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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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sichtslos breit anfangen zu wollen, wie Frans Hals geendet hatte. Der
Versuch mußte natürlich mißlingen. Die jungen Leute vergaßen, daß nur, wer
die Formen so beherrscht, wie Frans Hals es in seinen ältern Bildern zeigt,
auch wagen konnte, mit wenigen, hingeworfenen, aber eben ganz an die richtige
Stelle hingeworfenen Pinselstrichen den gleichen Eindruck der Wahrheit zu
erzielen.

Was das Haarlemer Museum von den übrigen einheimischen Meistern und
insbesondere von der großen Haarlemer Landschaftsfchule besitzt, ist verhältni߬
mäßig wenig. Wir sehnten uns, draußen an den Haarlemer Dünen die Urbilder
so manches köstlichen Gemäldes von Jac. Ruysdael, Jan van der Meer van
Haarlem und den andern aufzusuchen. Beim sonnigsten Wetter fuhren wir in
leichtem offnen Wagen über Blvemendael nach Brederode. Die von ihrem
Graben umgebene rothe Backsteinruine des alten Schlosses liegt gerade so male¬
risch und romantisch zwischen den dunkelgrünen Bäumen vor dem weißen Dünen-
Hintergrunde da, wie Ruysdael sie gemalt hat. Natürlich bestiegen wir auch
die "blaue Treppe", den höchsten der benachbarten Dünenhügel. Nirgends ist
die Dünenkette so breit wie hier. Das Meer ist gar nicht sichtbar. One
weiße, hügelige Wüste Sahara dehnt sich zwischen uns und dem Strande; und
auch die Thürme Haarlems liegen, von hier aus gesehen, zu weit entfernt, um
sich mit dem weiten, dann- und walddurchwachsenen Weidelande zu einem male¬
rischen Bilde zu vereinigen. Die Dünen, von denen aus Ruysdael und Jan
van der Meer van Haarlem den Blick nach der Landseite gemalt haben, liegen
näher an der Stadt. Ruysdaels berühmte "Bleiche" in? Haager Museum z. B.
ist von den Dünen bei Overveen aus gemalt. Wir nahmen daher den Rück¬
weg über Overveen. Die Gegend hat sich hier allerdings verändert. Das
buschige Terrain hart am Dünenhange hat sich in eine üppige Park- und Villen¬
landschaft verwandelt. Lusthain grenzt an Lusthain, Blumengarten an Blumen¬
garten, und die weißen Landhäuser glänzen blitzblank zwischen den dunklen
Baumwipfeln. Aber der Gesammtcharakter der Gegend ist unverändert. Etwas
landeinwärts sind selbst die Bleichen noch vorhanden; und Haarlem präsentiert
sich in ziemlich nahem sonnigen Hintergrunde genau so wie auf dem Haager
Bilde Ruysdaels.

Amsterdam, den 8. September 1878. Auch in Amsterdam habe ich mich, von
frühern Besuchen abgesehen, bereits vor einigen Monaten eine Woche aufgehalten, um
meine Anmerkungen über die alten Landschaftsbilder seiner köstlichen öffentlichen
und privaten Sammlungen zu machen. Jetzt berühren wir die größte Stadt
Hollands nur flüchtig auf der Durchreise. Aber wer könnte Amsterdam be¬
rühren, ohne sich hier wenigstens einen oder zwei Tage aufzuhalten! Wohnen
möchte ich in der Philisterstadt nicht, um keinen Preis. Aber noch oft in meinem


sichtslos breit anfangen zu wollen, wie Frans Hals geendet hatte. Der
Versuch mußte natürlich mißlingen. Die jungen Leute vergaßen, daß nur, wer
die Formen so beherrscht, wie Frans Hals es in seinen ältern Bildern zeigt,
auch wagen konnte, mit wenigen, hingeworfenen, aber eben ganz an die richtige
Stelle hingeworfenen Pinselstrichen den gleichen Eindruck der Wahrheit zu
erzielen.

Was das Haarlemer Museum von den übrigen einheimischen Meistern und
insbesondere von der großen Haarlemer Landschaftsfchule besitzt, ist verhältni߬
mäßig wenig. Wir sehnten uns, draußen an den Haarlemer Dünen die Urbilder
so manches köstlichen Gemäldes von Jac. Ruysdael, Jan van der Meer van
Haarlem und den andern aufzusuchen. Beim sonnigsten Wetter fuhren wir in
leichtem offnen Wagen über Blvemendael nach Brederode. Die von ihrem
Graben umgebene rothe Backsteinruine des alten Schlosses liegt gerade so male¬
risch und romantisch zwischen den dunkelgrünen Bäumen vor dem weißen Dünen-
Hintergrunde da, wie Ruysdael sie gemalt hat. Natürlich bestiegen wir auch
die „blaue Treppe", den höchsten der benachbarten Dünenhügel. Nirgends ist
die Dünenkette so breit wie hier. Das Meer ist gar nicht sichtbar. One
weiße, hügelige Wüste Sahara dehnt sich zwischen uns und dem Strande; und
auch die Thürme Haarlems liegen, von hier aus gesehen, zu weit entfernt, um
sich mit dem weiten, dann- und walddurchwachsenen Weidelande zu einem male¬
rischen Bilde zu vereinigen. Die Dünen, von denen aus Ruysdael und Jan
van der Meer van Haarlem den Blick nach der Landseite gemalt haben, liegen
näher an der Stadt. Ruysdaels berühmte „Bleiche" in? Haager Museum z. B.
ist von den Dünen bei Overveen aus gemalt. Wir nahmen daher den Rück¬
weg über Overveen. Die Gegend hat sich hier allerdings verändert. Das
buschige Terrain hart am Dünenhange hat sich in eine üppige Park- und Villen¬
landschaft verwandelt. Lusthain grenzt an Lusthain, Blumengarten an Blumen¬
garten, und die weißen Landhäuser glänzen blitzblank zwischen den dunklen
Baumwipfeln. Aber der Gesammtcharakter der Gegend ist unverändert. Etwas
landeinwärts sind selbst die Bleichen noch vorhanden; und Haarlem präsentiert
sich in ziemlich nahem sonnigen Hintergrunde genau so wie auf dem Haager
Bilde Ruysdaels.

