Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.Stellung aufzugeben. Mein Schmied hat Briefe erhalten, die ihn für den Fall, Die Zustände werden im Westen und Süden Irlands mit jeder Woche Stellung aufzugeben. Mein Schmied hat Briefe erhalten, die ihn für den Fall, Die Zustände werden im Westen und Süden Irlands mit jeder Woche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147903"/> <p xml:id="ID_698" prev="#ID_697"> Stellung aufzugeben. Mein Schmied hat Briefe erhalten, die ihn für den Fall,<lb/> daß er weiter für mich thätig wäre, mit dem Tode bedrohen. Ferner ist meiner<lb/> Waschfrau verboten worden, künftig noch für uns zu waschen. Ein Knabe, der<lb/> meine Postbeutel nach dem benachbarten Ballinrvbe und zurücktrug, wurde am<lb/> 27. September geschlagen, bedroht und beauftragt, den Dienst zu kündigen, und<lb/> als ich meine Briefe nun durch meinen kleinen Neffen besorgen ließ, wurde auch<lb/> er auf der Landstraße angehalten und gewarnt, weiter Botengänge für mich zu<lb/> thun. Die Ladenbesitzer haben Drohbriefe bekomme^ die ihnen untersagen, mir<lb/> Waaren zu liefern, und soeben geht mir ein Schreiben von der Posthalterei zu,<lb/> in welchem mir mitgetheilt wird, daß der Austräger des Telegraphenamtes unter¬<lb/> wegs angehalten und für den Fall, daß er Depeschen an mich befördern sollte,<lb/> bedroht worden sei, und daß man es nicht mehr für sicher halte, mir Tele¬<lb/> gramme zu schicken, da dieselben entwendet werden könnten. Meine Farm ist<lb/> öffentliches Eigenthum, die Leute betreten dieselbe ungestraft, meine Ernten<lb/> werden niedergetrampelt, theilweise fortgeschleppt und massenhaft zerstört. Man<lb/> zerschlägt die Schlösser an meinen Feldthoren, reißt Mauern ein und treibt mir<lb/> das Vieh auf die Landstraße hinaus. Man erklärt öffentlich, daß die Landliga<lb/> meinen Ruin beschlossen hat, falls ich nicht alles aufgebe und das Land verlasse."</p><lb/> <p xml:id="ID_699" next="#ID_700"> Die Zustände werden im Westen und Süden Irlands mit jeder Woche<lb/> unerträglicher, und sichtlich wächst die Gefahr, daß auch der besser gesinnte<lb/> Theil der Bevölkerung, verzweifelnd an der Möglichkeit, die Gesetze zur Geltung<lb/> zu bringen, und eingeschüchtert durch die Drohungen der Landliga, sich dieser<lb/> ebenfalls anschließen werde. Die Gutsbesitzer mehrerer Gegenden befinden sich<lb/> in der übelsten Lage. Selbst die wohlwollendsten und mildesten unter ihnen,<lb/> die bisher auf ihren Gütern aushielten, nie auf pünktliche Zahlung der ihnen<lb/> zukommenden Pachtbeträge drangen und jederzeit zu Nachlassen bereit waren,<lb/> fühlen sich ihres Lebeus nicht mehr sicher. In ihrer Verlegenheit versammelten<lb/> sich vor kurzem 105 von ihnen in aller Stille, um dem Vicekönige Lord Cowper<lb/> und dem Staatssecretär für Irland, Herrn Forster eine Darstellung der herr¬<lb/> schenden Zustände zukommen zu lassen und Abhilfe zu erbitten. Sie mußten<lb/> im Geheimen berathen, um nicht nachher im Dunkeln ermordet zu werden, und<lb/> ihr erstes Ersuchen ging dahin, der Vicekönig möge von Veröffentlichung ihrer<lb/> Namen Abstand nehmen, damit sie nicht der Rache der Landliga ausgesetzt<lb/> wären. „Es ist," sagt ihre Vorstellung, „soweit gekommen, daß keiner von uns,<lb/> die wir hier beisammen sind, sicher ist, ob er heute seine Behausung lebendig<lb/> erreichen wird. Mehrere von uns sind längst dem Fehmgerichte verfallen, andre<lb/> haben sich vor dem herumschleichenden Morde nur dadurch wahren können, daß<lb/> sie ihre Schwelle nie ohne Begleitung von Polizeidienern überschritten. Als<lb/> Gutsbesitzer können wir den uns zustehenden Zins nicht mehr einfordern, als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0256]
