Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.großartige Auffassungsweise und die stimmungsvolle Romantik seines Vaters Umgekehrt wie mit den Landschaften steht es mit der Porträtmalerei. Eine großartige Auffassungsweise und die stimmungsvolle Romantik seines Vaters Umgekehrt wie mit den Landschaften steht es mit der Porträtmalerei. Eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0543" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147637"/> <p xml:id="ID_1485" prev="#ID_1484"> großartige Auffassungsweise und die stimmungsvolle Romantik seines Vaters<lb/> mit großem Gluck zu eigen gemacht hat, verdienen um ihres energischen idealen<lb/> Strebens willen noch außer der Reihe genannt zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1486" next="#ID_1487"> Umgekehrt wie mit den Landschaften steht es mit der Porträtmalerei. Eine<lb/> beängstigende Fülle von Bildnissen, die einem größtentheils den Humor gründ¬<lb/> lich verderben können, starrt uns von allen Wänden entgegen, ohne daß uns<lb/> die technischen Qualitäten für den Mangel an origineller Auffassung und gei¬<lb/> stiger Vertiefung entschädigen können. Der schwer durch Krankheit geplagte<lb/> Gustav Richter hat das Porträt einer Brasilianerin ausgestellt, welches schon<lb/> in München zu sehen war. Es ist mehr Roben- als Seelenmalerei. Vielleicht<lb/> ist der große Hund, der sich an die Dame schmiegt, das Beste an dem Bilde.<lb/> Doch das mag größeren Kennern zur Entscheidung überlassen sein. Graf Har¬<lb/> rach hat auf einem Porträt des Freiherrn v. Varnbüler wenigstens eine glän¬<lb/> zende Technik entfaltet und eine große Treffsicherheit bekundet. Geschmackvoll<lb/> und ungezwungen arrangirt ist aber auch dieses Bild ebensowenig wie das<lb/> lebensgroße Porträt der Prinzessin Albrecht in ganzer Figur von dem Hanno¬<lb/> veraner Friedrich Kaulbach, dem obenein eine große Flausen und Süßlich¬<lb/> keit des Kolorits anhaftet. Ein Winterhalter in verwässerter Auflage. Auch<lb/> das Kaiserporträt, welches Paul Meyer heim für das Reichsgericht in Leip¬<lb/> zig gemalt hat, ist keine rühmliche Arbeit. Das Porträtmalen ist Meyerheims<lb/> Sache nicht. Nur die krankhafte Sucht, alles können zu wollen, hat ihn dazu<lb/> getrieben, seinen sauer erworbenen Ruhm an ein gefährliches Spiel zu wagen,<lb/> das er nunmehr endgiltig verloren hat. Ein Bildniß voll Geist und Leben ist<lb/> das des Bildhauers E. Encke von seinem Bruder Fedor Encke, ganz in blen¬<lb/> dender französischer Technik gemalt, noch solider, gediegener und gemttthvoller<lb/> das Doppelbildniß eiues goldenen Hochzeitspaares von Lorenz Vogel in Mün¬<lb/> chen. Aber diese und alle übrigen Porträts werden durch ein weibliches Bildniß<lb/> von Carl Gussow überstrahlt, der einmal seine struppigen Pinsel und seine<lb/> Töpfe mit den grellen Bauernfarben bei Seite gerückt hat, um zu zeigen, daß<lb/> er so zart und vornehm wie van Dyck malen, so kräftig und emailartig wie<lb/> Holbein modelliren und die Haut so transparent machen kann wie die Franzosen.<lb/> Es ist das Bild einer schönen jungen Frau voll Geist und Gemüth, seiner<lb/> eigenen, die der Künstler mit so viel Liebe und mit einer so erstaunlichen Vir¬<lb/> tuosität des technischen Könnens gemalt hat. Das feine, von lichtbraunem Haar<lb/> umrahmte Antlitz ist ganz nach links gewendet, aber so, daß auch das rechte<lb/> Auge noch sichtbar ist. Beide Augen sind von wunderbarer Durchsichtigkeit, so<lb/> recht „meerestief", wie die Dichter zu sagen Pflegen. Ein hellgrauer, pelzbesetzter<lb/> Sammetmantel ist von den Schultern herabgeglitten und enthüllt uns einen<lb/> Nacken, der durch perlgraue Halbschatten zu köstlicher Feinheit herausmodellirt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0543]
großartige Auffassungsweise und die stimmungsvolle Romantik seines Vaters
mit großem Gluck zu eigen gemacht hat, verdienen um ihres energischen idealen
Strebens willen noch außer der Reihe genannt zu werden.
