Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.Die freien Gewerkvereinskassen werden praktisch niemals zu genügendem 1. Die Krankenunterstützung, 2. die hastpflichtige Unfallversicherung, 3. die nichthaftpflichtige Unfallversicherung, 4. die Altersversorgung, 5. die Wittwen- und Waisenunterstützung. Wie sich die Höhe der zu zahlenden Versicherungsbeiträge diesen Anforde¬ Während Professor Rühlmann für eine Arbeiterpensions- und Invaliden- Die freien Gewerkvereinskassen werden praktisch niemals zu genügendem 1. Die Krankenunterstützung, 2. die hastpflichtige Unfallversicherung, 3. die nichthaftpflichtige Unfallversicherung, 4. die Altersversorgung, 5. die Wittwen- und Waisenunterstützung. Wie sich die Höhe der zu zahlenden Versicherungsbeiträge diesen Anforde¬ Während Professor Rühlmann für eine Arbeiterpensions- und Invaliden- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147967"/> <p xml:id="ID_867" next="#ID_868"> Die freien Gewerkvereinskassen werden praktisch niemals zu genügendem<lb/> Erfolge gelangen; praktisch wird die Arbeiterversicherung nur ihren Zweck er¬<lb/> reichen, wenn wenigstens die nöthigste Versicherung, nämlich die für Unfalls-<lb/> wie für vorübergehende Erkrankungsinvalidität obligatorisch ist, nach dem<lb/> in der Reichsgesetzgebung 1876 zur Anerkennung gelangten Grundsatze: Kassen¬<lb/> zwang, doch nicht vorzugsweise bei Zwangskassen. Im übrigen wandeln sich<lb/> die freien Kassen für den, welcher ihnen beitritt, allmählich in Zwangskassen<lb/> um. Je länger und je mehr einer einzahlt, um so mehr entsteht für ihn ein<lb/> Zwang weiter zu zahlen. Er darf nicht aufhören, will er nicht alles verlieren,<lb/> was er bisher in der Kasse für sich angelegt hat. Dies beweisen die Knapp¬<lb/> schaftskassen, bei welchen es sich nur deshalb für den Arbeiter nicht so sehr<lb/> fühlbar macht, weil die Freizügigkeit der Bergarbeiter selten über den Bezirk<lb/> ihres Bergwerkes hinaus ausgeübt wird. Wird der Grundsatz von 1876 fest¬<lb/> gehalten, dann handelt es sich zunächst um den Umfang der obligatorisch zu<lb/> machenden Versicherung, und ferner um die Höhe der zu verhindernden Unter¬<lb/> stützung oder Rente. Aber obligatorisch soll nach dem Urtheile der meisten Sach¬<lb/> verständigen die Versicherung nicht hinausgehen können über Krankheitsfälle und<lb/> Fälle der Unfallsinvalidität, und auch für diese nur zu den nothdürftigsten<lb/> Unterstützungsrenten, weil andernfalls die erforderlichen Prämien oder Beiträge<lb/> für viele Arbeiter und Arbeitgeber zu hoch werden würden. In das Ge¬<lb/> sa um t gebt et einer umfassenden Sicherung des Wohls der arbeitenden Klassen<lb/> gehören aber:</p><lb/> <list> <item> 1. Die Krankenunterstützung,</item> <item> 2. die hastpflichtige Unfallversicherung,</item> <item> 3. die nichthaftpflichtige Unfallversicherung,</item> <item> 4. die Altersversorgung,</item> <item> 5. die Wittwen- und Waisenunterstützung.