Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.des römisch-katholischen Klerus von Polen mit der socialdemokratischen Umsturz¬ Schon vorher hatten Geistliche bei den Demonstrationen mitgewirkt, die des römisch-katholischen Klerus von Polen mit der socialdemokratischen Umsturz¬ Schon vorher hatten Geistliche bei den Demonstrationen mitgewirkt, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147990"/> <p xml:id="ID_936" prev="#ID_935"> des römisch-katholischen Klerus von Polen mit der socialdemokratischen Umsturz¬<lb/> partei Europas, deren Vertreter das Ceutralcomite bekanntermaßen leiteten.<lb/> Dieser Beschluß, der den Klerus verpflichtete, das Comite der Rothen anzuer¬<lb/> kennen und das Ansehen desselben in jeder Beziehung zu stärken, hatte die wich¬<lb/> tigste» Folgen für den Aufstand, der wenige Monate nachher ausbrach. Die<lb/> Geistlichkeit betheiligte sich massenhaft an demselben. Zunächst aber wirkte sie<lb/> vorbereitend als gewaltiger Apparat zur Wühlerei. Der Pater Sixtus erließ<lb/> einen Aufruf an die Bauern, der mit den Worten des Propheten IM begann:<lb/> „Und ich null den von Mitternacht fern von euch treiben und ihn in ein dürres<lb/> und wüstes Land verstoßen, nämlich sein Angesicht hin zum Meere gegen Morgen<lb/> und sein Ende hin zum äußersten Meere. Er soll verfaulen und stinken; denu<lb/> er hat große Dinge gethan." Die Priester Burzynski und - Severin bedrohten<lb/> im Marktflecken Maciejowice die Bauern, welche sich nicht am Aufstande be¬<lb/> theiligen würden, von der Kanzel herab mit Entziehung der Absolution. Anders¬<lb/> wo redete man dem Volke ein, die Mutter Gottes von Tschenstochau habe, um<lb/> durch ein Wunder Polen zu befreien, sämmtliche Russen des Verstandes beraubt.</p><lb/> <p xml:id="ID_937" next="#ID_938"> Schon vorher hatten Geistliche bei den Demonstrationen mitgewirkt, die<lb/> der Revolution vorarbeiten sollten. Bei dem Krawall, der am 8. April 18l!1<lb/> in Warschau stattfand und mit Waffengewalt gedämpft werden mußte, forderte<lb/> ein Mönch, der sich aus dem Bernhardinerkloster ein Crucifix geholt, die Menge<lb/> zu thätlichen Widerstande auf und ging ihr mit gutem Beispiele voran, indem<lb/> er mit dem Kreuze, dem heiligsten Symbole seiner Kirche, einem Gendarmerie-<lb/> Offiziere den Helm vom Kopfe schlug. Aehnliche durch Diener der Kirche unter¬<lb/> stützte Excesse wiederholten sich, sodaß der Statthalter Polens sich genöthigt sah,<lb/> an den Erzbischof Fijalkowski die Aufforderung ergehen zu lassen, er möge seine<lb/> Geistlichkeit zur Beruhigung des Volkes anhalten. Der Prälat aber lehnte dies<lb/> ab und gestattete in den Kirchen sogar das Absingen aufregender nationaler<lb/> Lieder und die Vertheilung von Flugblätteru revolutionären Inhalts, deren<lb/> uns den Kaiser Alexander „Zar mit den blutbesudelten Händen" nannte. Am<lb/> 14. October 1861 wurde der Kriegszustand über das Königreich verhängt, und<lb/> se'fort erfand der Klerus ein neues kräftiges Agitationsmittel. Nachdem die<lb/> Regierung die Johannis- und die Beruhardinerkirche wegen Mißbrauchs zu poli¬<lb/> tischen Zwecken geschlossen, stellte die Geistlichkeit nnter dem Vorgeben, für etwa<lb/> sich wiederholenden Unfug nicht einstehen zu können, den Gottesdienst auch in<lb/> den übrigen Kirchen ein, was auf das hierdurch des religiösen Trostes beraubte<lb/> Volk wie eine Art Interdict wirken mußte, an dem die Regierung schuld war.<lb/> Der Verweser der Erzdiöcese Warschau, Kanonikus Bialobrzeski, welcher die<lb/> Schließung dieser Kirchen angeordnet hatte und jetzt in unehrerbietigem Tone<lb/> das Verlangen der Regierung, sie wieder zu eröffnen, ablehnte, wurde verhaftet</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
des römisch-katholischen Klerus von Polen mit der socialdemokratischen Umsturz¬
partei Europas, deren Vertreter das Ceutralcomite bekanntermaßen leiteten.
