt, konnten ihm polnische Zei¬ tungen Worte in den Mund legen, welche die heftigste Schmähung der preußi¬ schen Herrschaft in sich schlössen, und welche von seiner Seite niemals in Abrede gestellt worden sind. Wir denken, diese Erinnerungen bedürfen keines Commentars, und so können wir unsern Zweck, zu zeigen, welches das eigentliche Wesen der Klerikalen ist, und wie sie sich bei Krisen gegenüber dem Staate verhalten haben und immer verhalten werden, mit ihrer bloßen Mittheilung sür erreicht ansehen. Aristo¬ kraten und Demokraten sind ihnen gleich liebe Bundesgenossen, wenn nur die Verbindung mit ihnen Vortheil sür die Herrschaft des Papstes über die Staaten in Aussicht zu stellen scheint, und bei der Action nach diesem Ziele ist ihnen auch das verwerflichste Mittel nicht zu schlecht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/347>, abgerufen am 28.12.2024.