Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.und vom Kriegsgerichte wegen Hochverraths verurtheilt, aber vom Kaiser be¬ Aber uicht genug damit, der Priester Mikoszewski war der Urheber der und vom Kriegsgerichte wegen Hochverraths verurtheilt, aber vom Kaiser be¬ Aber uicht genug damit, der Priester Mikoszewski war der Urheber der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0344" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147991"/> <p xml:id="ID_938" prev="#ID_937"> und vom Kriegsgerichte wegen Hochverraths verurtheilt, aber vom Kaiser be¬<lb/> gnadigt. Zu gleicher Zeit erfolgten Verhaftungen andrer Geistlichen, die in ihren<lb/> Kirchen und Klöstern Waffendepots verborgen gehalten. Auch später, als die<lb/> geheime Regierung ihren blutgierigen Charakter vollständig enthüllt hatte und<lb/> ihre Hängegendarmeu schon Dutzende, ja viele Hunderte von Opfern ermordet<lb/> hatte» — man zählte deren im Laufe eiues Jahres etwa 3000 —, wurde<lb/> sie von einem sehr großen Theile des Klerus mit allen Mitteln unterstützt.<lb/> Die Betheiligung der polnischen Priester und Mönche an der Revolution<lb/> nahm zuletzt ganz denselben Charakter an wie die Maßregeln der „National¬<lb/> regierung." Kaum glaublich ist es, bis zu welchem Grade jene „Diener des<lb/> Herrn" ihren Beruf entweihten. Aber es ist erwiesene Thatsache, daß die Kirchen<lb/> und Kloster fast durchweg Waffenniederlagen und Prvviantmagazine, Schlupf¬<lb/> winkel einzelner Insurgenten und ganzer Banden von solchen und Verstecke der<lb/> Hüngegendarmen waren. Fast alle Orden und Congregationen, die damals in<lb/> Polen bestanden, besonders die Bernhardiner in Raton, und Warschau, waren<lb/> für die Zwecke des Aufstandes thätig. Der Beichtstuhl wurde auf empörende<lb/> Weise gemißbraucht, man rief das Volk im Namen Jesu Christi zu den Waffen,<lb/> segnete die Mordwerkzeuge in seinen Händen ein, entband von den der Regie¬<lb/> rung geleisteten Eiden, nahm neue ab und verherrlichte unter Entstellung des<lb/> Wortlantes der heiligen Schrift alle zu den Zwecken der Revolution dienlichen<lb/> Verbrechen mit Einschluß des Königsmvrdes. Ja die Gotteslästerung ging so<lb/> weit, daß Geistliche den Verführten die besondere Anwartschaft auf das Erbe<lb/> des Himmelreiches verhießen.</p><lb/> <p xml:id="ID_939" next="#ID_940"> Aber uicht genug damit, der Priester Mikoszewski war der Urheber der<lb/> Idee, eine.Hängegendarmerie zu errichten und sich des systematischen Mordes<lb/> als eiues durch den Zweck geheiligten Mittels zu bedienen. Im Karmeliter¬<lb/> kloster zu Warschau wurden die Soldaten zur Fahnenflucht verleitet, indem<lb/> man ihnen für die Zeit, wo Polen befreit sein werde, Land versprach. Deser¬<lb/> teure, welche ihr Gewehr mitnahmen, bekamen als Handgeld von den Mönchen<lb/> 15, unbewaffnet abziehende 10 Rubel. Wiesen die Soldaten auf ihren den,<lb/> Kaiser geleisteten Eid hin, fo wurde ihnen gesagt, „der Geistliche habe das Recht,<lb/> davon zu entbinden, die polnischen katholischen Soldaten müßten im Verein<lb/> mit ihren Landsleuten für die Vertheidigung der Religion kämpfen.<lb/> In Tschenstochau wurden in einem Monate 150 Mann neu vereidigt. Mit den<lb/> Waffen in der Hand oder doch als unmittelbare Organisatoren des Aufstandes<lb/> wirkten zahlreiche Priester an letzterem mit. Darunter befanden sich der Beru-<lb/> Hardiner-Superior Znborek, der Franciswner-Superior Gorzczynski, der Karme-<lb/> liter-Superior Jajko und der Bischof Benjamin von Ludim. Ebenso waren<lb/> viele Geistliche, z. B. der Marianer-Prior Komarowski, als Bandenführer und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0344]
und vom Kriegsgerichte wegen Hochverraths verurtheilt, aber vom Kaiser be¬
gnadigt. Zu gleicher Zeit erfolgten Verhaftungen andrer Geistlichen, die in ihren
Kirchen und Klöstern Waffendepots verborgen gehalten. Auch später, als die
geheime Regierung ihren blutgierigen Charakter vollständig enthüllt hatte und
ihre Hängegendarmeu schon Dutzende, ja viele Hunderte von Opfern ermordet
hatte» — man zählte deren im Laufe eiues Jahres etwa 3000 —, wurde
sie von einem sehr großen Theile des Klerus mit allen Mitteln unterstützt.
