Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.Man schoß ihm durch ein Fenster ins Zimmer, in welchem sich außer ihm Man schoß ihm durch ein Fenster ins Zimmer, in welchem sich außer ihm <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0255" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147902"/> <p xml:id="ID_697" prev="#ID_696" next="#ID_698"> Man schoß ihm durch ein Fenster ins Zimmer, in welchem sich außer ihm<lb/> noch sein Bruder und seine Tochter befanden, die Kugel zertrümmerte nur<lb/> ein Weinglas, und der Uebelthäter entwischte. In der Grafschaft Cork<lb/> wurde bald nachher ein ähnliches Verbrechen verübt. Ein gewisser Hut-<lb/> chins, der in der Gegend von Bantry seine Pachtzinsen eingetrieben hatte,<lb/> befand sich auf der Heimfahrt, als plötzlich zwei Schüsse auf ihn abge¬<lb/> feuert wurden, von denen der eine fehlging und der andere den Kut¬<lb/> scher tödtete. Wagt jemand eine Stelle zu pachten, von welcher der frühere<lb/> Inhaber wegen Nichtzahlung seines Pachtgeldes vertrieben worden ist, so ist er<lb/> seines Lebens nicht mehr sicher, jedenfalls sucht ihm die Fehme sofort durch<lb/> Drohungen oder Verruf das Bleiben am betreffenden Orte zu verleiden. In<lb/> Carrick on Suir spielte sich folgende Scene ab. Es sollte eine Farm, deren<lb/> früherer Pächter exmittiert worden, in öffentlicher Versteigerung neu verpachtet<lb/> werden. Der Exmittierte bot erst den siebenten, dann den fünften Theil seines<lb/> bisherigen Zinses, und als dies abgelehnt worden, bot niemand weiter. Der<lb/> Versteigerer drohte, nötigenfalls werde das Gut verkauft werden, aber die<lb/> Menge erwiederte ihm, niemand werde wagen, es in Besitz zu nehmen. In<lb/> Longhrea wurden Placate angeschlagen, auf denen zu lesen war: „Giebt es<lb/> keine Zunge, die den Schandbuben verflucht? Allgemeine Versammlung in<lb/> Riverville, um den Landdieb Murphy Hynes zu brandmarken, welcher die Land¬<lb/> stelle in Besitz genommen hat, von welcher der arme Martin Bermingham ver¬<lb/> jagt worden ist." Die Polizei riß die Zettel ab, während sie aber damit in<lb/> dem einen Theile des Ortes beschäftigt war, wurden die Placate in dem andern<lb/> wieder angeheftet, so daß man schließlich eine Extramannschaft aufbieten mußte.<lb/> Kurz nachher brachen Nachts in das Haus eines Pächters in der Grafschaft<lb/> Mayo, der einem der verhaßten Gutsherren eine Quantität Heu abgekauft hatte,<lb/> welches gepfändet worden war, 15 Vermummte ein und drohten ihm den rothen<lb/> Hahn aufs Dach zu setzen, wenn er das Heu nicht sofort wieder restituierte. Der<lb/> Pächter Boycott bei Ballinrobe, der sich den Haß der Fehme zugezogen, berich¬<lb/> tete der 1lin68 vor einigen Wochen: „Am 22. September flüchtete sich ein von<lb/> 1? Polizisten escortierter Gerichtsdiener (der vermuthlich bei Pfändungen und<lb/> Exmissionen mitgewirkt hatte) nach meinem Hause. Eine heulende Rotte Volks<lb/> folgte ihm auf dem Fuße und empfing meine Familie mit Pfeifen und Johlen.<lb/> Am nächsten Tage versammelten sich Haufen von Leuten auf meinem Gute und<lb/> befahlen meinen Arbeitern und Knechten unter Drohungen ihren Dienst zu ver¬<lb/> lassen und niemals wieder für mich zu arbeiten. Auch mein Hirt hat sich durch<lb/> Furcht verleiten lassen, den Dienst bei mir aufzugeben; er weigert sich jedoch,<lb/> das Haus zu räumen, das ich ihm als Dienstwohnung angewiesen habe. Ein<lb/> andrer Hirt auf einer abgelegneren Farm ist gleichfalls genöthigt worden, seine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0255]
