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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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der uns stammverwandten Bulgaren für die Univii mit Rom dein heiligen Vater
in seinem Kummer einen Augenblick wahrer Freude bereiteten, so erfüllt heute
der Anblick einer Nation, welche mit ebenso viel Muth wie Ruhe ihre und der
Kirche Freiheit fordert, das Herz des Hohenpriesters mit neuer Zuversicht. Wer
weiß, ob das durch das Feuer langer Leiden gereinigte Polen nicht gewisser¬
maßen ein Beispiel werden wird, wie aus dem traurigen Zwiespalte, der die
Christenheit gegenwärtig scheidet, herauszukommen ist." Die klerikale Partei der
Polen, die hier spricht, betrachtet die polnische Nation als berufen, zwischen dem
russischen Schisma und der protestantischen Ketzerei vordringend, "Vorkämpferin
des göttlichen Reiches ans Erden", d. h. der Herrschaft des Papstthums über
alle Völker und Fürsten zu sein.

Ganz besonders charakteristisch sind die auf S. 16!? bis 172 mitgetheilte"
Notizen über die Stellung des katholischen Klerus zur Rebellion der Polen im
Jahre 1863, über seine Beziehungen zu der revolutionären Oberbehörde und
über die Organisation der polnischen Geistlichkeit zur Unterstützung des Auf¬
standes. Bereits 1861 hielt der Klerus uuter dem Vorwande gewisser Feste
eine Reihe von Zusammenkünften zu revvlntio"arm Zwecken ab, in welchen die
Weltgeistlichen mit den Ordeusleuten wetteiferten, den Anschluß an die bevor¬
stehende Revolution zu gewinnen. Eine solche Versammlung fand am 2. Sep¬
tember in Lysagvra statt und war von nahezu 300 Priestern und Mönchen be¬
sucht. Ihr folgten in den nächsten drei Monaten andere in Horodlo, in Klvt-
schew, in Kalisch, im Marktflecken Biskupiee, in Suwalki und in Hrubieschvw.
In der zu Horodlo hielt der Kapuziuerpater Fidelis eine Rede, in welcher er
das polnische Volk zu den Waffen rief. In einer andern Versammlung wurde
ein Protest des Klerus gegen die dem Königreiche Polen von der russischen
Regierung in Betreff des Provinziell-, Städte und Gemeindewesens gewährten
Reformen beschlossen. In diesem Proteste billigte die Geistlichkeit die Befehle
des geheimen revolutionären Centrcllevmites, legte den Bürgern die Pflicht auf,
die Bewilligungen des Kaisers zurückzuweisen, und gebot den Mitgliedern der
auf Grund der letzteren soeben gewählten und berufenen Körperschaften, ohne
Verzug aus denselben aufzutreten.

Aehnliche Beschlüsse faßten andere Versammlungen der polnischen Geistlichen.
Der bemerkenswertheste darunter ist derjenige, über welchen der podlachischeKlerns
sich am 13. November 1862 einigte. Hier finden wir in kategorischer Form
die Uebereinstimmung und Solidarität der katholischen Geistlichkeit Polens mit
der "rothen" (demokratischen) Gruppe der Revolutionäre bestätigt, welche letztere
angesichts ihres Kampfes mit der Adelspartei weltklug den Einfluß der Priester
auf die Massen zu benutzen bemüht war. Der pvdlachische Klerus warf sich,
unterstützt durch die demokratischen Elemente der übrige" Diöcese", z"in Schieds--


der uns stammverwandten Bulgaren für die Univii mit Rom dein heiligen Vater
in seinem Kummer einen Augenblick wahrer Freude bereiteten, so erfüllt heute
der Anblick einer Nation, welche mit ebenso viel Muth wie Ruhe ihre und der
Kirche Freiheit fordert, das Herz des Hohenpriesters mit neuer Zuversicht. Wer
weiß, ob das durch das Feuer langer Leiden gereinigte Polen nicht gewisser¬
maßen ein Beispiel werden wird, wie aus dem traurigen Zwiespalte, der die
Christenheit gegenwärtig scheidet, herauszukommen ist." Die klerikale Partei der
Polen, die hier spricht, betrachtet die polnische Nation als berufen, zwischen dem
russischen Schisma und der protestantischen Ketzerei vordringend, „Vorkämpferin
des göttlichen Reiches ans Erden", d. h. der Herrschaft des Papstthums über
alle Völker und Fürsten zu sein.

Ganz besonders charakteristisch sind die auf S. 16!? bis 172 mitgetheilte»
Notizen über die Stellung des katholischen Klerus zur Rebellion der Polen im
Jahre 1863, über seine Beziehungen zu der revolutionären Oberbehörde und
über die Organisation der polnischen Geistlichkeit zur Unterstützung des Auf¬
standes. Bereits 1861 hielt der Klerus uuter dem Vorwande gewisser Feste
eine Reihe von Zusammenkünften zu revvlntio»arm Zwecken ab, in welchen die
Weltgeistlichen mit den Ordeusleuten wetteiferten, den Anschluß an die bevor¬
stehende Revolution zu gewinnen. Eine solche Versammlung fand am 2. Sep¬
tember in Lysagvra statt und war von nahezu 300 Priestern und Mönchen be¬
sucht. Ihr folgten in den nächsten drei Monaten andere in Horodlo, in Klvt-
schew, in Kalisch, im Marktflecken Biskupiee, in Suwalki und in Hrubieschvw.
In der zu Horodlo hielt der Kapuziuerpater Fidelis eine Rede, in welcher er
das polnische Volk zu den Waffen rief. In einer andern Versammlung wurde
ein Protest des Klerus gegen die dem Königreiche Polen von der russischen
Regierung in Betreff des Provinziell-, Städte und Gemeindewesens gewährten
Reformen beschlossen. In diesem Proteste billigte die Geistlichkeit die Befehle
des geheimen revolutionären Centrcllevmites, legte den Bürgern die Pflicht auf,
die Bewilligungen des Kaisers zurückzuweisen, und gebot den Mitgliedern der
auf Grund der letzteren soeben gewählten und berufenen Körperschaften, ohne
Verzug aus denselben aufzutreten.

Aehnliche Beschlüsse faßten andere Versammlungen der polnischen Geistlichen.
Der bemerkenswertheste darunter ist derjenige, über welchen der podlachischeKlerns
sich am 13. November 1862 einigte. Hier finden wir in kategorischer Form
die Uebereinstimmung und Solidarität der katholischen Geistlichkeit Polens mit
der „rothen" (demokratischen) Gruppe der Revolutionäre bestätigt, welche letztere
angesichts ihres Kampfes mit der Adelspartei weltklug den Einfluß der Priester
auf die Massen zu benutzen bemüht war. Der pvdlachische Klerus warf sich,
unterstützt durch die demokratischen Elemente der übrige» Diöcese», z»in Schieds--


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/341>, abgerufen am 01.01.2025.