Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.Auch hat die Mißstimmung, die in Folge des Auftretens Frankreichs in Tunis Das ist eine sehr tapfere Sprache, aber das Blatt, das sie führt, ist nur Auch hat die Mißstimmung, die in Folge des Auftretens Frankreichs in Tunis Das ist eine sehr tapfere Sprache, aber das Blatt, das sie führt, ist nur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147823"/> <p xml:id="ID_502" prev="#ID_501"> Auch hat die Mißstimmung, die in Folge des Auftretens Frankreichs in Tunis<lb/> unter den Italienern Platz gegriffen hat, in jüngster Zeit Fortschritte gemacht,<lb/> und die lädvrtg,, ein angesehenes conservatives Blatt, sprach sich darüber vor<lb/> kurzem in ebenso erbitterter als entschlossener Weise ans. „Wir müssen uns<lb/> klar machen," sagte sie, „daß in Tunis eine neue Frage eröffnet ist, und daß<lb/> Frankreich auf unfreundliche Lösung derselben ausgeht. Wir wollten in Tunis<lb/> keinen Vorrang, nur den Einfluß, welcher der Zahl unserer dortigen Colonisten<lb/> entspricht. Wer hat uns den Weg dazu versperrt? Frankreich. Wer will dort<lb/> allein gebieten? Dasselbe Frankreich. Zurücktreten können wir nicht. Zugehen,<lb/> daß Frankreich eine Position wie Bizerta einnehme, die der offenen Küste Sici-<lb/> liens gegenüber eine furchtbare Drohung für uns ist, können wir auch nicht.<lb/> Hintern müssen wir es, und da wir es nicht in Tunis selbst mit den Mitteln<lb/> friedlicher Verhandlungen hintertreiben können, so müssen wir uns darauf vor¬<lb/> bereiten, es in Europa und mit den Waffen zu hindern."</p><lb/> <p xml:id="ID_503" next="#ID_504"> Das ist eine sehr tapfere Sprache, aber das Blatt, das sie führt, ist nur<lb/> eine Stimme. Zwar nehmen auch die Moderati Theil an dem Unmuthe gegen<lb/> Frankreich, aber doch mit weit weniger Hitze. Die Liberalen find noch kühler,<lb/> und die Radicalen und Jrredentisten stehen ganz auf der Seite der Franzosen.<lb/> Sie wundern sich, daß man Feindschaft gegen Frankreich predige, während man<lb/> von Feindschaft gegen Oesterreich nichts wissen wolle; hier sei der wahre Gegner,<lb/> und Trient sei wichtiger als Tunis. Die OxinionL aber, das Organ der Ex¬<lb/> minister Sella und Minghetti, ließ sich über den oben erwähnten römischen<lb/> Brief des Wiener Blattes u. a, in folgender Weise vernehmen: „Die Rechte<lb/> wie die Linke erkannten in den letzten parlamentarischen Debatten einmüthig an,<lb/> daß die Italien allein zusagende auswärtige Politik dieselbe ist, welche von<lb/> 1870 bis 1876 sich als gut erprobte, die Politik nämlich der aufrichtigen Freund¬<lb/> schaft mit allen Mächten, die in keiner Beziehung unsere Aetionsfreiheit gegen¬<lb/> über zukünftigen Ereignissen bindet. Das Ministerium nahm diese Empfehlung<lb/> an und versprach, sich dieselbe als auch seine Meinung ausdrückend zur Richt¬<lb/> schnur dienen zu lassen. Was ist nun geschehen, das uns bewegen könnte, jenen<lb/> Weg zu verlassen und einer Gruppe von Mächten eher beizutreten als einer<lb/> andern? Ist es richtig, wenn man sagt, unsere Controversen mit Frankreich<lb/> in Betreff der tunesischen Angelegenheit trieben uns unerbittlich in die Arme<lb/> Oesterreichs und Deutschlands? Wir sind Freunde Oesterreichs und Deutsch¬<lb/> lands und wollen das bleiben; aber unsere Freundschaft hat ihre Ursache nicht<lb/> im Unmuth gegen andere Mächte. Frankreich hat in seiner Politik uns gegen¬<lb/> über gefehlt, der Zwischenfall in Tunis ist verdrießlich, und wir haben nicht<lb/> bloß einen, sondern tausend Gründe, unsere dortigen Interessen zu vertheidigen.<lb/> Aber folgt denn daraus, daß wir auf die Freiheit der Wahl am Tage des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0176]