Stellung aufzugeben. Mein Schmied hat Briefe erhalten, die ihn für den Fall,
daß er weiter für mich thätig wäre, mit dem Tode bedrohen. Ferner ist meiner
Waschfrau verboten worden, künftig noch für uns zu waschen. Ein Knabe, der
meine Postbeutel nach dem benachbarten Ballinrvbe und zurücktrug, wurde am
27. September geschlagen, bedroht und beauftragt, den Dienst zu kündigen, und
als ich meine Briefe nun durch meinen kleinen Neffen besorgen ließ, wurde auch
er auf der Landstraße angehalten und gewarnt, weiter Botengänge für mich zu
thun. Die Ladenbesitzer haben Drohbriefe bekomme^ die ihnen untersagen, mir
Waaren zu liefern, und soeben geht mir ein Schreiben von der Posthalterei zu,
in welchem mir mitgetheilt wird, daß der Austräger des Telegraphenamtes unter¬
wegs angehalten und für den Fall, daß er Depeschen an mich befördern sollte,
bedroht worden sei, und daß man es nicht mehr für sicher halte, mir Tele¬
gramme zu schicken, da dieselben entwendet werden könnten. Meine Farm ist
öffentliches Eigenthum, die Leute betreten dieselbe ungestraft, meine Ernten
werden niedergetrampelt, theilweise fortgeschleppt und massenhaft zerstört. Man
zerschlägt die Schlösser an meinen Feldthoren, reißt Mauern ein und treibt mir
das Vieh auf die Landstraße hinaus. Man erklärt öffentlich, daß die Landliga
meinen Ruin beschlossen hat, falls ich nicht alles aufgebe und das Land verlasse."
Die Zustände werden im Westen und Süden Irlands mit jeder Woche
unerträglicher, und sichtlich wächst die Gefahr, daß auch der besser gesinnte
Theil der Bevölkerung, verzweifelnd an der Möglichkeit, die Gesetze zur Geltung
zu bringen, und eingeschüchtert durch die Drohungen der Landliga, sich dieser
ebenfalls anschließen werde. Die Gutsbesitzer mehrerer Gegenden befinden sich
in der übelsten Lage. Selbst die wohlwollendsten und mildesten unter ihnen,
die bisher auf ihren Gütern aushielten, nie auf pünktliche Zahlung der ihnen
zukommenden Pachtbeträge drangen und jederzeit zu Nachlassen bereit waren,
fühlen sich ihres Lebeus nicht mehr sicher. In ihrer Verlegenheit versammelten
sich vor kurzem 105 von ihnen in aller Stille, um dem Vicekönige Lord Cowper
und dem Staatssecretär für Irland, Herrn Forster eine Darstellung der herr¬
schenden Zustände zukommen zu lassen und Abhilfe zu erbitten. Sie mußten
im Geheimen berathen, um nicht nachher im Dunkeln ermordet zu werden, und
ihr erstes Ersuchen ging dahin, der Vicekönig möge von Veröffentlichung ihrer
Namen Abstand nehmen, damit sie nicht der Rache der Landliga ausgesetzt
wären. „Es ist," sagt ihre Vorstellung, „soweit gekommen, daß keiner von uns,
die wir hier beisammen sind, sicher ist, ob er heute seine Behausung lebendig
erreichen wird. Mehrere von uns sind längst dem Fehmgerichte verfallen, andre
haben sich vor dem herumschleichenden Morde nur dadurch wahren können, daß
sie ihre Schwelle nie ohne Begleitung von Polizeidienern überschritten. Als
Gutsbesitzer können wir den uns zustehenden Zins nicht mehr einfordern, als
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |