Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.Mittelalters sich festgesetzt hatte, allen Anforderungen unseres Jahrhunderts an Was kann der Knabe von diesem Unterrichte bei dem "Melamed" in einer Mittelalters sich festgesetzt hatte, allen Anforderungen unseres Jahrhunderts an Was kann der Knabe von diesem Unterrichte bei dem „Melamed" in einer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147954"/> <p xml:id="ID_839" prev="#ID_838"> Mittelalters sich festgesetzt hatte, allen Anforderungen unseres Jahrhunderts an<lb/> die Ausbildung des Geistes widersprechen würde. Aber niemand von denen,<lb/> welche zugleich nach aufgeklärter Erziehungsart in den Volksschulen und nach<lb/> Toleranz gegen die Juden rufen, nimmt sich die Mühe zu untersuchen, ob nicht<lb/> etwa in dem sämmtlichen Unterrichtswesen des orthodoxen Judenthums ein Geist<lb/> herrsche, der ziemlich genau in derselben Erstarrung sich befindet wie derjenige<lb/> der Scholastik es fiir unsere Auffassung war. Das sogenannte reformierte Juden-<lb/> thum ist durchgängig von einem weitgehenden Liberalismus beseelt für alles,<lb/> mit alleiniger Ausnahme — scheint es wenigstens — desjenigen, was das Wesen<lb/> und den Charakter des Judenthums ausmacht. Sollte es nicht eine würdige<lb/> Aufgabe für diesen durch Bildung und Reichthum so einflußreichen Theil von<lb/> Israel sein, seine Kraft darauf zu richten, daß Glaube und Schule der Juden<lb/> einer Reform im Geiste europäischer Cultur entgegengeführt werden? Es ist in<lb/> Preußen ein Anfang gemacht worden in dieser Richtung. Die beiden Rabbiner¬<lb/> seminare von Berlin und Breslau werden sich schwerlich dem lebendigen Ein¬<lb/> flüsse ihrer Umgebung entziehen und in die alten Bahnen verknöcherten Tal¬<lb/> mudismus zurückfallen können. Aber es ist nur wenig Aussicht dafür vorhanden,<lb/> daß diese beiden Schulen großen Einfluß bei den Juden zu Hause, ich meine<lb/> in den Slawenländern, gewinnen werden. Eher wäre das zu hoffen von den<lb/> Rabbinerschulen zu Wien und Pest. Solange aber der Jude zu Hause so ist<lb/> wie er ist, so lange klafft der ungeheure Widerspruch gegen das Christenthum<lb/> und seiue Cultur. Und die Lösung der Frage, die Schließung der Kluft ist<lb/> allein und einzig möglich durch die Schule zu Hause, in den Ländern des<lb/> slawisch-magyarischen Judenthums.</p><lb/> <p xml:id="ID_840" next="#ID_841"> Was kann der Knabe von diesem Unterrichte bei dem „Melamed" in einer<lb/> ihm fremden Sprache heimbringen außer der Empfindung, daß er in dem Ge¬<lb/> wirre der Worte, die er auslernen mußte, nicht mehr im Stande sei, Gebete zu<lb/> Gott von Lehren dieser Welt, Religion von Erklärungen oder Gesetzen der Natur<lb/> M unterscheiden? Und ist es nicht ungemein sonderbar, daß dieses liberale<lb/> Judenthum, welches der heftigste Vertheidiger der confessionslosen Schulen im<lb/> christlichen Staate ist, kein ernstliches Wort und kein wirksames Bedenken übrig<lb/> hat für den verbissensten Confessionalismus des Unterrichts und der Schule,<lb/> der in ganz Europa zu finden ist? Kein andres Volk Europas steht in seinem<lb/> Unterrichte so niedrig, in seinem Lehrsystem auf so verrotteter Methode wie das<lb/> jüdische. Es hat Juden gegeben, welche an der Spitze des Unterrichtswesens<lb/> großer christlicher Culturstaaten standen. Aber während durch ihre Hand alles<lb/> mögliche geschah für Reform der christlichen Schulen nach den allerneuesten<lb/> Grundsätzen, geschah nichts, schlechterdings nichts für eine ernstliche und durch¬<lb/> greifende Reform in dem Schulwesen des Volkes, dem jene Minister enge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0307]
Mittelalters sich festgesetzt hatte, allen Anforderungen unseres Jahrhunderts an
die Ausbildung des Geistes widersprechen würde. Aber niemand von denen,
welche zugleich nach aufgeklärter Erziehungsart in den Volksschulen und nach
Toleranz gegen die Juden rufen, nimmt sich die Mühe zu untersuchen, ob nicht
etwa in dem sämmtlichen Unterrichtswesen des orthodoxen Judenthums ein Geist
herrsche, der ziemlich genau in derselben Erstarrung sich befindet wie derjenige
der Scholastik es fiir unsere Auffassung war. Das sogenannte reformierte Juden-
thum ist durchgängig von einem weitgehenden Liberalismus beseelt für alles,
mit alleiniger Ausnahme — scheint es wenigstens — desjenigen, was das Wesen
und den Charakter des Judenthums ausmacht. Sollte es nicht eine würdige
Aufgabe für diesen durch Bildung und Reichthum so einflußreichen Theil von
Israel sein, seine Kraft darauf zu richten, daß Glaube und Schule der Juden
einer Reform im Geiste europäischer Cultur entgegengeführt werden? Es ist in
Preußen ein Anfang gemacht worden in dieser Richtung. Die beiden Rabbiner¬
seminare von Berlin und Breslau werden sich schwerlich dem lebendigen Ein¬
flüsse ihrer Umgebung entziehen und in die alten Bahnen verknöcherten Tal¬
mudismus zurückfallen können. Aber es ist nur wenig Aussicht dafür vorhanden,
daß diese beiden Schulen großen Einfluß bei den Juden zu Hause, ich meine
in den Slawenländern, gewinnen werden. Eher wäre das zu hoffen von den
Rabbinerschulen zu Wien und Pest. Solange aber der Jude zu Hause so ist
wie er ist, so lange klafft der ungeheure Widerspruch gegen das Christenthum
und seiue Cultur. Und die Lösung der Frage, die Schließung der Kluft ist
allein und einzig möglich durch die Schule zu Hause, in den Ländern des
slawisch-magyarischen Judenthums.
Was kann der Knabe von diesem Unterrichte bei dem „Melamed" in einer
ihm fremden Sprache heimbringen außer der Empfindung, daß er in dem Ge¬
wirre der Worte, die er auslernen mußte, nicht mehr im Stande sei, Gebete zu
Gott von Lehren dieser Welt, Religion von Erklärungen oder Gesetzen der Natur
M unterscheiden? Und ist es nicht ungemein sonderbar, daß dieses liberale
Judenthum, welches der heftigste Vertheidiger der confessionslosen Schulen im
christlichen Staate ist, kein ernstliches Wort und kein wirksames Bedenken übrig
hat für den verbissensten Confessionalismus des Unterrichts und der Schule,
der in ganz Europa zu finden ist? Kein andres Volk Europas steht in seinem
Unterrichte so niedrig, in seinem Lehrsystem auf so verrotteter Methode wie das
jüdische. Es hat Juden gegeben, welche an der Spitze des Unterrichtswesens
großer christlicher Culturstaaten standen. Aber während durch ihre Hand alles
mögliche geschah für Reform der christlichen Schulen nach den allerneuesten
Grundsätzen, geschah nichts, schlechterdings nichts für eine ernstliche und durch¬
greifende Reform in dem Schulwesen des Volkes, dem jene Minister enge-
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