Auch hat die Mißstimmung, die in Folge des Auftretens Frankreichs in Tunis
unter den Italienern Platz gegriffen hat, in jüngster Zeit Fortschritte gemacht,
und die lädvrtg,, ein angesehenes conservatives Blatt, sprach sich darüber vor
kurzem in ebenso erbitterter als entschlossener Weise ans. „Wir müssen uns
klar machen," sagte sie, „daß in Tunis eine neue Frage eröffnet ist, und daß
Frankreich auf unfreundliche Lösung derselben ausgeht. Wir wollten in Tunis
keinen Vorrang, nur den Einfluß, welcher der Zahl unserer dortigen Colonisten
entspricht. Wer hat uns den Weg dazu versperrt? Frankreich. Wer will dort
allein gebieten? Dasselbe Frankreich. Zurücktreten können wir nicht. Zugehen,
daß Frankreich eine Position wie Bizerta einnehme, die der offenen Küste Sici-
liens gegenüber eine furchtbare Drohung für uns ist, können wir auch nicht.
Hintern müssen wir es, und da wir es nicht in Tunis selbst mit den Mitteln
friedlicher Verhandlungen hintertreiben können, so müssen wir uns darauf vor¬
bereiten, es in Europa und mit den Waffen zu hindern."
Das ist eine sehr tapfere Sprache, aber das Blatt, das sie führt, ist nur
eine Stimme. Zwar nehmen auch die Moderati Theil an dem Unmuthe gegen
Frankreich, aber doch mit weit weniger Hitze. Die Liberalen find noch kühler,
und die Radicalen und Jrredentisten stehen ganz auf der Seite der Franzosen.
Sie wundern sich, daß man Feindschaft gegen Frankreich predige, während man
von Feindschaft gegen Oesterreich nichts wissen wolle; hier sei der wahre Gegner,
und Trient sei wichtiger als Tunis. Die OxinionL aber, das Organ der Ex¬
minister Sella und Minghetti, ließ sich über den oben erwähnten römischen
Brief des Wiener Blattes u. a, in folgender Weise vernehmen: „Die Rechte
wie die Linke erkannten in den letzten parlamentarischen Debatten einmüthig an,
daß die Italien allein zusagende auswärtige Politik dieselbe ist, welche von
1870 bis 1876 sich als gut erprobte, die Politik nämlich der aufrichtigen Freund¬
schaft mit allen Mächten, die in keiner Beziehung unsere Aetionsfreiheit gegen¬
über zukünftigen Ereignissen bindet. Das Ministerium nahm diese Empfehlung
an und versprach, sich dieselbe als auch seine Meinung ausdrückend zur Richt¬
schnur dienen zu lassen. Was ist nun geschehen, das uns bewegen könnte, jenen
Weg zu verlassen und einer Gruppe von Mächten eher beizutreten als einer
andern? Ist es richtig, wenn man sagt, unsere Controversen mit Frankreich
in Betreff der tunesischen Angelegenheit trieben uns unerbittlich in die Arme
Oesterreichs und Deutschlands? Wir sind Freunde Oesterreichs und Deutsch¬
lands und wollen das bleiben; aber unsere Freundschaft hat ihre Ursache nicht
im Unmuth gegen andere Mächte. Frankreich hat in seiner Politik uns gegen¬
über gefehlt, der Zwischenfall in Tunis ist verdrießlich, und wir haben nicht
bloß einen, sondern tausend Gründe, unsere dortigen Interessen zu vertheidigen.
Aber folgt denn daraus, daß wir auf die Freiheit der Wahl am Tage des
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |