Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.den jungen Kukuck auf Kosten der eignen Brut mästen, weil unsre Vorältern un¬ Beides steht in engster Wechselwirkung zu einander: Hätte der polnische den jungen Kukuck auf Kosten der eignen Brut mästen, weil unsre Vorältern un¬ Beides steht in engster Wechselwirkung zu einander: Hätte der polnische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147865"/> <p xml:id="ID_604" prev="#ID_603"> den jungen Kukuck auf Kosten der eignen Brut mästen, weil unsre Vorältern un¬<lb/> vorsichtig genug waren, das El ins Nest zu nehmen und dem Jungen allerlei Un¬<lb/> arten anzuerziehen? Wo der Jude seinen Rassencharakter verliert, da ist er<lb/> eben nicht mehr das, was wir unter Juden verstehen. Wo er sich aber so rein<lb/> erhält wie hier in den Brutstätten des ärmsten, blutechtesten und hungrigsten Juden-<lb/> thums, da bleibt er als Theil der Bevölkerung immer eine Plage. Denn ihm fehlt<lb/> die eine so unersetzlich bedungsvolle Triebfeder des menschlich-staatsbürgerlichen<lb/> Charakters: die bürgerliche Moral und die bürgerliche Ehre. . . . .<lb/> Ich weiß wohl, daß es ein schwerer Vorwurf ist, den ich da ausspreche; aber<lb/> was hülfe das Verschweigen? Es ist die Ueberzeugung, die Empfindung von<lb/> Tausenden, welche die Verhältnisse kennen. Daß diese Moral und Ehre schwer<lb/> sich entwickeln konnten unter einer Zucht, wie diejenige der polnischen Pane es<lb/> war, leugnet niemand. Aber wir stehen da nur wieder an der unglücklichen<lb/> Stelle: Soll ich für die Sünden der Pane vom 14. bis 19. Jahrhundert heute<lb/> und fortan büßen? Soll ich nun den Morallehrer des Juden machen? Wes¬<lb/> halb? Ich fühle dazu keinen Beruf in mir, vielleicht nicht einmal die Fähig¬<lb/> keit, die Möglichkeit. Und vorläufig ist hierzulande der Jude vielmehr der<lb/> Moral- oder richtiger Unmorallehrer des größten Theils der Bevölkerung.<lb/> Denn er ist die bedeutendste geistige Cnpaeität und hat daher einen sehr bedeutenden<lb/> Einfluß, der vergiftet wird durch jenen ethischen Mangel. Wo der Jude in<lb/> größerer Menge auftritt, bildet er die geistige Aristokratie und<lb/> das sittliche Proletariat. Das ist eine Beobachtung, welche ich nicht<lb/> abweisen kann, eine Erfahrung, die nicht blos aus der Anschauung der hie¬<lb/> sigen polnischen Verhältnisse erwächst, sondern auch übereinstimmt mit der jü¬<lb/> dischen Vergangenheit. Denn wo die Juden verbrannt oder verbannt wurden,<lb/> da waren sie doch meist nicht blos die Besitzer vieler materiellen Reichthümer<lb/> des Volkes, sondern standen dem Volke, in dessen Ghettos sie lebten, nicht nach<lb/> an praktischem Wissen und wenn auch einseitig entwickeltem Geist. Ncithcm ist<lb/> mindestens ein eben solcher Aristokrat an Geist als irgend ein Kreuzritter. Und<lb/> wenn Lessing den Nathan auch zum sittlichen Aristokraten machte, so dachte der<lb/> realistische Beobachter des Mittelalters Shakespeare anders: Shylock ist der rich¬<lb/> tige jüdische Proletarier der Ethik. Indessen enthalte ich mich hier weiteren Ge-<lb/> neralisierens.</p><lb/> <p xml:id="ID_605" next="#ID_606"> Beides steht in engster Wechselwirkung zu einander: Hätte der polnische<lb/> Jude nicht diese geistige, rationelle Ueberlegenheit, wäre er nicht ein geborner<lb/> Rationalist, so könnte er gar nicht so sehr der moralischen Schranken entbehren,<lb/> ohne sofort seinen Einfluß zu verlieren. Ein dummer Jude — etwas höchst<lb/> Seltenes — ist das haltloseste, hilfsbedürftigste Geschöpf. Und ohne den sitt¬<lb/> lichen Mangel wiederum würde der Jude schwerlich die starke Stütze seiner Welt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