Die Betheiligung der polnischen Priester und Mönche an der Revolution
nahm zuletzt ganz denselben Charakter an wie die Maßregeln der „National¬
regierung." Kaum glaublich ist es, bis zu welchem Grade jene „Diener des
Herrn" ihren Beruf entweihten. Aber es ist erwiesene Thatsache, daß die Kirchen
und Kloster fast durchweg Waffenniederlagen und Prvviantmagazine, Schlupf¬
winkel einzelner Insurgenten und ganzer Banden von solchen und Verstecke der
Hüngegendarmen waren. Fast alle Orden und Congregationen, die damals in
Polen bestanden, besonders die Bernhardiner in Raton, und Warschau, waren
für die Zwecke des Aufstandes thätig. Der Beichtstuhl wurde auf empörende
Weise gemißbraucht, man rief das Volk im Namen Jesu Christi zu den Waffen,
segnete die Mordwerkzeuge in seinen Händen ein, entband von den der Regie¬
rung geleisteten Eiden, nahm neue ab und verherrlichte unter Entstellung des
Wortlantes der heiligen Schrift alle zu den Zwecken der Revolution dienlichen
Verbrechen mit Einschluß des Königsmvrdes. Ja die Gotteslästerung ging so
weit, daß Geistliche den Verführten die besondere Anwartschaft auf das Erbe
des Himmelreiches verhießen.
Aber uicht genug damit, der Priester Mikoszewski war der Urheber der
Idee, eine.Hängegendarmerie zu errichten und sich des systematischen Mordes
als eiues durch den Zweck geheiligten Mittels zu bedienen. Im Karmeliter¬
kloster zu Warschau wurden die Soldaten zur Fahnenflucht verleitet, indem
man ihnen für die Zeit, wo Polen befreit sein werde, Land versprach. Deser¬
teure, welche ihr Gewehr mitnahmen, bekamen als Handgeld von den Mönchen
15, unbewaffnet abziehende 10 Rubel. Wiesen die Soldaten auf ihren den,
Kaiser geleisteten Eid hin, fo wurde ihnen gesagt, „der Geistliche habe das Recht,
davon zu entbinden, die polnischen katholischen Soldaten müßten im Verein
mit ihren Landsleuten für die Vertheidigung der Religion kämpfen.
In Tschenstochau wurden in einem Monate 150 Mann neu vereidigt. Mit den
Waffen in der Hand oder doch als unmittelbare Organisatoren des Aufstandes
wirkten zahlreiche Priester an letzterem mit. Darunter befanden sich der Beru-
Hardiner-Superior Znborek, der Franciswner-Superior Gorzczynski, der Karme-
liter-Superior Jajko und der Bischof Benjamin von Ludim. Ebenso waren
viele Geistliche, z. B. der Marianer-Prior Komarowski, als Bandenführer und
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