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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Von Eilfer aus begab sich Gneisenau nach Schlesien. Später finden wir
ihn in Berlin. Seine Briefe zeigen auch hier, daß er das regste Interesse an
den politischen Verhältnissen nahm. Natürlich mußte ihn die Vertheilung der
herrenlosen Länder und der Preußen zufallende Antheil am meisten in militä¬
rischer Hinsicht beschäftigen. Als sich Schwierigkeiten wegen Sachsens und Polens
erhoben, und die Großmächte sich Preußen feindselig zeigten, gab er einen Rath,
der, wenn er ihn auch selbst als sehr kühn bezeichnen muß, doch beweist, daß er
besser als die meisten preußischen Diplomaten die Sachlage begriff: "Daß man
Napoleon wieder auf die Bühne riefe, ihn selbst unterstützte, Frankreich dadurch
uach außen unthätig mache, Baiern von der Rheinseite her angriffe, sowie zu¬
gleich Oesterreich auf seinen nördlichen Grenzen im Verein mit den Russen,
Baiern in Gemeinschaft mit Würtemberg und Baden vernichte, in Italien das
Feuer des Aufruhrs nähre, und so in wenigen Feldzügen Oesterreich sein
Italien, Galizien und Mähren abnehme, Bamberg, Würzburg, Ansbach und
Baireuth sür uns erwerbe, die übrige Beute, ausschließlich Altbaiern, unter
Würtemberg und Baden vertheile und in Frankreich den bürgerlichen Krieg
stets nähre. Dieser Entwurf konnte immerhin später noch in Ausführung ge¬
bracht werden, wenn man den Muth hätte, ihn in Ausführung zu bringen
und das Mittel uicht zu scheuen, das freilich mit Behutsamkeit gehandhabt
werden muß."

Während noch die Erfolge des Jahres 1814 ungehindert waren, hatte be¬
reits in Frankreich sich ein Ereigniß von ungeheuerer Tragweite vollzöge":
Napoleon war zurückgekehrt, und die Bourbonen hatten das Land räumen müsse".
Sogleich wurde von den Gegnern ein neuer Bund geschlossen mit dem Zwecke.
Napoleon in eine Lage zu versetzen, welche es ihm in Zukunft unmöglich machen
sollte, die Ruhe Europas zu stören. Alle Mächte setzten zugleich ihre Armee¬
corps wieder auf den Kriegsfuß. Den Oberbefehl über das preußische Heer
erhielt wiederum Blücher, dem wie früher und sehr gegen seinen Wunsch Gnei-
senau als Generalstabschef zur Seite gestellt wurde.

Es war zu vermuthen, daß Napoleon, wenn er zum Angriffe schreiten sollte,
sich auf Belgien werfen werde. Wellington, der hier ein Heer von Engländern,
Hannoveranern, Braunschweigern und Nassauern commandierte, forderte Gnei-
senau, der bis zur Ankunft Blüchers den provisorischen Oberbefehl über die am
Rhein aufgestellten Truppen führte, auf, sich mehr nach Belgien an ihn heran
zu ziehen. Dies geschah. Während aber auch die österreichische Armee allmäh¬
lich sich in Bewegung setzte, hielten die Verbündeten in Wien einen gemein¬
schaftlichen Kriegsrath. Man kam hier auf einen weitausschauenden Kriegsplan,
der ohne Interesse ist, denn Napoleon machte ihn dadurch, daß er die Offensive
ergriff, zu Schanden. Gneisenau hatte "in der Besorgniß, daß man in Wien


Von Eilfer aus begab sich Gneisenau nach Schlesien. Später finden wir
ihn in Berlin. Seine Briefe zeigen auch hier, daß er das regste Interesse an
den politischen Verhältnissen nahm. Natürlich mußte ihn die Vertheilung der
herrenlosen Länder und der Preußen zufallende Antheil am meisten in militä¬
rischer Hinsicht beschäftigen. Als sich Schwierigkeiten wegen Sachsens und Polens
erhoben, und die Großmächte sich Preußen feindselig zeigten, gab er einen Rath,
der, wenn er ihn auch selbst als sehr kühn bezeichnen muß, doch beweist, daß er
besser als die meisten preußischen Diplomaten die Sachlage begriff: „Daß man
Napoleon wieder auf die Bühne riefe, ihn selbst unterstützte, Frankreich dadurch
uach außen unthätig mache, Baiern von der Rheinseite her angriffe, sowie zu¬
gleich Oesterreich auf seinen nördlichen Grenzen im Verein mit den Russen,
Baiern in Gemeinschaft mit Würtemberg und Baden vernichte, in Italien das
Feuer des Aufruhrs nähre, und so in wenigen Feldzügen Oesterreich sein
Italien, Galizien und Mähren abnehme, Bamberg, Würzburg, Ansbach und
Baireuth sür uns erwerbe, die übrige Beute, ausschließlich Altbaiern, unter
Würtemberg und Baden vertheile und in Frankreich den bürgerlichen Krieg
stets nähre. Dieser Entwurf konnte immerhin später noch in Ausführung ge¬
bracht werden, wenn man den Muth hätte, ihn in Ausführung zu bringen
und das Mittel uicht zu scheuen, das freilich mit Behutsamkeit gehandhabt
werden muß."