den jungen Kukuck auf Kosten der eignen Brut mästen, weil unsre Vorältern un¬
vorsichtig genug waren, das El ins Nest zu nehmen und dem Jungen allerlei Un¬
arten anzuerziehen? Wo der Jude seinen Rassencharakter verliert, da ist er
eben nicht mehr das, was wir unter Juden verstehen. Wo er sich aber so rein
erhält wie hier in den Brutstätten des ärmsten, blutechtesten und hungrigsten Juden-
thums, da bleibt er als Theil der Bevölkerung immer eine Plage. Denn ihm fehlt
die eine so unersetzlich bedungsvolle Triebfeder des menschlich-staatsbürgerlichen
Charakters: die bürgerliche Moral und die bürgerliche Ehre. . . . .
Ich weiß wohl, daß es ein schwerer Vorwurf ist, den ich da ausspreche; aber
was hülfe das Verschweigen? Es ist die Ueberzeugung, die Empfindung von
Tausenden, welche die Verhältnisse kennen. Daß diese Moral und Ehre schwer
sich entwickeln konnten unter einer Zucht, wie diejenige der polnischen Pane es
war, leugnet niemand. Aber wir stehen da nur wieder an der unglücklichen
Stelle: Soll ich für die Sünden der Pane vom 14. bis 19. Jahrhundert heute
und fortan büßen? Soll ich nun den Morallehrer des Juden machen? Wes¬
halb? Ich fühle dazu keinen Beruf in mir, vielleicht nicht einmal die Fähig¬
keit, die Möglichkeit. Und vorläufig ist hierzulande der Jude vielmehr der
Moral- oder richtiger Unmorallehrer des größten Theils der Bevölkerung.
Denn er ist die bedeutendste geistige Cnpaeität und hat daher einen sehr bedeutenden
Einfluß, der vergiftet wird durch jenen ethischen Mangel. Wo der Jude in
größerer Menge auftritt, bildet er die geistige Aristokratie und
das sittliche Proletariat. Das ist eine Beobachtung, welche ich nicht
abweisen kann, eine Erfahrung, die nicht blos aus der Anschauung der hie¬
sigen polnischen Verhältnisse erwächst, sondern auch übereinstimmt mit der jü¬
dischen Vergangenheit. Denn wo die Juden verbrannt oder verbannt wurden,
da waren sie doch meist nicht blos die Besitzer vieler materiellen Reichthümer
des Volkes, sondern standen dem Volke, in dessen Ghettos sie lebten, nicht nach
an praktischem Wissen und wenn auch einseitig entwickeltem Geist. Ncithcm ist
mindestens ein eben solcher Aristokrat an Geist als irgend ein Kreuzritter. Und
wenn Lessing den Nathan auch zum sittlichen Aristokraten machte, so dachte der
realistische Beobachter des Mittelalters Shakespeare anders: Shylock ist der rich¬
tige jüdische Proletarier der Ethik. Indessen enthalte ich mich hier weiteren Ge-
neralisierens.
Beides steht in engster Wechselwirkung zu einander: Hätte der polnische
Jude nicht diese geistige, rationelle Ueberlegenheit, wäre er nicht ein geborner
Rationalist, so könnte er gar nicht so sehr der moralischen Schranken entbehren,
ohne sofort seinen Einfluß zu verlieren. Ein dummer Jude — etwas höchst
Seltenes — ist das haltloseste, hilfsbedürftigste Geschöpf. Und ohne den sitt¬
lichen Mangel wiederum würde der Jude schwerlich die starke Stütze seiner Welt-
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