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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Das ist ein Anachronismus; denn Sherbrooke gehörte dem Cabinet an, das für
die Landacte von 1870 verantwortlich ist, welche für die Fälle, wo Pächter
Land unter einem gewissen Werthe innehalten, die Freiheit der Contracte, in
Betreff der Entschädigung für Verbesserungen, die der Pächter vorgenommen,
unbedingt beseitigte. Die sogenannte Hars Ma Il.Apolls ^ot der letzten Session
that für die englischen Pächter, die viel besser als die irischen im Stande sind,
sich zu schützen, das gleiche. Das Statuts Loolc ist voll von Bestimmungen,
durch welche erwachsene Personen gehindert werden, ihrem Interesse durch freien
Abschluß von Verträgen mit Advocaten zu schaden. Weshalb schritt das Parla¬
ment ein, um die englischen Arbeiterinnen außer Stand zu setze", nachtheilige
Contracte einzugehen? Einfach darum, weil sie arm und schwach und ihre
Arbeitgeber reich und stark waren. Warum haben alle europäischen Regierungen,
mit Ausnahme der britischen, Gesetze und Verordnungen zu dem Zwecke erlassen,
die Bauern aus Zeitpächtern in Erbpächter oder etwas dem Aehnliches zu ver¬
wandeln? Eine solche Gesetzgebung war in England nicht nöthig, aber aus
Gründen, die für Irland nicht zutreffen. England hat Fabriken, die sich auf
seiue Kohlen- und Eisenschätze basieren, und diese haben den Handel, die städti¬
sche Bevölkerung und den Nationalreichthum des Landes vermehrt. Große
Städte lenken hier den Ueberschuß der ländlichen Bevölkerung ab, der in Irland
an der heimischen Scholle hängen bleibt, und der Ueberfluß, in welchem die
großen Grundeigentümer Englands leben, läßt sie ihren Pächtern gegenüber
nicht nur billig, sondern äußerst nachsichtig verfahren. Von alledem paßt nichts
auf Irland, wenigstens nicht auf den Westen, wo es weder Mineralien, noch
Fabriken, noch einen bedeutenden Handel giebt. Lord Sherbrooke räth den
Bauern, ein Handwerk zu erlernen, aber wo sollte die Nachfrage nach den Er¬
zeugnissen einer halben Million von Ackersleuteu herkommen, die sich in Weber oder
Eisenarbeiter verwandelt hätten? Man kann ihm Recht geben, wenn er meint,
das Gesetz dürfe nicht in Contracte, die bereits abgeschlossen seien, eingreifen
und wenn er ein solches Verfahren als "revolutionär" bezeichnet. Aber in einem
Gesetze, welches Verträge nicht anerkennt, die der öffentlichen Wohlfahrt zuwider¬
laufen, liegt nichts von Revolution, und ein Statut, welches Miethen und Pach¬
tungen auf kurze Zeit oder solche, die von der Willkür der Gutsherren abhängen,
erschwerte oder ganz unmöglich machte, würde eine Wohlthat für den Ackerbau
und die Gesellschaft Irlands fein.

neuerdings hat ein Herr Bagwell, der bei Tipperary Güter besitzt, sich
über unser Thema geäußert. Er sagt, daß nur wenige irische Grundherren ihre
Pächter aus andern Gründen als Nichtzahlung des Pachtes, Afterpacht und
grobe Vernachlässigung des Bodens austreiben. Er fürchtet, daß die Pächter,
wenn man ihnen Unkündbarkeit ihrer Pachtungen gewähren wollte, sofort zu


Das ist ein Anachronismus; denn Sherbrooke gehörte dem Cabinet an, das für
die Landacte von 1870 verantwortlich ist, welche für die Fälle, wo Pächter
Land unter einem gewissen Werthe innehalten, die Freiheit der Contracte, in
Betreff der Entschädigung für Verbesserungen, die der Pächter vorgenommen,
unbedingt beseitigte. Die sogenannte Hars Ma Il.Apolls ^ot der letzten Session
that für die englischen Pächter, die viel besser als die irischen im Stande sind,
sich zu schützen, das gleiche. Das Statuts Loolc ist voll von Bestimmungen,
durch welche erwachsene Personen gehindert werden, ihrem Interesse durch freien
Abschluß von Verträgen mit Advocaten zu schaden. Weshalb schritt das Parla¬
ment ein, um die englischen Arbeiterinnen außer Stand zu setze», nachtheilige
Contracte einzugehen? Einfach darum, weil sie arm und schwach und ihre
Arbeitgeber reich und stark waren. Warum haben alle europäischen Regierungen,
mit Ausnahme der britischen, Gesetze und Verordnungen zu dem Zwecke erlassen,
die Bauern aus Zeitpächtern in Erbpächter oder etwas dem Aehnliches zu ver¬
wandeln? Eine solche Gesetzgebung war in England nicht nöthig, aber aus
Gründen, die für Irland nicht zutreffen. England hat Fabriken, die sich auf
seiue Kohlen- und Eisenschätze basieren, und diese haben den Handel, die städti¬
sche Bevölkerung und den Nationalreichthum des Landes vermehrt. Große
Städte lenken hier den Ueberschuß der ländlichen Bevölkerung ab, der in Irland
an der heimischen Scholle hängen bleibt, und der Ueberfluß, in welchem die
großen Grundeigentümer Englands leben, läßt sie ihren Pächtern gegenüber
nicht nur billig, sondern äußerst nachsichtig verfahren. Von alledem paßt nichts
auf Irland, wenigstens nicht auf den Westen, wo es weder Mineralien, noch
Fabriken, noch einen bedeutenden Handel giebt. Lord Sherbrooke räth den
Bauern, ein Handwerk zu erlernen, aber wo sollte die Nachfrage nach den Er¬
zeugnissen einer halben Million von Ackersleuteu herkommen, die sich in Weber oder
Eisenarbeiter verwandelt hätten? Man kann ihm Recht geben, wenn er meint,
das Gesetz dürfe nicht in Contracte, die bereits abgeschlossen seien, eingreifen
und wenn er ein solches Verfahren als „revolutionär" bezeichnet. Aber in einem
Gesetze, welches Verträge nicht anerkennt, die der öffentlichen Wohlfahrt zuwider¬
laufen, liegt nichts von Revolution, und ein Statut, welches Miethen und Pach¬
tungen auf kurze Zeit oder solche, die von der Willkür der Gutsherren abhängen,
erschwerte oder ganz unmöglich machte, würde eine Wohlthat für den Ackerbau
und die Gesellschaft Irlands fein.

neuerdings hat ein Herr Bagwell, der bei Tipperary Güter besitzt, sich
über unser Thema geäußert. Er sagt, daß nur wenige irische Grundherren ihre
Pächter aus andern Gründen als Nichtzahlung des Pachtes, Afterpacht und
grobe Vernachlässigung des Bodens austreiben. Er fürchtet, daß die Pächter,
wenn man ihnen Unkündbarkeit ihrer Pachtungen gewähren wollte, sofort zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/298>, abgerufen am 28.12.2024.