Dieser Beschluß, der den Klerus verpflichtete, das Comite der Rothen anzuer¬
kennen und das Ansehen desselben in jeder Beziehung zu stärken, hatte die wich¬
tigste» Folgen für den Aufstand, der wenige Monate nachher ausbrach. Die
Geistlichkeit betheiligte sich massenhaft an demselben. Zunächst aber wirkte sie
vorbereitend als gewaltiger Apparat zur Wühlerei. Der Pater Sixtus erließ
einen Aufruf an die Bauern, der mit den Worten des Propheten IM begann:
„Und ich null den von Mitternacht fern von euch treiben und ihn in ein dürres
und wüstes Land verstoßen, nämlich sein Angesicht hin zum Meere gegen Morgen
und sein Ende hin zum äußersten Meere. Er soll verfaulen und stinken; denu
er hat große Dinge gethan." Die Priester Burzynski und - Severin bedrohten
im Marktflecken Maciejowice die Bauern, welche sich nicht am Aufstande be¬
theiligen würden, von der Kanzel herab mit Entziehung der Absolution. Anders¬
wo redete man dem Volke ein, die Mutter Gottes von Tschenstochau habe, um
durch ein Wunder Polen zu befreien, sämmtliche Russen des Verstandes beraubt.
Schon vorher hatten Geistliche bei den Demonstrationen mitgewirkt, die
der Revolution vorarbeiten sollten. Bei dem Krawall, der am 8. April 18l!1
in Warschau stattfand und mit Waffengewalt gedämpft werden mußte, forderte
ein Mönch, der sich aus dem Bernhardinerkloster ein Crucifix geholt, die Menge
zu thätlichen Widerstande auf und ging ihr mit gutem Beispiele voran, indem
er mit dem Kreuze, dem heiligsten Symbole seiner Kirche, einem Gendarmerie-
Offiziere den Helm vom Kopfe schlug. Aehnliche durch Diener der Kirche unter¬
stützte Excesse wiederholten sich, sodaß der Statthalter Polens sich genöthigt sah,
an den Erzbischof Fijalkowski die Aufforderung ergehen zu lassen, er möge seine
Geistlichkeit zur Beruhigung des Volkes anhalten. Der Prälat aber lehnte dies
ab und gestattete in den Kirchen sogar das Absingen aufregender nationaler
Lieder und die Vertheilung von Flugblätteru revolutionären Inhalts, deren
uns den Kaiser Alexander „Zar mit den blutbesudelten Händen" nannte. Am
14. October 1861 wurde der Kriegszustand über das Königreich verhängt, und
se'fort erfand der Klerus ein neues kräftiges Agitationsmittel. Nachdem die
Regierung die Johannis- und die Beruhardinerkirche wegen Mißbrauchs zu poli¬
tischen Zwecken geschlossen, stellte die Geistlichkeit nnter dem Vorgeben, für etwa
sich wiederholenden Unfug nicht einstehen zu können, den Gottesdienst auch in
den übrigen Kirchen ein, was auf das hierdurch des religiösen Trostes beraubte
Volk wie eine Art Interdict wirken mußte, an dem die Regierung schuld war.
Der Verweser der Erzdiöcese Warschau, Kanonikus Bialobrzeski, welcher die
Schließung dieser Kirchen angeordnet hatte und jetzt in unehrerbietigem Tone
das Verlangen der Regierung, sie wieder zu eröffnen, ablehnte, wurde verhaftet
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