Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.Stellung, das Geld, so unentreißbar in der Hand halten, diese Macht, welche Man sagt: Wäre der Bauer nur schlau genug, er würde gern ebenso lügen Stellung, das Geld, so unentreißbar in der Hand halten, diese Macht, welche Man sagt: Wäre der Bauer nur schlau genug, er würde gern ebenso lügen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147866"/> <p xml:id="ID_606" prev="#ID_605"> Stellung, das Geld, so unentreißbar in der Hand halten, diese Macht, welche<lb/> sein Rationalismus so vortrefflich für seine Interessen zu verwerthell weiß. So<lb/> kräftig entwickelt beim hiesigen Juden gewisse sittliche Eigenschaften sind, nümlich<lb/> Familiensinn, Religiosität, nationaler Gemeinsinn und Zusammenhang, so gern<lb/> ich meinen Leibjuden habe und ihm Vertrauen schenke und er mir vertraut und<lb/> an mir hängt, so gern wir uns helfen, wenn einer von uns „versorgt" ist, wie<lb/> mein Behrel sagt — d. h. sorgenvoll —, so fest meine Juden zu mir und zu<lb/> dem Orte halten, auf dem sie seit lange sitzen: die Grenze des Vertrauens und<lb/> der Ehrenhaftigkeit und der Moral bleibt doch immer die Greuze des Wohler¬<lb/> gehens, so bescheiden die Ansprüche an das Wohlbefinden nun auch sein mögen.<lb/> Das Wesen der Moral in dieser Richtung bildet nicht das „moralisch handeln",<lb/> nicht das „nicht unmoralisch handeln", sondern das „nicht unmoralisch handeln<lb/> können." Der ist in diesem Sinne moralisch, welcher nicht betrügen kann,<lb/> weil seine Natur, sein angeborner Charakter ihn daran hindert, oder mit den'<lb/> Worten der alten Scholastik: im esss, nicht im oxm^ri liegt der dauernde<lb/> Charakter des Menschen. Und so werth mir mein Behrel oder Elje ist, sie<lb/> könnten mich doch betrügen, verrathen, belügen, wenn ich ihnen für; die Zu¬<lb/> kunft nichts mehr zu bieten vermöchte und sie in schlechte Geschäfte geriethen.<lb/> Sie sind dankbar, sie werden mir, geht es ihnen wohl, ihre Dankbarkeit mit<lb/> Thaten bezeugen; würden sie reich und ich wäre ohne Obdach, so wäre ich sicher,<lb/> von ihnen vielfältig das zurückzuerhalten was sie in meinem Dienst erwarben,<lb/> wenn ich sie darum anginge. Aber würden sie arm und ich reich, so würden<lb/> sie mich betrügen, ja ein großer Gewinn könnte sie auch heute verlocken, ihre<lb/> ganze sittliche Anhänglichkeit an mich zu opfern. Denn auch sie sind durch und<lb/> durch modernste Rationalisten und destillierte Talmudisten wie<lb/> sie alle; was beides dasselbe sagt. Doch hiervon später.</p><lb/> <p xml:id="ID_607" next="#ID_608"> Man sagt: Wäre der Bauer nur schlau genug, er würde gern ebenso lügen<lb/> und betrügen wie der Jude. Vielleicht; aber eben weil er minder klug ist, weil<lb/> ihm die Urtheilsfähigkeit des Juden abgeht, weil er geistig zuunterst im Volke<lb/> steht, deshalb muß ich das sittliche Maß, mit dem ich ihn messe, anders stellen<lb/> als beim Juden. Der sittliche Charakter einer Volksklasse ist nicht mit abso¬<lb/> lutem, sondern mit relativem Maße zu messen. Und ebenso steht der Begriff<lb/> der bürgerlichen Ehrenhaftigkeit bei dem einen Volke höher als beim andern, wird<lb/> dieser Begriff bei einem Volke heute ein andrer sein als morgen. Der Hallunke<lb/> von heute mag bei unsern Vorältern des 17. Jahrhunderts noch für einen ganz<lb/> ehrsamen Kerl gegolten haben. Es kommt sehr wesentlich darauf an, was in ge¬<lb/> gebener Zeit von der allgemeinen Volksmeinung für bürgerlich ehrenhaft gehalten<lb/> wird. Eine Volksklasse, die dieser sittlichen Meinung, dem moralischen Charakter<lb/> des Volkes widerspricht, wird für unsittlich gelten, und zwar mit vollem Recht.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0219]
