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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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die Verführten, als sie den wahren Zweck des Unternehmens erfuhren, Folge
zu leisten, und gingen auseinander.

Bei den Aufwiegelungen, die dein Aufstande von 1848 vorausgingen, be¬
theiligte sich die polnische Geistlichkeit mit besonderem Eifer. Der Erzbischof
von Przylnski war bemüht, die zwischen den Deutschen und den Polen beste¬
hende Spaltung nach Möglichkeit zu erweitern. "Schon am 3. April hatte
General von Colomb diesen Prälaten in einem Schreiben aufgefordert, seine
Stimme zu erheben und zum Werke des Friedens beizutragen. Der höchste
Diener der Kirche aber, der berufenste Bote des Friedens und der Liebe inner¬
halb der Provinz, würdigte diese Aufforderung nicht einmal einer Autwort.
Dagegen erließ er am 21. April, zu einer Zeit, wo die Aufregung aufs Höchste
gestiegen war, einen Hirtenbrief, in welchem er diejenigen, welche die Rechte des
Staates aufrecht zu erhalten bemüht waren, Feinde der katholischen Kirche
nannte und die polnische Bevölkerung gegen die deutsche hetzte, indem er Polv-
nismus und Katholicismus, Deutschthum und Protestantismus identificierte."
Eine Frucht dieses Verhaltens war der spätere Ausruf seiner deutscheu Diöcesan-
geistlichkeit, in dem ganz unumwunden gesagt wurde: "Die Hanvtbewvhner des
Großherzogthums Posen sind Polen, das heißt Katholiken; denn polnisch und
katholisch gilt, wie ihr wißt, unter uns als eins und dasselbe."

Unter den Insurgenten, welche die preußischen Truppen bei dem Kampfe
um Nous (29. April 1848) zu Gefangnen machten, befand sich auch ein be¬
waffneter katholischer Geistlicher. Der Bande, die um dieselbe Zeit die Gegenden
um Wreschen unsicher machte, schritt ein Priester mit erhobenem Cruzifix voran.
In der Ansprache, mit welcher General von Pfuel am 23. Mai die polnische
Landbevölkerung zu belehren und zu beruhigen suchte, heißt es: "Es send fremde,
aus dem Lande verwiesene Männer zu euch gekommen und mit ihnen andere
Männer, die zum Tode verurtheilt und von unserm Könige begnadigt worden
waren, die haben zu euch gesagt: Geschwind, nehmt die Waffen, der König von
Preußen ist nicht mehr euer König, man will euch evangelisch machen und eure
Religion ausrotten, die Deutschen verbrennen schon eure Kirchen und schänden
eure Altäre; nur die Waffe ist für euch Rettung, und angesehene Leute im
Lande haben jedem von euch, der sich stellen werde, drei Morgen Land zur Be¬
lohnung versprochen, viele eurer Priester haben auch dies alles von der Kanzel
und im Geheimen wiederholt."

In einer Rede, welche das Haupt der "weißen" (aristokratischen) Partei der
polnischen Emigration, Fürst Adam Czarioryski in, Jahre 1862 zu Paris hielt,
sagte er: "Ueberdies sind wir der Tradition und der Ueberzeugung nach un¬
verbrüchlich treue Söhne der Kirche und kämpfeu ununterbrochen gegen ihren
und unsern Feind. Wie wir unlängst dnrch Gewinnung eines großen Theils


die Verführten, als sie den wahren Zweck des Unternehmens erfuhren, Folge
zu leisten, und gingen auseinander.

Bei den Aufwiegelungen, die dein Aufstande von 1848 vorausgingen, be¬
theiligte sich die polnische Geistlichkeit mit besonderem Eifer. Der Erzbischof
von Przylnski war bemüht, die zwischen den Deutschen und den Polen beste¬
hende Spaltung nach Möglichkeit zu erweitern. „Schon am 3. April hatte
General von Colomb diesen Prälaten in einem Schreiben aufgefordert, seine
Stimme zu erheben und zum Werke des Friedens beizutragen. Der höchste
Diener der Kirche aber, der berufenste Bote des Friedens und der Liebe inner¬
halb der Provinz, würdigte diese Aufforderung nicht einmal einer Autwort.
Dagegen erließ er am 21. April, zu einer Zeit, wo die Aufregung aufs Höchste
gestiegen war, einen Hirtenbrief, in welchem er diejenigen, welche die Rechte des
Staates aufrecht zu erhalten bemüht waren, Feinde der katholischen Kirche
nannte und die polnische Bevölkerung gegen die deutsche hetzte, indem er Polv-
nismus und Katholicismus, Deutschthum und Protestantismus identificierte."
Eine Frucht dieses Verhaltens war der spätere Ausruf seiner deutscheu Diöcesan-
geistlichkeit, in dem ganz unumwunden gesagt wurde: „Die Hanvtbewvhner des
Großherzogthums Posen sind Polen, das heißt Katholiken; denn polnisch und
katholisch gilt, wie ihr wißt, unter uns als eins und dasselbe."

