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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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schlössen, sich die Freundschaft Oesterreichs und Deutschlands mit Verzicht auf
jeden Hintergedanken und jede Nebenabsicht auf Gebietsvergrößerung zu er¬
werben. Schon seien Verhandlungen im Zuge, deren Mittelpunkt einstweilen
in Berlin zu suchen sei. Die Redaction des Blattes fügte hinzu: "Wir wissen
von ganz zuverlässiger Seite, daß diese Andeutungen unseres römischen Kor¬
respondenten begründet sind, daß Italien seine Fühler ausstreckt, um die Stim¬
mung in Wien und Berlin zu erforschen, und daß in beiden Hauptstädten das
Entgegenkommen Italiens die freundlichste Ausnahme gefunden hat. Natürlich
haben wir es hier mit einem Keime zu thun, der sorgsam gehütet und gepflegt
werden muß, wenn er sich entwickeln und die Idee eines Bündnisses zwischen
Deutschland, Oesterreich und Italien verwirklichen soll. Aber wir legen den
größten Werth darauf, daß ein Gedanke, den wir seit Jahren fast ununterbrochen
verfochten haben, aus der publicistischeu Arena allmählich in die Sphäre der
praktischen Politik hinaufsteigt .... Die Freundschaft Oesterreichs und Deutsch¬
lands wurzelt auf festem Grunde, und sie stützt sich aus eine gewaltige Macht.
Aber sie muß die Uebermacht gegen jede andere Coalition haben, wenn sie den
Frieden dauernd beschützen soll, und diese Uebermacht würde ihr der Beitritt
Italiens geben. Nicht als Aschenbrödel also, nicht als Schutzflehende soll Italien
an die Seite der beiden Kaiserreiche treten, nicht bloß Vortheile empfangend,
sondern auch sie gewährend. Es ist eine schöne Aufgabe, die der italienischen
Politik winkt, und wenn Cairoli sie erfüllte, so würde er seinem Vaterlande und
der Sache des Friedens einen großen Dienst erweisen."

Die letzten Betrachtungen unterschreiben wir. An die Wahrheit der Nach¬
richt, daß bereits Versuche zu einer Annäherung Italiens an den Zweikaiser¬
bund gemacht worden, und daß sie Erfolg verhießen, können wir nicht glauben.
Gewiß ist, daß eine Spannung zwischen Italien und Frankreich existiert. Die¬
selbe hat ihren Grund nicht bloß in der tunesischen Frage, sondern es beginnen
auch in Aegypten und Syrien Schwierigkeiten aufzutauchen. In Aegypten soll
ein internationaler Gerichtshof errichtet werden, und nach den Vorschlägen
Frankreichs würde Italien hierbei eine untergeordnete Stellung erhalten, ob¬
gleich gerade seine Colonie am Nil und am Delta die älteste und bedeutendste
ist. Während England und Frankreich je zwei Stellen bei dem neuen Tribu¬
nale besetzen sollen, soll Italien nur eine eingeräumt werden. Die zweite Contro-
verse betrifft den Anspruch der Franzosen, die Beschtttzung der Katholiken in
Syrien und dessen Nachbarländern ausschließlich zu üben und sie folglich auch
auf die dortigen Angehörigen Italiens auszudehnen, was letzteres sich nicht ge¬
fallen lassen will. Wiederholt sind deshalb Competenzconflicte zwischen franzö¬
sischen Consuln und deren italienischen College" vorgekommen, und General
Cialdini soll Auftrag erhalten haben, darüber in Paris Vorstellungen zu machen.


schlössen, sich die Freundschaft Oesterreichs und Deutschlands mit Verzicht auf
jeden Hintergedanken und jede Nebenabsicht auf Gebietsvergrößerung zu er¬
werben. Schon seien Verhandlungen im Zuge, deren Mittelpunkt einstweilen
in Berlin zu suchen sei. Die Redaction des Blattes fügte hinzu: „Wir wissen
von ganz zuverlässiger Seite, daß diese Andeutungen unseres römischen Kor¬
respondenten begründet sind, daß Italien seine Fühler ausstreckt, um die Stim¬
mung in Wien und Berlin zu erforschen, und daß in beiden Hauptstädten das
Entgegenkommen Italiens die freundlichste Ausnahme gefunden hat. Natürlich
haben wir es hier mit einem Keime zu thun, der sorgsam gehütet und gepflegt
werden muß, wenn er sich entwickeln und die Idee eines Bündnisses zwischen
Deutschland, Oesterreich und Italien verwirklichen soll. Aber wir legen den
größten Werth darauf, daß ein Gedanke, den wir seit Jahren fast ununterbrochen
verfochten haben, aus der publicistischeu Arena allmählich in die Sphäre der
praktischen Politik hinaufsteigt .... Die Freundschaft Oesterreichs und Deutsch¬
lands wurzelt auf festem Grunde, und sie stützt sich aus eine gewaltige Macht.
Aber sie muß die Uebermacht gegen jede andere Coalition haben, wenn sie den
Frieden dauernd beschützen soll, und diese Uebermacht würde ihr der Beitritt
Italiens geben. Nicht als Aschenbrödel also, nicht als Schutzflehende soll Italien
an die Seite der beiden Kaiserreiche treten, nicht bloß Vortheile empfangend,
sondern auch sie gewährend. Es ist eine schöne Aufgabe, die der italienischen
Politik winkt, und wenn Cairoli sie erfüllte, so würde er seinem Vaterlande und
der Sache des Friedens einen großen Dienst erweisen."