Stellung, das Geld, so unentreißbar in der Hand halten, diese Macht, welche
sein Rationalismus so vortrefflich für seine Interessen zu verwerthell weiß. So
kräftig entwickelt beim hiesigen Juden gewisse sittliche Eigenschaften sind, nümlich
Familiensinn, Religiosität, nationaler Gemeinsinn und Zusammenhang, so gern
ich meinen Leibjuden habe und ihm Vertrauen schenke und er mir vertraut und
an mir hängt, so gern wir uns helfen, wenn einer von uns „versorgt" ist, wie
mein Behrel sagt — d. h. sorgenvoll —, so fest meine Juden zu mir und zu
dem Orte halten, auf dem sie seit lange sitzen: die Grenze des Vertrauens und
der Ehrenhaftigkeit und der Moral bleibt doch immer die Greuze des Wohler¬
gehens, so bescheiden die Ansprüche an das Wohlbefinden nun auch sein mögen.
Das Wesen der Moral in dieser Richtung bildet nicht das „moralisch handeln",
nicht das „nicht unmoralisch handeln", sondern das „nicht unmoralisch handeln
können." Der ist in diesem Sinne moralisch, welcher nicht betrügen kann,
weil seine Natur, sein angeborner Charakter ihn daran hindert, oder mit den'
Worten der alten Scholastik: im esss, nicht im oxm^ri liegt der dauernde
Charakter des Menschen. Und so werth mir mein Behrel oder Elje ist, sie
könnten mich doch betrügen, verrathen, belügen, wenn ich ihnen für; die Zu¬
kunft nichts mehr zu bieten vermöchte und sie in schlechte Geschäfte geriethen.
Sie sind dankbar, sie werden mir, geht es ihnen wohl, ihre Dankbarkeit mit
Thaten bezeugen; würden sie reich und ich wäre ohne Obdach, so wäre ich sicher,
von ihnen vielfältig das zurückzuerhalten was sie in meinem Dienst erwarben,
wenn ich sie darum anginge. Aber würden sie arm und ich reich, so würden
sie mich betrügen, ja ein großer Gewinn könnte sie auch heute verlocken, ihre
ganze sittliche Anhänglichkeit an mich zu opfern. Denn auch sie sind durch und
durch modernste Rationalisten und destillierte Talmudisten wie
sie alle; was beides dasselbe sagt. Doch hiervon später.
Man sagt: Wäre der Bauer nur schlau genug, er würde gern ebenso lügen
und betrügen wie der Jude. Vielleicht; aber eben weil er minder klug ist, weil
ihm die Urtheilsfähigkeit des Juden abgeht, weil er geistig zuunterst im Volke
steht, deshalb muß ich das sittliche Maß, mit dem ich ihn messe, anders stellen
als beim Juden. Der sittliche Charakter einer Volksklasse ist nicht mit abso¬
lutem, sondern mit relativem Maße zu messen. Und ebenso steht der Begriff
der bürgerlichen Ehrenhaftigkeit bei dem einen Volke höher als beim andern, wird
dieser Begriff bei einem Volke heute ein andrer sein als morgen. Der Hallunke
von heute mag bei unsern Vorältern des 17. Jahrhunderts noch für einen ganz
ehrsamen Kerl gegolten haben. Es kommt sehr wesentlich darauf an, was in ge¬
gebener Zeit von der allgemeinen Volksmeinung für bürgerlich ehrenhaft gehalten
wird. Eine Volksklasse, die dieser sittlichen Meinung, dem moralischen Charakter
des Volkes widerspricht, wird für unsittlich gelten, und zwar mit vollem Recht.
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