Amsterdam, den 8. September 1878. Auch in Amsterdam habe ich mich, von
frühern Besuchen abgesehen, bereits vor einigen Monaten eine Woche aufgehalten, um
meine Anmerkungen über die alten Landschaftsbilder seiner köstlichen öffentlichen
und privaten Sammlungen zu machen. Jetzt berühren wir die größte Stadt
Hollands nur flüchtig auf der Durchreise. Aber wer könnte Amsterdam be¬
rühren, ohne sich hier wenigstens einen oder zwei Tage aufzuhalten! Wohnen
möchte ich in der Philisterstadt nicht, um keinen Preis. Aber noch oft in meinem


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[0238] sichtslos breit anfangen zu wollen, wie Frans Hals geendet hatte. Der Versuch mußte natürlich mißlingen. Die jungen Leute vergaßen, daß nur, wer die Formen so beherrscht, wie Frans Hals es in seinen ältern Bildern zeigt, auch wagen konnte, mit wenigen, hingeworfenen, aber eben ganz an die richtige Stelle hingeworfenen Pinselstrichen den gleichen Eindruck der Wahrheit zu erzielen. Was das Haarlemer Museum von den übrigen einheimischen Meistern und insbesondere von der großen Haarlemer Landschaftsfchule besitzt, ist verhältni߬ mäßig wenig. Wir sehnten uns, draußen an den Haarlemer Dünen die Urbilder so manches köstlichen Gemäldes von Jac. Ruysdael, Jan van der Meer van Haarlem und den andern aufzusuchen. Beim sonnigsten Wetter fuhren wir in leichtem offnen Wagen über Blvemendael nach Brederode. Die von ihrem Graben umgebene rothe Backsteinruine des alten Schlosses liegt gerade so male¬ risch und romantisch zwischen den dunkelgrünen Bäumen vor dem weißen Dünen- Hintergrunde da, wie Ruysdael sie gemalt hat. Natürlich bestiegen wir auch die „blaue Treppe", den höchsten der benachbarten Dünenhügel. Nirgends ist die Dünenkette so breit wie hier. Das Meer ist gar nicht sichtbar. One weiße, hügelige Wüste Sahara dehnt sich zwischen uns und dem Strande; und auch die Thürme Haarlems liegen, von hier aus gesehen, zu weit entfernt, um sich mit dem weiten, dann- und walddurchwachsenen Weidelande zu einem male¬ rischen Bilde zu vereinigen. Die Dünen, von denen aus Ruysdael und Jan van der Meer van Haarlem den Blick nach der Landseite gemalt haben, liegen näher an der Stadt. Ruysdaels berühmte „Bleiche" in? Haager Museum z. B. ist von den Dünen bei Overveen aus gemalt. Wir nahmen daher den Rück¬ weg über Overveen. Die Gegend hat sich hier allerdings verändert. Das buschige Terrain hart am Dünenhange hat sich in eine üppige Park- und Villen¬ landschaft verwandelt. Lusthain grenzt an Lusthain, Blumengarten an Blumen¬ garten, und die weißen Landhäuser glänzen blitzblank zwischen den dunklen Baumwipfeln. Aber der Gesammtcharakter der Gegend ist unverändert. Etwas landeinwärts sind selbst die Bleichen noch vorhanden; und Haarlem präsentiert sich in ziemlich nahem sonnigen Hintergrunde genau so wie auf dem Haager Bilde Ruysdaels. Amsterdam, den 8. September 1878. Auch in Amsterdam habe ich mich, von frühern Besuchen abgesehen, bereits vor einigen Monaten eine Woche aufgehalten, um meine Anmerkungen über die alten Landschaftsbilder seiner köstlichen öffentlichen und privaten Sammlungen zu machen. Jetzt berühren wir die größte Stadt Hollands nur flüchtig auf der Durchreise. Aber wer könnte Amsterdam be¬ rühren, ohne sich hier wenigstens einen oder zwei Tage aufzuhalten! Wohnen möchte ich in der Philisterstadt nicht, um keinen Preis. Aber noch oft in meinem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/238>, abgerufen am 28.12.2024.