</item> </list><lb/> <p xml:id="ID_868" prev="#ID_867"> Wie sich die Höhe der zu zahlenden Versicherungsbeiträge diesen Anforde¬<lb/> rungen gegenüber im einzelnen und in ihrer Gesammtheit stellen dürfte, wollen<lb/> wir nunmehr an den Resultaten der bestehenden Kassen und Versicherungen<lb/> prüfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_869" next="#ID_870"> Während Professor Rühlmann für eine Arbeiterpensions- und Invaliden-<lb/> kasse im Anschluß an die „Kaiser Wilhelm-Spende" meint, daß es genüge, wenn<lb/> vom Lohne des Arbeiters ein Pfennig, vom Lohnthaler also etwa '/z Procent<lb/> des Lohnes eingehalten werde, glaubt ein Korrespondent der „Kreuzzeitung"<lb/> (Ur. 212 und 213 vom 11. und 12. September 1878), daß 5 Procent des<lb/> Lohnes, also der 15fach höhere Betrag, noch nicht hinreichend sei, um die Kasse<lb/> ähnlich wie die Knappschaftskassen zu organisieren. Derselbe führt auch aus,<lb/> daß die Knappschaftskassen noch keineswegs organisatorisch als bewährt ange-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0320]
Die freien Gewerkvereinskassen werden praktisch niemals zu genügendem
Erfolge gelangen; praktisch wird die Arbeiterversicherung nur ihren Zweck er¬
reichen, wenn wenigstens die nöthigste Versicherung, nämlich die für Unfalls-
wie für vorübergehende Erkrankungsinvalidität obligatorisch ist, nach dem
in der Reichsgesetzgebung 1876 zur Anerkennung gelangten Grundsatze: Kassen¬
zwang, doch nicht vorzugsweise bei Zwangskassen. Im übrigen wandeln sich
die freien Kassen für den, welcher ihnen beitritt, allmählich in Zwangskassen
um. Je länger und je mehr einer einzahlt, um so mehr entsteht für ihn ein
Zwang weiter zu zahlen. Er darf nicht aufhören, will er nicht alles verlieren,
was er bisher in der Kasse für sich angelegt hat. Dies beweisen die Knapp¬
schaftskassen, bei welchen es sich nur deshalb für den Arbeiter nicht so sehr
fühlbar macht, weil die Freizügigkeit der Bergarbeiter selten über den Bezirk
ihres Bergwerkes hinaus ausgeübt wird. Wird der Grundsatz von 1876 fest¬
gehalten, dann handelt es sich zunächst um den Umfang der obligatorisch zu
machenden Versicherung, und ferner um die Höhe der zu verhindernden Unter¬
stützung oder Rente. Aber obligatorisch soll nach dem Urtheile der meisten Sach¬
verständigen die Versicherung nicht hinausgehen können über Krankheitsfälle und
Fälle der Unfallsinvalidität, und auch für diese nur zu den nothdürftigsten
Unterstützungsrenten, weil andernfalls die erforderlichen Prämien oder Beiträge
für viele Arbeiter und Arbeitgeber zu hoch werden würden. In das Ge¬
sa um t gebt et einer umfassenden Sicherung des Wohls der arbeitenden Klassen
gehören aber:
1. Die Krankenunterstützung,
2. die hastpflichtige Unfallversicherung,
3. die nichthaftpflichtige Unfallversicherung,
4. die Altersversorgung,
5. die Wittwen- und Waisenunterstützung.
Wie sich die Höhe der zu zahlenden Versicherungsbeiträge diesen Anforde¬
rungen gegenüber im einzelnen und in ihrer Gesammtheit stellen dürfte, wollen
wir nunmehr an den Resultaten der bestehenden Kassen und Versicherungen
prüfen.
Während Professor Rühlmann für eine Arbeiterpensions- und Invaliden-
kasse im Anschluß an die „Kaiser Wilhelm-Spende" meint, daß es genüge, wenn
vom Lohne des Arbeiters ein Pfennig, vom Lohnthaler also etwa '/z Procent
des Lohnes eingehalten werde, glaubt ein Korrespondent der „Kreuzzeitung"
(Ur. 212 und 213 vom 11. und 12. September 1878), daß 5 Procent des
Lohnes, also der 15fach höhere Betrag, noch nicht hinreichend sei, um die Kasse
ähnlich wie die Knappschaftskassen zu organisieren. Derselbe führt auch aus,
daß die Knappschaftskassen noch keineswegs organisatorisch als bewährt ange-
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