Die letzten Betrachtungen unterschreiben wir. An die Wahrheit der Nach¬
richt, daß bereits Versuche zu einer Annäherung Italiens an den Zweikaiser¬
bund gemacht worden, und daß sie Erfolg verhießen, können wir nicht glauben.
Gewiß ist, daß eine Spannung zwischen Italien und Frankreich existiert. Die¬
selbe hat ihren Grund nicht bloß in der tunesischen Frage, sondern es beginnen
auch in Aegypten und Syrien Schwierigkeiten aufzutauchen. In Aegypten soll
ein internationaler Gerichtshof errichtet werden, und nach den Vorschlägen
Frankreichs würde Italien hierbei eine untergeordnete Stellung erhalten, ob¬
gleich gerade seine Colonie am Nil und am Delta die älteste und bedeutendste
ist. Während England und Frankreich je zwei Stellen bei dem neuen Tribu¬
nale besetzen sollen, soll Italien nur eine eingeräumt werden. Die zweite Contro-
verse betrifft den Anspruch der Franzosen, die Beschtttzung der Katholiken in
Syrien und dessen Nachbarländern ausschließlich zu üben und sie folglich auch
auf die dortigen Angehörigen Italiens auszudehnen, was letzteres sich nicht ge¬
fallen lassen will. Wiederholt sind deshalb Competenzconflicte zwischen franzö¬
sischen Consuln und deren italienischen College» vorgekommen, und General
Cialdini soll Auftrag erhalten haben, darüber in Paris Vorstellungen zu machen.


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[0175] schlössen, sich die Freundschaft Oesterreichs und Deutschlands mit Verzicht auf jeden Hintergedanken und jede Nebenabsicht auf Gebietsvergrößerung zu er¬ werben. Schon seien Verhandlungen im Zuge, deren Mittelpunkt einstweilen in Berlin zu suchen sei. Die Redaction des Blattes fügte hinzu: „Wir wissen von ganz zuverlässiger Seite, daß diese Andeutungen unseres römischen Kor¬ respondenten begründet sind, daß Italien seine Fühler ausstreckt, um die Stim¬ mung in Wien und Berlin zu erforschen, und daß in beiden Hauptstädten das Entgegenkommen Italiens die freundlichste Ausnahme gefunden hat. Natürlich haben wir es hier mit einem Keime zu thun, der sorgsam gehütet und gepflegt werden muß, wenn er sich entwickeln und die Idee eines Bündnisses zwischen Deutschland, Oesterreich und Italien verwirklichen soll. Aber wir legen den größten Werth darauf, daß ein Gedanke, den wir seit Jahren fast ununterbrochen verfochten haben, aus der publicistischeu Arena allmählich in die Sphäre der praktischen Politik hinaufsteigt .... Die Freundschaft Oesterreichs und Deutsch¬ lands wurzelt auf festem Grunde, und sie stützt sich aus eine gewaltige Macht. Aber sie muß die Uebermacht gegen jede andere Coalition haben, wenn sie den Frieden dauernd beschützen soll, und diese Uebermacht würde ihr der Beitritt Italiens geben. Nicht als Aschenbrödel also, nicht als Schutzflehende soll Italien an die Seite der beiden Kaiserreiche treten, nicht bloß Vortheile empfangend, sondern auch sie gewährend. Es ist eine schöne Aufgabe, die der italienischen Politik winkt, und wenn Cairoli sie erfüllte, so würde er seinem Vaterlande und der Sache des Friedens einen großen Dienst erweisen." Die letzten Betrachtungen unterschreiben wir. An die Wahrheit der Nach¬ richt, daß bereits Versuche zu einer Annäherung Italiens an den Zweikaiser¬ bund gemacht worden, und daß sie Erfolg verhießen, können wir nicht glauben. Gewiß ist, daß eine Spannung zwischen Italien und Frankreich existiert. Die¬ selbe hat ihren Grund nicht bloß in der tunesischen Frage, sondern es beginnen auch in Aegypten und Syrien Schwierigkeiten aufzutauchen. In Aegypten soll ein internationaler Gerichtshof errichtet werden, und nach den Vorschlägen Frankreichs würde Italien hierbei eine untergeordnete Stellung erhalten, ob¬ gleich gerade seine Colonie am Nil und am Delta die älteste und bedeutendste ist. Während England und Frankreich je zwei Stellen bei dem neuen Tribu¬ nale besetzen sollen, soll Italien nur eine eingeräumt werden. Die zweite Contro- verse betrifft den Anspruch der Franzosen, die Beschtttzung der Katholiken in Syrien und dessen Nachbarländern ausschließlich zu üben und sie folglich auch auf die dortigen Angehörigen Italiens auszudehnen, was letzteres sich nicht ge¬ fallen lassen will. Wiederholt sind deshalb Competenzconflicte zwischen franzö¬ sischen Consuln und deren italienischen College» vorgekommen, und General Cialdini soll Auftrag erhalten haben, darüber in Paris Vorstellungen zu machen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/175>, abgerufen am 28.12.2024.