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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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und der Wunsch, mit Ms vereinigt zu sein, wird demnach erwachen, folglich der
Weg gebahnt werden, neue Erwerlmngen, und zwar weniger durch Gewalt der
Waffen als durch Liberalität der Grundsätze zu machen. Um die Meinung in
Deutschland sür uns noch mehr zu gewinnen, müßten d) alle Männer von
Kenntnissen, Talenten in unseren Staat gezogen werden durch Ertheilung von
Aemtern, Gehalten, Unterstützungen :e. Unsere Universitäten müßten durch hohe
Gehalte die eminentester der deutschen Gelehrten an sich ziehen und jedes auf¬
keimende Talent müßte von uns durch Schutz bei Hofe und Ansehen in der
großen Welt gepflegt werden. Eine für diesen Zweck jährlich angelegte, selbst
sehr große Summe würde in kurzem sehr gute Zinsen tragen. Man würde
bald Preußen als das Muster eines Staates ansehen, dreifach glänzend dnrch
das, wodurch allein Völker sich hervorthun können, nämlich Kriegsruhm, Ver¬
fassung und Gesetze und Pflege von Künsten und Wissenschaften."

Kaum war der Frieden geschlossen und der Congreß zusammengetreten, so
nahm Gneisenau Urlaub, um zunächst nach dem kleinen Bade Eilfer bei Preu-
ßisch-Minden sich zurückzuziehen. Der unerfreuliche Ausgang des großen Kampfes,
an dem er fo hervorragenden Antheil gehabt, hatte eine tiefe Mißstimmung bei
ihm hinterlassen, die aus allen Briefen, welche er während des kurzen Friedens
geschrieben, sich ausspricht. "Man hat der Nation, die ebenso schuldig war, wie
der Tyrann, den sie vergötterte", -- heißt es in dem Bries an Reimer -- "den
Deutschland stets bedrohenden Elsaß gelassen, und alle die Festungen, die in
unbewachter Zeit von Ludwig XIV. auf deutsches Gebiet gebant wurden, sind
nicht zurückgefordert. Ein dnrch seine Zerrissenheit und Spaltungen ohnedies
auf eine nur schwache Vertheidigung beschränktes Reich wie das deutsche muß
demnach seinen Erbfeind im Besitz aller der Mittel lassen, die zu dem Zweck
vorbereitet sind, um unsere Unterjochung systematisch durchzuführen. Das ist
ein sehr unweiser Gebrauch der Gaben des Glückes." Diese Mißstimmung, in
der sich der Held befand, wurde noch vergrößert dnrch Kränkungen, die er er¬
fuhr, und "zuletzt noch durch die Stellung der Personen in dem geretteten Staat."
"Die treuen Diener des Königs, die ihm, jeder aus seine Weise zu dienen suchten
und wovon einige wirklich große Dienste zu leisten das Glück gehabt haben,
und diejenigen, die ihn bereitwillig gegen einen napoleoniden vertauscht hätten,
die Edlen und die Verderbten, alles ohne Unterschied wird zusammengestellt, und
man weiß nicht, wie man aus einer solchen Genossenschaft seine Ehre und seine
Gesinnungen retten soll." Wer diese Männer waren, darüber spricht sich Gnei-
senau selbst den vertrautesten Freunden gegenüber nie aus, wie er ja, nach den
Worten Arndts, nie über Hemmer, Neider, Feinde und was Dummheit und
Schlechtigkeit seinem Wollen und Streben in den Weg geworfen, etwas er¬
rathen ließ.


und der Wunsch, mit Ms vereinigt zu sein, wird demnach erwachen, folglich der
Weg gebahnt werden, neue Erwerlmngen, und zwar weniger durch Gewalt der
Waffen als durch Liberalität der Grundsätze zu machen. Um die Meinung in
Deutschland sür uns noch mehr zu gewinnen, müßten d) alle Männer von
Kenntnissen, Talenten in unseren Staat gezogen werden durch Ertheilung von
Aemtern, Gehalten, Unterstützungen :e. Unsere Universitäten müßten durch hohe
Gehalte die eminentester der deutschen Gelehrten an sich ziehen und jedes auf¬
keimende Talent müßte von uns durch Schutz bei Hofe und Ansehen in der
großen Welt gepflegt werden. Eine für diesen Zweck jährlich angelegte, selbst
sehr große Summe würde in kurzem sehr gute Zinsen tragen. Man würde
bald Preußen als das Muster eines Staates ansehen, dreifach glänzend dnrch
das, wodurch allein Völker sich hervorthun können, nämlich Kriegsruhm, Ver¬
fassung und Gesetze und Pflege von Künsten und Wissenschaften."

Kaum war der Frieden geschlossen und der Congreß zusammengetreten, so
nahm Gneisenau Urlaub, um zunächst nach dem kleinen Bade Eilfer bei Preu-
ßisch-Minden sich zurückzuziehen. Der unerfreuliche Ausgang des großen Kampfes,
an dem er fo hervorragenden Antheil gehabt, hatte eine tiefe Mißstimmung bei
ihm hinterlassen, die aus allen Briefen, welche er während des kurzen Friedens
geschrieben, sich ausspricht. „Man hat der Nation, die ebenso schuldig war, wie
der Tyrann, den sie vergötterte", — heißt es in dem Bries an Reimer — „den
Deutschland stets bedrohenden Elsaß gelassen, und alle die Festungen, die in
unbewachter Zeit von Ludwig XIV. auf deutsches Gebiet gebant wurden, sind
nicht zurückgefordert. Ein dnrch seine Zerrissenheit und Spaltungen ohnedies
auf eine nur schwache Vertheidigung beschränktes Reich wie das deutsche muß
demnach seinen Erbfeind im Besitz aller der Mittel lassen, die zu dem Zweck
vorbereitet sind, um unsere Unterjochung systematisch durchzuführen. Das ist
ein sehr unweiser Gebrauch der Gaben des Glückes." Diese Mißstimmung, in
der sich der Held befand, wurde noch vergrößert dnrch Kränkungen, die er er¬
fuhr, und „zuletzt noch durch die Stellung der Personen in dem geretteten Staat."
»Die treuen Diener des Königs, die ihm, jeder aus seine Weise zu dienen suchten
und wovon einige wirklich große Dienste zu leisten das Glück gehabt haben,
und diejenigen, die ihn bereitwillig gegen einen napoleoniden vertauscht hätten,
die Edlen und die Verderbten, alles ohne Unterschied wird zusammengestellt, und
man weiß nicht, wie man aus einer solchen Genossenschaft seine Ehre und seine
Gesinnungen retten soll." Wer diese Männer waren, darüber spricht sich Gnei-
senau selbst den vertrautesten Freunden gegenüber nie aus, wie er ja, nach den
Worten Arndts, nie über Hemmer, Neider, Feinde und was Dummheit und
Schlechtigkeit seinem Wollen und Streben in den Weg geworfen, etwas er¬
rathen ließ.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/101>, abgerufen am 28.12.2024.