Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.ist und der sich gegen den graugrünen Fond in plastischer Schärfe absetzt. Nach¬ Wir sind damit zur Betrachtung der Genremalerei gekommen, welche ist und der sich gegen den graugrünen Fond in plastischer Schärfe absetzt. Nach¬ Wir sind damit zur Betrachtung der Genremalerei gekommen, welche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0544" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147638"/> <p xml:id="ID_1487" prev="#ID_1486"> ist und der sich gegen den graugrünen Fond in plastischer Schärfe absetzt. Nach¬<lb/> dem uns Gussow in diesem köstlichen Bilde gezeigt hat, bis zu welcher bewun-<lb/> derungswürdigen Höhe sein coloristisches Können hinaufreicht, müssen wir die<lb/> drei anderen Gemälde von seiner Hand, welche die Ausstellung aufweist, um so<lb/> strenger verurtheilen. Wohl zeigen die beiden Bildnisse junger Mädchen eine<lb/> ähnliche Kraft der Mvdellirung, ähnliche Finessen im Colorit, aber das maleri¬<lb/> sche Arrangement ist von einer Geschmacklosigkeit, welche an die Verirrungen<lb/> des Pariser Modemalers Carolus Duran erinnert. Der eine Kopf muß sich<lb/> von einem rosafarbenen Hintergrunde mit weißen Mustern losringen, während<lb/> der Fond des anderen eine hellbraune Tapete mit grauen Dessin zeigt. Vollends<lb/> gar in die wüste Manier der früheren Zeit ist er auf einem Genrebilde ge¬<lb/> rathen, welches die Halbfiguren eines alten schwerhöriger Mannes und seiner<lb/> Frau darstellt, die ihm einen Brief vorliest. Das Ganze sieht aus, als wären<lb/> die Farben mit dem Spatel aufgestrichen. Man darf sich gar nicht erinnern,<lb/> mit welcher Discretion Gussow die Lichter auf dem Bildnisse seiner Gattin auf¬<lb/> gesetzt hat, wenn man die dicken Massen von Kreuser Weiß sieht, die über den<lb/> Angenknochen und auf der Stirn der Frau, auf der Nase des Maunes und am<lb/> inneren Rande der vor ihnen auf einem Tische stehenden Kaffeetasse sitzen. Man<lb/> kann sich noch so weit von dem Bilde entfernen, diese fetten, brutale» Lichter<lb/> ordnen sich niemals dem Gesammttone unter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1488" next="#ID_1489"> Wir sind damit zur Betrachtung der Genremalerei gekommen, welche<lb/> uns durch ein halbes Dutzend absoluter Treffer für die im ganzen doch ziem¬<lb/> lich trübe Physiognomie der Ausstellung entschädigen muß. Es sind nicht die<lb/> Meister, die sonst die Führung zu übernehmen gewohnt sind, welche wir in<lb/> diesem Jahre an erster Stelle zu erwähnen haben. Adolph Menzels „Zurück¬<lb/> kehrende Procession" (Gasteiner Gegend) ist — bei allem Respect vor dein<lb/> Meister — doch kein Bild im eigentlichen Sinne, sondern nur eine ganz zu¬<lb/> fällig zusammengestellte Sammlung höchst interessanter und charakteristischer<lb/> Studien. Etwas weniger Natur und ein wenig mehr Composition würde den<lb/> jetzt sehr zerfahrenen Eindruck des Bildes wesentlich anders gestaltet haben. So<lb/> sehen wir nichts als ein unordentliches Gedränge von Geistlichen, Meßdieneru,<lb/> Chorknaben und Bauern und im Vordergrunde eine Gesellschaft von Touristen<lb/> und Badegästen, unter denen sich manche mit satirischen Griffel gezeichnete Figur<lb/> befindet; aber dieses bunte Durcheinander, aus welchem sich nur einige rothe<lb/> Töne wirksam hervorhebe», macht keinen coloristischen Gesammteindruck, der er¬<lb/> freulich wäre. Auch Kraus ist nicht der Würde seines Namens entsprechend<lb/> vertreten. Seine „Unwillkommene Kunde" — ein Hund, der von einem Lehr-<lb/> jungen verfolgt einer dicken Schlächtersfrau mit einem Stücke Fleisch davon¬<lb/> läuft — ist nicht mit der dem Meister sonst eigenen Virtuosität gemalt, und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0544]