Umgekehrt wie mit den Landschaften steht es mit der Porträtmalerei. Eine
beängstigende Fülle von Bildnissen, die einem größtentheils den Humor gründ¬
lich verderben können, starrt uns von allen Wänden entgegen, ohne daß uns
die technischen Qualitäten für den Mangel an origineller Auffassung und gei¬
stiger Vertiefung entschädigen können. Der schwer durch Krankheit geplagte
Gustav Richter hat das Porträt einer Brasilianerin ausgestellt, welches schon
in München zu sehen war. Es ist mehr Roben- als Seelenmalerei. Vielleicht
ist der große Hund, der sich an die Dame schmiegt, das Beste an dem Bilde.
Doch das mag größeren Kennern zur Entscheidung überlassen sein. Graf Har¬
rach hat auf einem Porträt des Freiherrn v. Varnbüler wenigstens eine glän¬
zende Technik entfaltet und eine große Treffsicherheit bekundet. Geschmackvoll
und ungezwungen arrangirt ist aber auch dieses Bild ebensowenig wie das
lebensgroße Porträt der Prinzessin Albrecht in ganzer Figur von dem Hanno¬
veraner Friedrich Kaulbach, dem obenein eine große Flausen und Süßlich¬
keit des Kolorits anhaftet. Ein Winterhalter in verwässerter Auflage. Auch
das Kaiserporträt, welches Paul Meyer heim für das Reichsgericht in Leip¬
zig gemalt hat, ist keine rühmliche Arbeit. Das Porträtmalen ist Meyerheims
Sache nicht. Nur die krankhafte Sucht, alles können zu wollen, hat ihn dazu
getrieben, seinen sauer erworbenen Ruhm an ein gefährliches Spiel zu wagen,
das er nunmehr endgiltig verloren hat. Ein Bildniß voll Geist und Leben ist
das des Bildhauers E. Encke von seinem Bruder Fedor Encke, ganz in blen¬
dender französischer Technik gemalt, noch solider, gediegener und gemttthvoller
das Doppelbildniß eiues goldenen Hochzeitspaares von Lorenz Vogel in Mün¬
chen. Aber diese und alle übrigen Porträts werden durch ein weibliches Bildniß
von Carl Gussow überstrahlt, der einmal seine struppigen Pinsel und seine
Töpfe mit den grellen Bauernfarben bei Seite gerückt hat, um zu zeigen, daß
er so zart und vornehm wie van Dyck malen, so kräftig und emailartig wie
Holbein modelliren und die Haut so transparent machen kann wie die Franzosen.
Es ist das Bild einer schönen jungen Frau voll Geist und Gemüth, seiner
eigenen, die der Künstler mit so viel Liebe und mit einer so erstaunlichen Vir¬
tuosität des technischen Könnens gemalt hat. Das feine, von lichtbraunem Haar
umrahmte Antlitz ist ganz nach links gewendet, aber so, daß auch das rechte
Auge noch sichtbar ist. Beide Augen sind von wunderbarer Durchsichtigkeit, so
recht „meerestief", wie die Dichter zu sagen Pflegen. Ein hellgrauer, pelzbesetzter
Sammetmantel ist von den Schultern herabgeglitten und enthüllt uns einen
Nacken, der durch perlgraue Halbschatten zu köstlicher Feinheit herausmodellirt
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