Unter den Insurgenten, welche die preußischen Truppen bei dem Kampfe
um Nous (29. April 1848) zu Gefangnen machten, befand sich auch ein be¬
waffneter katholischer Geistlicher. Der Bande, die um dieselbe Zeit die Gegenden
um Wreschen unsicher machte, schritt ein Priester mit erhobenem Cruzifix voran.
In der Ansprache, mit welcher General von Pfuel am 23. Mai die polnische
Landbevölkerung zu belehren und zu beruhigen suchte, heißt es: „Es send fremde,
aus dem Lande verwiesene Männer zu euch gekommen und mit ihnen andere
Männer, die zum Tode verurtheilt und von unserm Könige begnadigt worden
waren, die haben zu euch gesagt: Geschwind, nehmt die Waffen, der König von
Preußen ist nicht mehr euer König, man will euch evangelisch machen und eure
Religion ausrotten, die Deutschen verbrennen schon eure Kirchen und schänden
eure Altäre; nur die Waffe ist für euch Rettung, und angesehene Leute im
Lande haben jedem von euch, der sich stellen werde, drei Morgen Land zur Be¬
lohnung versprochen, viele eurer Priester haben auch dies alles von der Kanzel
und im Geheimen wiederholt."

In einer Rede, welche das Haupt der „weißen" (aristokratischen) Partei der
polnischen Emigration, Fürst Adam Czarioryski in, Jahre 1862 zu Paris hielt,
sagte er: „Ueberdies sind wir der Tradition und der Ueberzeugung nach un¬
verbrüchlich treue Söhne der Kirche und kämpfeu ununterbrochen gegen ihren
und unsern Feind. Wie wir unlängst dnrch Gewinnung eines großen Theils


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[0340] die Verführten, als sie den wahren Zweck des Unternehmens erfuhren, Folge zu leisten, und gingen auseinander. Bei den Aufwiegelungen, die dein Aufstande von 1848 vorausgingen, be¬ theiligte sich die polnische Geistlichkeit mit besonderem Eifer. Der Erzbischof von Przylnski war bemüht, die zwischen den Deutschen und den Polen beste¬ hende Spaltung nach Möglichkeit zu erweitern. „Schon am 3. April hatte General von Colomb diesen Prälaten in einem Schreiben aufgefordert, seine Stimme zu erheben und zum Werke des Friedens beizutragen. Der höchste Diener der Kirche aber, der berufenste Bote des Friedens und der Liebe inner¬ halb der Provinz, würdigte diese Aufforderung nicht einmal einer Autwort. Dagegen erließ er am 21. April, zu einer Zeit, wo die Aufregung aufs Höchste gestiegen war, einen Hirtenbrief, in welchem er diejenigen, welche die Rechte des Staates aufrecht zu erhalten bemüht waren, Feinde der katholischen Kirche nannte und die polnische Bevölkerung gegen die deutsche hetzte, indem er Polv- nismus und Katholicismus, Deutschthum und Protestantismus identificierte." Eine Frucht dieses Verhaltens war der spätere Ausruf seiner deutscheu Diöcesan- geistlichkeit, in dem ganz unumwunden gesagt wurde: „Die Hanvtbewvhner des Großherzogthums Posen sind Polen, das heißt Katholiken; denn polnisch und katholisch gilt, wie ihr wißt, unter uns als eins und dasselbe." Unter den Insurgenten, welche die preußischen Truppen bei dem Kampfe um Nous (29. April 1848) zu Gefangnen machten, befand sich auch ein be¬ waffneter katholischer Geistlicher. Der Bande, die um dieselbe Zeit die Gegenden um Wreschen unsicher machte, schritt ein Priester mit erhobenem Cruzifix voran. In der Ansprache, mit welcher General von Pfuel am 23. Mai die polnische Landbevölkerung zu belehren und zu beruhigen suchte, heißt es: „Es send fremde, aus dem Lande verwiesene Männer zu euch gekommen und mit ihnen andere Männer, die zum Tode verurtheilt und von unserm Könige begnadigt worden waren, die haben zu euch gesagt: Geschwind, nehmt die Waffen, der König von Preußen ist nicht mehr euer König, man will euch evangelisch machen und eure Religion ausrotten, die Deutschen verbrennen schon eure Kirchen und schänden eure Altäre; nur die Waffe ist für euch Rettung, und angesehene Leute im Lande haben jedem von euch, der sich stellen werde, drei Morgen Land zur Be¬ lohnung versprochen, viele eurer Priester haben auch dies alles von der Kanzel und im Geheimen wiederholt." In einer Rede, welche das Haupt der „weißen" (aristokratischen) Partei der polnischen Emigration, Fürst Adam Czarioryski in, Jahre 1862 zu Paris hielt, sagte er: „Ueberdies sind wir der Tradition und der Ueberzeugung nach un¬ verbrüchlich treue Söhne der Kirche und kämpfeu ununterbrochen gegen ihren und unsern Feind. Wie wir unlängst dnrch Gewinnung eines großen Theils

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/340>, abgerufen am 29.12.2024.