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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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sonne, welche die Körper an sich zieht, und unter dieser politischen Constellation
profitiren auch die Künste des Friedens, hat namentlich die akademische Kunst¬
ausstellung ein solches Relief gewonnen, daß sie von Jahr zu Jahr in höherem
Maße den Charakter einer internationalen annimmt. Die Belgier hatten zwar
stets große Sympathien für unsere Kunstausstellungen gezeigt. Aber sie waren
lange so ziemlich die einzigen Fremden auf ihnen geblieben, bis kurz nach 1870
die italienischen Bildhauer dahinter kamen, daß es in Berlin vielleicht Leute
geben könnte, welche so nachsichtig wären, ihre niedlichen Spielereien zu kaufen.
Seit im Winter 1878, nach Schluß der Pariser Weltausstellung, der große
Krach über die hübschen Fabrikarbeiter der Mailänder und Florentiner Ateliers
hereingebrochen ist und die stupendesten Kunstwerke für 6 -- 800 Francs das
Stück losgeschlagen worden sind, scheinen freilich die Herren Italiener das Ver¬
trauen wieder verloren zu haben. In diesem Jahre wenigstens hat nur ein
einziger, Ugo Zannoni in Mailand unsere Ausstellung mit einer Statue
Dantes und einer Knabenfigur beschickt. Dafür haben wir aber die Freude,
einige italienische Maler zu begrüßen, deren originelle Art, die Natur aufzu¬
fassen, für unser Publikum ganz fremd ist. Freilich stehen die italienischen
Maler als Coloristen durchaus unter dem Einflüsse der Franzosen. Sie lieben
die Eleganz und die Grazie über alles und lassen diese Eigenschaften sowohl in
der Zeichnung wie in der lichten Färbung durchblicken. Eigenthümlich ist
es zu sehen, wie nüchtern und prosaisch sie die Natur ihres Landes auffassen,
welche Hunderte von deutschen Malern schon zu den stärksten Hyperbeln hinge¬
rissen hat. Aurelio Tiratelli und Guiseppe Gabani, beide in Rom, sind
die hervorragendsten unter unseren italienischen Gästen. Während uns der erstere
mit echt südlicher Furia den Kampf zweier Stiere in der Campagna schilderte,
unter deren wüthendem Gestampfe der Staub aufwirbelt und sich zu hellvio¬
letten Wolken zusammenballt, läßt der andere eine Schaar von muthigen Pferden
durch die Campagna jagen, von berittenen Campagnolen getrieben, welche die
Heerde in Sicherheit bringen wollen, bevor die gewitterdrohenden Wolken am
Himmel ihr unheilvolles Werk beginnen. Das letztere Gemälde erinnert durch
sein helltöniges Colorit an die reizenden Cmnvagnabilder Hennebergs, der sich
mit der Leidenschaft eines Sportsman in das Reiterleben der römischen Steppe
versenkt und es verstanden hatte, selbst diesem öden, von der Natur so arg ver¬
nachlässigten Landstriche poetische Reize abzugewinnen.

Ebenso fremd wie die Italiener sind unserem Publikum auch die englischen
Maler, von denen gleichfalls diesmal eine größere Zahl zum ersten Male er¬
schienen ist, an ihrer Spitze John Gilb ert, der Präsident der Aqnarellisten-
Gesellschaft in London, der, vermuthlich um diese seiue Stellung zu rechtfertigen,
eine Art Sport darin sucht, seine Aquarelle bis zur Dimension von großen


sonne, welche die Körper an sich zieht, und unter dieser politischen Constellation
profitiren auch die Künste des Friedens, hat namentlich die akademische Kunst¬
ausstellung ein solches Relief gewonnen, daß sie von Jahr zu Jahr in höherem
Maße den Charakter einer internationalen annimmt. Die Belgier hatten zwar
stets große Sympathien für unsere Kunstausstellungen gezeigt. Aber sie waren
lange so ziemlich die einzigen Fremden auf ihnen geblieben, bis kurz nach 1870
die italienischen Bildhauer dahinter kamen, daß es in Berlin vielleicht Leute
geben könnte, welche so nachsichtig wären, ihre niedlichen Spielereien zu kaufen.
Seit im Winter 1878, nach Schluß der Pariser Weltausstellung, der große
Krach über die hübschen Fabrikarbeiter der Mailänder und Florentiner Ateliers
hereingebrochen ist und die stupendesten Kunstwerke für 6 — 800 Francs das
Stück losgeschlagen worden sind, scheinen freilich die Herren Italiener das Ver¬
trauen wieder verloren zu haben. In diesem Jahre wenigstens hat nur ein
einziger, Ugo Zannoni in Mailand unsere Ausstellung mit einer Statue
Dantes und einer Knabenfigur beschickt. Dafür haben wir aber die Freude,
einige italienische Maler zu begrüßen, deren originelle Art, die Natur aufzu¬
fassen, für unser Publikum ganz fremd ist. Freilich stehen die italienischen
Maler als Coloristen durchaus unter dem Einflüsse der Franzosen. Sie lieben
die Eleganz und die Grazie über alles und lassen diese Eigenschaften sowohl in
der Zeichnung wie in der lichten Färbung durchblicken. Eigenthümlich ist
es zu sehen, wie nüchtern und prosaisch sie die Natur ihres Landes auffassen,
welche Hunderte von deutschen Malern schon zu den stärksten Hyperbeln hinge¬
rissen hat. Aurelio Tiratelli und Guiseppe Gabani, beide in Rom, sind
die hervorragendsten unter unseren italienischen Gästen. Während uns der erstere
mit echt südlicher Furia den Kampf zweier Stiere in der Campagna schilderte,
unter deren wüthendem Gestampfe der Staub aufwirbelt und sich zu hellvio¬
letten Wolken zusammenballt, läßt der andere eine Schaar von muthigen Pferden
durch die Campagna jagen, von berittenen Campagnolen getrieben, welche die
Heerde in Sicherheit bringen wollen, bevor die gewitterdrohenden Wolken am
Himmel ihr unheilvolles Werk beginnen. Das letztere Gemälde erinnert durch
sein helltöniges Colorit an die reizenden Cmnvagnabilder Hennebergs, der sich
mit der Leidenschaft eines Sportsman in das Reiterleben der römischen Steppe
versenkt und es verstanden hatte, selbst diesem öden, von der Natur so arg ver¬
nachlässigten Landstriche poetische Reize abzugewinnen.

Ebenso fremd wie die Italiener sind unserem Publikum auch die englischen
Maler, von denen gleichfalls diesmal eine größere Zahl zum ersten Male er¬
schienen ist, an ihrer Spitze John Gilb ert, der Präsident der Aqnarellisten-
Gesellschaft in London, der, vermuthlich um diese seiue Stellung zu rechtfertigen,
eine Art Sport darin sucht, seine Aquarelle bis zur Dimension von großen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/499>, abgerufen am 23.07.2024.