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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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hindrängt, ohne Zweifel auch noch einen andern Zweck. Neben der Landliga
gehen die Homerulerpartei, die Irland von England trennen will, und das
Fenierthum her, ja man darf behaupten, daß letzteres die Liga geschaffen hat.
Ermordungen von Gutsherren fanden in Irland statt, ehe diese Gesellschaft sich
bildete, aber sie waren vereinzelte Verbrechen, die sich auf besondere Bezirke be¬
schränkten und wenig oder gar nicht mit der Politik zusammenhingen. Andrer¬
seits rekrutierten sich die Fenier viel weniger aus der Masse des Landvolkes
als aus den Bewohnern der Städte. Da kamen einige der Führer dieser Secte
auf den Gedanken, den Versuch einer Bekehrung der bäuerlichen Bevölkerung
zum Nationalismus zu machen, und zu diesem Zwecke wurde von Leuten, die
sich früher bei keiner parlamentarischen Agitation betheiligt, die Landfrage aufs
Tapet gebracht. Sie sahen, daß, wenn ein gewisser Grad von Mißvergnügen
über die agrarischen Zustände, der in Mißhandlung und Mord gipfelte, her¬
vorgerufen werden könnte, die Sache der Rebellion und Losreißung von Eng¬
land mächtig gefördert werden würde. Entweder würde sich dann das Parla¬
ment weigern, agrarischen Reformen beizustimmen, und so die aufgeregten und
erhitzten Bauern in die Reihen der Fenier treiben oder durch Gewährung der
von der Liga geforderten Fixierung des Pachtzinses für alle Zeit im Boden eine
irische Erbpächterklasse festwurzeln lassen, welche für diese Wohlthat den Füh¬
rern der Fenier Dank wissen und bei der Abwesenheit der von ihren Gütern
fortgeschreckten Grundherren die Hauptmasse der Bevölkerung bilden würde.

Dieser serische Ursprung der Landliga wird deutlich durch die Thatsache
bewiesen, daß die nationalen, die in Cork und an andern Orten die Versamm¬
lungen der milder gesinnten und auf gesetzlichem Wege verbliebenen Homerulers
störten, sich jetzt Herrn Parnell als nützlichen Verbündeten gefallen lassen. Er
ist der vorangehende Plänkler jenes Heeres. Als er vor kurzem Amerika be¬
suchte, wurde er mit Begeisterung von den Leuten empfangen, welche den soge¬
nannten LKirnüsIiiliA Funä zu Stande gebracht hatten, Geld gesammelt, um
gegen England auf jede Weise verwendet zu werden, "mit Feuer und Schwert,
hauptsächlich mit Feuer," wie der grimmige O'Donovan Rossa in der IrisK
^orta schrieb. Herr Parnell hat immer behauptet, daß die Lösung der Land¬
frage nur ein Schritt zur Trennung sei. Zu Pittston prophezeite er im vorigen
Februar die Entstehung einer Kraft, welche "nicht nur das Lautsystem, sondern
die schändliche Regierung hinwegfegen werde, die dasselbe aufrecht erhält." Zu
Cincinnati sagte er ein paar Tage später: "Ich lebe der Zuversicht, daß wir
das irische Gutsherrensystem beseitigen werden, und wenn wir Irland dem Volke
Irlands gegeben haben werden, werden wir den Grund gelegt haben, auf dem
sich eine irische Nation schaffen läßt. Laßt uns nicht vergessen, daß dies das
letzte Endziel ist, auf das alle Jrländer hinarbeiten. Keiner von uns wird sich


hindrängt, ohne Zweifel auch noch einen andern Zweck. Neben der Landliga
gehen die Homerulerpartei, die Irland von England trennen will, und das
Fenierthum her, ja man darf behaupten, daß letzteres die Liga geschaffen hat.
Ermordungen von Gutsherren fanden in Irland statt, ehe diese Gesellschaft sich
bildete, aber sie waren vereinzelte Verbrechen, die sich auf besondere Bezirke be¬
schränkten und wenig oder gar nicht mit der Politik zusammenhingen. Andrer¬
seits rekrutierten sich die Fenier viel weniger aus der Masse des Landvolkes
als aus den Bewohnern der Städte. Da kamen einige der Führer dieser Secte
auf den Gedanken, den Versuch einer Bekehrung der bäuerlichen Bevölkerung
zum Nationalismus zu machen, und zu diesem Zwecke wurde von Leuten, die
sich früher bei keiner parlamentarischen Agitation betheiligt, die Landfrage aufs
Tapet gebracht. Sie sahen, daß, wenn ein gewisser Grad von Mißvergnügen
über die agrarischen Zustände, der in Mißhandlung und Mord gipfelte, her¬
vorgerufen werden könnte, die Sache der Rebellion und Losreißung von Eng¬
land mächtig gefördert werden würde. Entweder würde sich dann das Parla¬
ment weigern, agrarischen Reformen beizustimmen, und so die aufgeregten und
erhitzten Bauern in die Reihen der Fenier treiben oder durch Gewährung der
von der Liga geforderten Fixierung des Pachtzinses für alle Zeit im Boden eine
irische Erbpächterklasse festwurzeln lassen, welche für diese Wohlthat den Füh¬
rern der Fenier Dank wissen und bei der Abwesenheit der von ihren Gütern
fortgeschreckten Grundherren die Hauptmasse der Bevölkerung bilden würde.

Dieser serische Ursprung der Landliga wird deutlich durch die Thatsache
bewiesen, daß die nationalen, die in Cork und an andern Orten die Versamm¬
lungen der milder gesinnten und auf gesetzlichem Wege verbliebenen Homerulers
störten, sich jetzt Herrn Parnell als nützlichen Verbündeten gefallen lassen. Er
ist der vorangehende Plänkler jenes Heeres. Als er vor kurzem Amerika be¬
suchte, wurde er mit Begeisterung von den Leuten empfangen, welche den soge¬
nannten LKirnüsIiiliA Funä zu Stande gebracht hatten, Geld gesammelt, um
gegen England auf jede Weise verwendet zu werden, „mit Feuer und Schwert,
hauptsächlich mit Feuer," wie der grimmige O'Donovan Rossa in der IrisK
^orta schrieb. Herr Parnell hat immer behauptet, daß die Lösung der Land¬
frage nur ein Schritt zur Trennung sei. Zu Pittston prophezeite er im vorigen
Februar die Entstehung einer Kraft, welche „nicht nur das Lautsystem, sondern
die schändliche Regierung hinwegfegen werde, die dasselbe aufrecht erhält." Zu
Cincinnati sagte er ein paar Tage später: „Ich lebe der Zuversicht, daß wir
das irische Gutsherrensystem beseitigen werden, und wenn wir Irland dem Volke
Irlands gegeben haben werden, werden wir den Grund gelegt haben, auf dem
sich eine irische Nation schaffen läßt. Laßt uns nicht vergessen, daß dies das
letzte Endziel ist, auf das alle Jrländer hinarbeiten. Keiner von uns wird sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/258>, abgerufen am 01.01.2025.