Man schoß ihm durch ein Fenster ins Zimmer, in welchem sich außer ihm
noch sein Bruder und seine Tochter befanden, die Kugel zertrümmerte nur
ein Weinglas, und der Uebelthäter entwischte. In der Grafschaft Cork
wurde bald nachher ein ähnliches Verbrechen verübt. Ein gewisser Hut-
chins, der in der Gegend von Bantry seine Pachtzinsen eingetrieben hatte,
befand sich auf der Heimfahrt, als plötzlich zwei Schüsse auf ihn abge¬
feuert wurden, von denen der eine fehlging und der andere den Kut¬
scher tödtete. Wagt jemand eine Stelle zu pachten, von welcher der frühere
Inhaber wegen Nichtzahlung seines Pachtgeldes vertrieben worden ist, so ist er
seines Lebens nicht mehr sicher, jedenfalls sucht ihm die Fehme sofort durch
Drohungen oder Verruf das Bleiben am betreffenden Orte zu verleiden. In
Carrick on Suir spielte sich folgende Scene ab. Es sollte eine Farm, deren
früherer Pächter exmittiert worden, in öffentlicher Versteigerung neu verpachtet
werden. Der Exmittierte bot erst den siebenten, dann den fünften Theil seines
bisherigen Zinses, und als dies abgelehnt worden, bot niemand weiter. Der
Versteigerer drohte, nötigenfalls werde das Gut verkauft werden, aber die
Menge erwiederte ihm, niemand werde wagen, es in Besitz zu nehmen. In
Longhrea wurden Placate angeschlagen, auf denen zu lesen war: „Giebt es
keine Zunge, die den Schandbuben verflucht? Allgemeine Versammlung in
Riverville, um den Landdieb Murphy Hynes zu brandmarken, welcher die Land¬
stelle in Besitz genommen hat, von welcher der arme Martin Bermingham ver¬
jagt worden ist." Die Polizei riß die Zettel ab, während sie aber damit in
dem einen Theile des Ortes beschäftigt war, wurden die Placate in dem andern
wieder angeheftet, so daß man schließlich eine Extramannschaft aufbieten mußte.
Kurz nachher brachen Nachts in das Haus eines Pächters in der Grafschaft
Mayo, der einem der verhaßten Gutsherren eine Quantität Heu abgekauft hatte,
welches gepfändet worden war, 15 Vermummte ein und drohten ihm den rothen
Hahn aufs Dach zu setzen, wenn er das Heu nicht sofort wieder restituierte. Der
Pächter Boycott bei Ballinrobe, der sich den Haß der Fehme zugezogen, berich¬
tete der 1lin68 vor einigen Wochen: „Am 22. September flüchtete sich ein von
1? Polizisten escortierter Gerichtsdiener (der vermuthlich bei Pfändungen und
Exmissionen mitgewirkt hatte) nach meinem Hause. Eine heulende Rotte Volks
folgte ihm auf dem Fuße und empfing meine Familie mit Pfeifen und Johlen.
Am nächsten Tage versammelten sich Haufen von Leuten auf meinem Gute und
befahlen meinen Arbeitern und Knechten unter Drohungen ihren Dienst zu ver¬
lassen und niemals wieder für mich zu arbeiten. Auch mein Hirt hat sich durch
Furcht verleiten lassen, den Dienst bei mir aufzugeben; er weigert sich jedoch,
das Haus zu räumen, das ich ihm als Dienstwohnung angewiesen habe. Ein
andrer Hirt auf einer abgelegneren Farm ist gleichfalls genöthigt worden, seine
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