ist und der sich gegen den graugrünen Fond in plastischer Schärfe absetzt. Nach¬
dem uns Gussow in diesem köstlichen Bilde gezeigt hat, bis zu welcher bewun-
derungswürdigen Höhe sein coloristisches Können hinaufreicht, müssen wir die
drei anderen Gemälde von seiner Hand, welche die Ausstellung aufweist, um so
strenger verurtheilen. Wohl zeigen die beiden Bildnisse junger Mädchen eine
ähnliche Kraft der Mvdellirung, ähnliche Finessen im Colorit, aber das maleri¬
sche Arrangement ist von einer Geschmacklosigkeit, welche an die Verirrungen
des Pariser Modemalers Carolus Duran erinnert. Der eine Kopf muß sich
von einem rosafarbenen Hintergrunde mit weißen Mustern losringen, während
der Fond des anderen eine hellbraune Tapete mit grauen Dessin zeigt. Vollends
gar in die wüste Manier der früheren Zeit ist er auf einem Genrebilde ge¬
rathen, welches die Halbfiguren eines alten schwerhöriger Mannes und seiner
Frau darstellt, die ihm einen Brief vorliest. Das Ganze sieht aus, als wären
die Farben mit dem Spatel aufgestrichen. Man darf sich gar nicht erinnern,
mit welcher Discretion Gussow die Lichter auf dem Bildnisse seiner Gattin auf¬
gesetzt hat, wenn man die dicken Massen von Kreuser Weiß sieht, die über den
Angenknochen und auf der Stirn der Frau, auf der Nase des Maunes und am
inneren Rande der vor ihnen auf einem Tische stehenden Kaffeetasse sitzen. Man
kann sich noch so weit von dem Bilde entfernen, diese fetten, brutale» Lichter
ordnen sich niemals dem Gesammttone unter.
Wir sind damit zur Betrachtung der Genremalerei gekommen, welche
uns durch ein halbes Dutzend absoluter Treffer für die im ganzen doch ziem¬
lich trübe Physiognomie der Ausstellung entschädigen muß. Es sind nicht die
Meister, die sonst die Führung zu übernehmen gewohnt sind, welche wir in
diesem Jahre an erster Stelle zu erwähnen haben. Adolph Menzels „Zurück¬
kehrende Procession" (Gasteiner Gegend) ist — bei allem Respect vor dein
Meister — doch kein Bild im eigentlichen Sinne, sondern nur eine ganz zu¬
fällig zusammengestellte Sammlung höchst interessanter und charakteristischer
Studien. Etwas weniger Natur und ein wenig mehr Composition würde den
jetzt sehr zerfahrenen Eindruck des Bildes wesentlich anders gestaltet haben. So
sehen wir nichts als ein unordentliches Gedränge von Geistlichen, Meßdieneru,
Chorknaben und Bauern und im Vordergrunde eine Gesellschaft von Touristen
und Badegästen, unter denen sich manche mit satirischen Griffel gezeichnete Figur
befindet; aber dieses bunte Durcheinander, aus welchem sich nur einige rothe
Töne wirksam hervorhebe», macht keinen coloristischen Gesammteindruck, der er¬
freulich wäre. Auch Kraus ist nicht der Würde seines Namens entsprechend
vertreten. Seine „Unwillkommene Kunde" — ein Hund, der von einem Lehr-
jungen verfolgt einer dicken Schlächtersfrau mit einem Stücke Fleisch davon¬
läuft — ist nicht mit der dem Meister sonst eigenen Virtuosität gemalt, und
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