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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Oelgemälden zu foreiren. Es klingt paradox, aber es ist dennoch wahr, daß die
englischen Maler in ihren Oelgemälden die sanfte, durchsichtige Wirkung der
Wasserfarben zu erreichen und auf ihren Aquarellen die Illusion der zähen,
körperhaften Oelfarben hervorzurufen suchen. John Gilberts großes, in der
Composition überaus verworrenes, im Colorit äußerst hartes und buntes Kriegs¬
bild "Die Standartenschlacht", irgend ein Entscheidungsmoment aus der alt¬
englischen Geschichte, und desselben mattherzige "Ermordung des Herzogs von
Gloster" (Shakespeares Heinrich VI. 2. Th.), das erstere eil: Aquarell, die letz¬
tere in Oel ausgeführt, bieten Belege für jene sonderbare Eigenthümlichkeit der
englischen Maler, die uns aber trotz derselben und trotz ihrer sonstigen Jsoli-
rung von der europäischen Kunstbewegung im Jahre 1878 auf dem Marsfelde,
wo sie in geschlossenen Reihen auftraten und uns das beste boten, was sie hatten,
außerordentlich imponirt haben. Sir John Gilbert hat freilich auch dort keinen
besonderen Erfolg gehabt. Sein Renommee scheint in England eine Art tabls
eonvönus zu sein, die man sich auf Treu und Glauben weiter erzählt, die wir
uns aber nicht so ohne Widerrede wollen aufreden lassen. Wir haben von der
blinden Anbetung alles Fremdländischen in der Kunst während der letzten Jahre
gerade genug gehabt, um nicht den fremden Götzenbildern, die man mit Triumph¬
geschrei durch die Straßen führt, einmal gründlich auf den Zahn zu fühlen.
Das widerliche Schauspiel, welches wir 1879 in München erlebt haben, wo
die Münchener Maler vor den gemalten Schauerballaden der Franzosen vor
lauter Andacht fast auf den Knieen herumrutschten, ist noch zu frisch in unserer
Erinnerung, als daß wir nicht diesen Fetischanbetern einmal die Augen öffnen
sollten.

So hat sich in Berlin ein förmlicher Alma-Tadema-Cultus etablirt, welcher
in dem Grade zu wachsen scheint, als die erfinderische Kraft dieses Malers
abnimmt. Denn nur jemand, der absolut nicht sehen will, kann sich gegen
die Thatsache verschließen, daß Alma Tadema, nachdem er mit seinem
"Bildhauer"- und. seinem "Maleratelier" in der Existenzmalerei eine glänzende
Höhe erreicht, Schritt für Schritt von diesem Gipfel herabgestiegen ist. Daß
die Engländer nach wie vor seine Bilder frisch von der Staffelei weglaufen,
ändert an dieser Thatsache nichts. Es beweist nur, daß sich diese Herren
Mücene durch die Schrullenhaftigkeit, an welcher die meisten der neuesten
Schöpfungen Alma Tademas laboriren, eher angezogen als abgestoßen fühlen.
Nachdem der Maler ostensibel mit seiner holländischen Heimat gebrochen hat,
indem er sich als Engländer naturalisiren ließ, müssen wir ihn wohl oder übel
zu den englischen Malern zählen, zumal da er nur wenig mehr von dem Ein¬
flüsse Henri Leps', seines Antwerpener Lehrers, verräth. Auch er versucht auf
dem jetzt in Berlin ausgestellten Bilde ,,^vo van-sar, lo 8g.wrQg,Ug," (eine


Oelgemälden zu foreiren. Es klingt paradox, aber es ist dennoch wahr, daß die
englischen Maler in ihren Oelgemälden die sanfte, durchsichtige Wirkung der
Wasserfarben zu erreichen und auf ihren Aquarellen die Illusion der zähen,
körperhaften Oelfarben hervorzurufen suchen. John Gilberts großes, in der
Composition überaus verworrenes, im Colorit äußerst hartes und buntes Kriegs¬
bild „Die Standartenschlacht", irgend ein Entscheidungsmoment aus der alt¬
englischen Geschichte, und desselben mattherzige „Ermordung des Herzogs von
Gloster" (Shakespeares Heinrich VI. 2. Th.), das erstere eil: Aquarell, die letz¬
tere in Oel ausgeführt, bieten Belege für jene sonderbare Eigenthümlichkeit der
englischen Maler, die uns aber trotz derselben und trotz ihrer sonstigen Jsoli-
rung von der europäischen Kunstbewegung im Jahre 1878 auf dem Marsfelde,
wo sie in geschlossenen Reihen auftraten und uns das beste boten, was sie hatten,
außerordentlich imponirt haben. Sir John Gilbert hat freilich auch dort keinen
besonderen Erfolg gehabt. Sein Renommee scheint in England eine Art tabls
eonvönus zu sein, die man sich auf Treu und Glauben weiter erzählt, die wir
uns aber nicht so ohne Widerrede wollen aufreden lassen. Wir haben von der
blinden Anbetung alles Fremdländischen in der Kunst während der letzten Jahre
gerade genug gehabt, um nicht den fremden Götzenbildern, die man mit Triumph¬
geschrei durch die Straßen führt, einmal gründlich auf den Zahn zu fühlen.
Das widerliche Schauspiel, welches wir 1879 in München erlebt haben, wo
die Münchener Maler vor den gemalten Schauerballaden der Franzosen vor
lauter Andacht fast auf den Knieen herumrutschten, ist noch zu frisch in unserer
Erinnerung, als daß wir nicht diesen Fetischanbetern einmal die Augen öffnen
sollten.

So hat sich in Berlin ein förmlicher Alma-Tadema-Cultus etablirt, welcher
in dem Grade zu wachsen scheint, als die erfinderische Kraft dieses Malers
abnimmt. Denn nur jemand, der absolut nicht sehen will, kann sich gegen
die Thatsache verschließen, daß Alma Tadema, nachdem er mit seinem
„Bildhauer"- und. seinem „Maleratelier" in der Existenzmalerei eine glänzende
Höhe erreicht, Schritt für Schritt von diesem Gipfel herabgestiegen ist. Daß
die Engländer nach wie vor seine Bilder frisch von der Staffelei weglaufen,
ändert an dieser Thatsache nichts. Es beweist nur, daß sich diese Herren
Mücene durch die Schrullenhaftigkeit, an welcher die meisten der neuesten
Schöpfungen Alma Tademas laboriren, eher angezogen als abgestoßen fühlen.
Nachdem der Maler ostensibel mit seiner holländischen Heimat gebrochen hat,
indem er sich als Engländer naturalisiren ließ, müssen wir ihn wohl oder übel
zu den englischen Malern zählen, zumal da er nur wenig mehr von dem Ein¬
flüsse Henri Leps', seines Antwerpener Lehrers, verräth. Auch er versucht auf
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/500>, abgerufen am 23.07.2024.