Während noch die Erfolge des Jahres 1814 ungehindert waren, hatte be¬
reits in Frankreich sich ein Ereigniß von ungeheuerer Tragweite vollzöge»:
Napoleon war zurückgekehrt, und die Bourbonen hatten das Land räumen müsse«.
Sogleich wurde von den Gegnern ein neuer Bund geschlossen mit dem Zwecke.
Napoleon in eine Lage zu versetzen, welche es ihm in Zukunft unmöglich machen
sollte, die Ruhe Europas zu stören. Alle Mächte setzten zugleich ihre Armee¬
corps wieder auf den Kriegsfuß. Den Oberbefehl über das preußische Heer
erhielt wiederum Blücher, dem wie früher und sehr gegen seinen Wunsch Gnei-
senau als Generalstabschef zur Seite gestellt wurde.

Es war zu vermuthen, daß Napoleon, wenn er zum Angriffe schreiten sollte,
sich auf Belgien werfen werde. Wellington, der hier ein Heer von Engländern,
Hannoveranern, Braunschweigern und Nassauern commandierte, forderte Gnei-
senau, der bis zur Ankunft Blüchers den provisorischen Oberbefehl über die am
Rhein aufgestellten Truppen führte, auf, sich mehr nach Belgien an ihn heran
zu ziehen. Dies geschah. Während aber auch die österreichische Armee allmäh¬
lich sich in Bewegung setzte, hielten die Verbündeten in Wien einen gemein¬
schaftlichen Kriegsrath. Man kam hier auf einen weitausschauenden Kriegsplan,
der ohne Interesse ist, denn Napoleon machte ihn dadurch, daß er die Offensive
ergriff, zu Schanden. Gneisenau hatte „in der Besorgniß, daß man in Wien


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[0102] Von Eilfer aus begab sich Gneisenau nach Schlesien. Später finden wir ihn in Berlin. Seine Briefe zeigen auch hier, daß er das regste Interesse an den politischen Verhältnissen nahm. Natürlich mußte ihn die Vertheilung der herrenlosen Länder und der Preußen zufallende Antheil am meisten in militä¬ rischer Hinsicht beschäftigen. Als sich Schwierigkeiten wegen Sachsens und Polens erhoben, und die Großmächte sich Preußen feindselig zeigten, gab er einen Rath, der, wenn er ihn auch selbst als sehr kühn bezeichnen muß, doch beweist, daß er besser als die meisten preußischen Diplomaten die Sachlage begriff: „Daß man Napoleon wieder auf die Bühne riefe, ihn selbst unterstützte, Frankreich dadurch uach außen unthätig mache, Baiern von der Rheinseite her angriffe, sowie zu¬ gleich Oesterreich auf seinen nördlichen Grenzen im Verein mit den Russen, Baiern in Gemeinschaft mit Würtemberg und Baden vernichte, in Italien das Feuer des Aufruhrs nähre, und so in wenigen Feldzügen Oesterreich sein Italien, Galizien und Mähren abnehme, Bamberg, Würzburg, Ansbach und Baireuth sür uns erwerbe, die übrige Beute, ausschließlich Altbaiern, unter Würtemberg und Baden vertheile und in Frankreich den bürgerlichen Krieg stets nähre. Dieser Entwurf konnte immerhin später noch in Ausführung ge¬ bracht werden, wenn man den Muth hätte, ihn in Ausführung zu bringen und das Mittel uicht zu scheuen, das freilich mit Behutsamkeit gehandhabt werden muß." Während noch die Erfolge des Jahres 1814 ungehindert waren, hatte be¬ reits in Frankreich sich ein Ereigniß von ungeheuerer Tragweite vollzöge»: Napoleon war zurückgekehrt, und die Bourbonen hatten das Land räumen müsse«. Sogleich wurde von den Gegnern ein neuer Bund geschlossen mit dem Zwecke. Napoleon in eine Lage zu versetzen, welche es ihm in Zukunft unmöglich machen sollte, die Ruhe Europas zu stören. Alle Mächte setzten zugleich ihre Armee¬ corps wieder auf den Kriegsfuß. Den Oberbefehl über das preußische Heer erhielt wiederum Blücher, dem wie früher und sehr gegen seinen Wunsch Gnei- senau als Generalstabschef zur Seite gestellt wurde. Es war zu vermuthen, daß Napoleon, wenn er zum Angriffe schreiten sollte, sich auf Belgien werfen werde. Wellington, der hier ein Heer von Engländern, Hannoveranern, Braunschweigern und Nassauern commandierte, forderte Gnei- senau, der bis zur Ankunft Blüchers den provisorischen Oberbefehl über die am Rhein aufgestellten Truppen führte, auf, sich mehr nach Belgien an ihn heran zu ziehen. Dies geschah. Während aber auch die österreichische Armee allmäh¬ lich sich in Bewegung setzte, hielten die Verbündeten in Wien einen gemein¬ schaftlichen Kriegsrath. Man kam hier auf einen weitausschauenden Kriegsplan, der ohne Interesse ist, denn Napoleon machte ihn dadurch, daß er die Offensive ergriff, zu Schanden. Gneisenau hatte „in der Besorgniß, daß man in Wien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/102>, abgerufen am 28.12.2024.