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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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welche sich wirklich intensiv anstrengen, wenn sie etwas zu Stande bringen
wollen. Im wesentlichen liefert ihnen Byron, Keats, Goethes "Faust" das
Material und Heine den Modus für ihre poetischen Ragouts. Sie servieren
Gift in goldnen Schaalen und sind die Unverschämtheit in Frack und Goldschnitt.

Einen greifbareren Ausdruck findet die Intsnsit^-Richtung aber auf dem
Gebiete der bildenden Künste. Hier wie dort dieselben Geschmacks - Entglei¬
sungen. Und es ist merkwürdig, daß man oft nicht weiß, welcher Kunst die
Adepten eigentlich angehören, da der ganze Wust des Dilettantismus und
der häuslichen Aesthetik (ÄMtKetics g,r Iwrus) sich zu den Jntensitätsgläubigen
bekennt. Der eine dichtet Balladen, ein andrer malt sie, ein dritter singt sie,
ein vierter schreibt Abhandlungen darüber und hält Vorträge über ihre tiefe
Bedeutung. Manchmal wechseln sie die Rollen. Der Maler wird Dichter, der
Kritiker Sänger; alle zusammen aber bilden sie eine Clique, die man treffend-
Nutugl ^.äluirMoo Kooist,^ genannt hat.

Die Häupter der Clique sind sammt und sonders Studiencommilitonen der
Universität Oxford. Neben Swinburne steht in erster Linie Burne Jones als
Maler. Ihm widmet jener sein Gedicht IMS Vsnsris, worauf dieser dasselbe
zum Gegenstande eines Gemäldes macht und selbst die Kritiken über beide
Kunstproducte schreibt. Er ist ein Schüler Nosettis, der wieder zugleich
als Epiker genannt wird. Beide verhalten sich zu einander wie Botticelli,
welcher neben dem Pinsel auch den Gänsekiel führte, zu Giotto. Auf Ro-
settis Bildern konnte man noch die Geschlechter unterscheiden, auf Burne
Jones' löst sich die Härte der männlichen Anatomie bereits in einer qual¬
ligen Süßlichkeit auf, während die Farbe alle modernen Lasuren benutzt, um
den Beschauer zu hypnotisieren. Ein gewisser Professor Pater in Oriel-Col¬
lege treibt dasselbe Geschäft der Ausgrabung mittelalterlicher und präraphae-
litischer Künste auf dem Boden der Aesthetik, er läßt sich in möglichst
gewundener, beinahe unverständlicher Sprache ausführlich auf alle die dun¬
keln Dinge ein, welche den) Minnecnltus betreffen, und ist der Freund seiner
Freunde. Unter diesen Freunden ragen nicht am wenigsten die Antiquitäten¬
händler hervor. Denn eine Hauffe in allerlei alten Gerümpel und Nach¬
ahmungen mittelalterlicher Muster ist sofort die Folge. Und endlich kommt
ein vierter Oxfordman, der alles ist -- Dichter, Maler, Musiker, Decorateur,
Architekt -- und wohl noch einige Künste nebenbei treibt -- der Bewnnderungs-
genossenschaft zu Hilfe und setzt die Richtung bis auf die Ausstattung des Ora-
nwx-rooms und des Villenbaus fort. Es ist der bekannte König des Geschmacks,
Mr. William Morris, der die Actien der Ano^Is in Form alter barocker
Möbel, Tapeten, Majoliken und bizarrer Kunstgegenstände aller Art auf den
Markt bringt, wie wir solche gegenwärtig auch die neuen Berliner Kunsthand-


welche sich wirklich intensiv anstrengen, wenn sie etwas zu Stande bringen
wollen. Im wesentlichen liefert ihnen Byron, Keats, Goethes „Faust" das
Material und Heine den Modus für ihre poetischen Ragouts. Sie servieren
Gift in goldnen Schaalen und sind die Unverschämtheit in Frack und Goldschnitt.

Einen greifbareren Ausdruck findet die Intsnsit^-Richtung aber auf dem
Gebiete der bildenden Künste. Hier wie dort dieselben Geschmacks - Entglei¬
sungen. Und es ist merkwürdig, daß man oft nicht weiß, welcher Kunst die
Adepten eigentlich angehören, da der ganze Wust des Dilettantismus und
der häuslichen Aesthetik (ÄMtKetics g,r Iwrus) sich zu den Jntensitätsgläubigen
bekennt. Der eine dichtet Balladen, ein andrer malt sie, ein dritter singt sie,
ein vierter schreibt Abhandlungen darüber und hält Vorträge über ihre tiefe
Bedeutung. Manchmal wechseln sie die Rollen. Der Maler wird Dichter, der
Kritiker Sänger; alle zusammen aber bilden sie eine Clique, die man treffend-
Nutugl ^.äluirMoo Kooist,^ genannt hat.

Die Häupter der Clique sind sammt und sonders Studiencommilitonen der
Universität Oxford. Neben Swinburne steht in erster Linie Burne Jones als
Maler. Ihm widmet jener sein Gedicht IMS Vsnsris, worauf dieser dasselbe
zum Gegenstande eines Gemäldes macht und selbst die Kritiken über beide
Kunstproducte schreibt. Er ist ein Schüler Nosettis, der wieder zugleich
als Epiker genannt wird. Beide verhalten sich zu einander wie Botticelli,
welcher neben dem Pinsel auch den Gänsekiel führte, zu Giotto. Auf Ro-
settis Bildern konnte man noch die Geschlechter unterscheiden, auf Burne
Jones' löst sich die Härte der männlichen Anatomie bereits in einer qual¬
ligen Süßlichkeit auf, während die Farbe alle modernen Lasuren benutzt, um
den Beschauer zu hypnotisieren. Ein gewisser Professor Pater in Oriel-Col¬
lege treibt dasselbe Geschäft der Ausgrabung mittelalterlicher und präraphae-
litischer Künste auf dem Boden der Aesthetik, er läßt sich in möglichst
gewundener, beinahe unverständlicher Sprache ausführlich auf alle die dun¬
keln Dinge ein, welche den) Minnecnltus betreffen, und ist der Freund seiner
Freunde. Unter diesen Freunden ragen nicht am wenigsten die Antiquitäten¬
händler hervor. Denn eine Hauffe in allerlei alten Gerümpel und Nach¬
ahmungen mittelalterlicher Muster ist sofort die Folge. Und endlich kommt
ein vierter Oxfordman, der alles ist — Dichter, Maler, Musiker, Decorateur,
Architekt — und wohl noch einige Künste nebenbei treibt — der Bewnnderungs-
genossenschaft zu Hilfe und setzt die Richtung bis auf die Ausstattung des Ora-
nwx-rooms und des Villenbaus fort. Es ist der bekannte König des Geschmacks,
Mr. William Morris, der die Actien der Ano^Is in Form alter barocker
Möbel, Tapeten, Majoliken und bizarrer Kunstgegenstände aller Art auf den
Markt bringt, wie wir solche gegenwärtig auch die neuen Berliner Kunsthand-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/283>, abgerufen am 28.12.2024.