Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Alle diese Länder wissen die Vortheile, welche der überseeische Handel dem
Volkswohlstände zuführt, zu schätzen. Sie suchen ihn durch ihre Gesetzgebung
heranzuziehen, zu pflegen und an sich zu fesseln, sie unterstützen ihn durch Ver¬
mehrung und Verbesserung der Wasserstraßen und Schifffahrts - Verbindungen
und werden überdies vor Ausbeutung ihres Gebietes von Seiten des fremden
Handels durch eiuen thatkräftigen Nationalgeist geschützt, der die heimische Arbeit
der ausländischen vorzieht. In Deutschland war bis auf die letzten Jahre von
alle dem wenig zu bemerken. Seine geschichtliche Entwicklung hat einen that¬
kräftigen Nationalgeist auf merkantilem Gebiete nicht aufkommen lassen, sie hat
hier bisher das Zusammenwirken aller Kräfte der Nation gehemmt und Sepa¬
ratinteressen und Zollschranken da hervorgerufen, wo der überseeische Handel
bisher allein in ausgedehntem Maße betrieben wurde: in den Hansestädten und
in Mona. Und doch mangelt Deutschland durchaus uicht das Material, um
sich in seinen Handelsbeziehungen vom Auslande zu emancipiren; denn der
deutsche Kaufmann besitzt in gleichem, ja vielleicht in höherem Grade als der
holländische, englische und französische die Fähigkeit, den Welthandel erfolgreich
zu betreiben. Sind doch in allen Welttheilen unter denen, welche den aller¬
ersten Rang einnehmen, deutsche Firmen zahlreich vertreten. Aber das Bestre¬
ben, seine Arbeit auch dem Vaterlande zu Gute kommen zu lassen, durch dieselbe
dessen Schifffnhrt, Handel und Industrie zu fordern, wird den deutschen Kauf¬
leuten im Auslande schwieriger gemacht als denen unserer Nachbarnationen,
die es verstehen, diese Arbeit durch ihre Unterstützung für ihre nationale Wohl¬
fahrt nutzbar zu machen, indem sie die Früchte jener Arbeit auf ihr Gebiet
leiten und den Waaren die Wege zu ihren Seestädten ebenen, welche keine
Sonderinteressen verfolgen, sondern mit jeder Faser mit ihrem Hinterkante zu¬
sammenhängen. "Das politisch wieder geeinigte deutsche Reich muß sich auch
wirthschaftlich consolidiren, die Schäden heilen, welche seine merkantile Unselb¬
ständigkeit hervorgerufen hat, und seine Gesetzgebung ergänzen, um die mehr
und mehr überhandnehmende Ausbeutung seines Wirthschaftsgebietes durch fremde
Nationen zu hintertreiben. Diese Tendenz hat die Revision des Zolltarifs zu
Gunsten der Industrie und der Landwirthschaft verfolgt. Die durch die Unter¬
scheidungszölle beabsichtigte Begünstigung und Kräftigung des Seehandels und
der Seeschifffahrt ist die logische Folge der nationalen Wirthschaftspolitik, ein
weiterer Schritt zur segensreichen Durchführung derselben und ein Mittel ein¬
schneidendster Art, welches sich wie in anderen Ländern auch bei uns bewähren
wird. Wie bei der Revision des Zolltarifs werden sich auch hier Schwierigkeiten
ergeben; denn hier wie dort hat der bisherige Zustand eine Reihe von Sonder¬
interessen geschaffen, welche nicht fortbestehen können. Diese Sonderinteressen
werden sich mächtig gegen die Neuerung auflehnen und nicht müde werden, vor-


Grcnzbotm lit> 1880. 40

Alle diese Länder wissen die Vortheile, welche der überseeische Handel dem
Volkswohlstände zuführt, zu schätzen. Sie suchen ihn durch ihre Gesetzgebung
heranzuziehen, zu pflegen und an sich zu fesseln, sie unterstützen ihn durch Ver¬
mehrung und Verbesserung der Wasserstraßen und Schifffahrts - Verbindungen
und werden überdies vor Ausbeutung ihres Gebietes von Seiten des fremden
Handels durch eiuen thatkräftigen Nationalgeist geschützt, der die heimische Arbeit
der ausländischen vorzieht. In Deutschland war bis auf die letzten Jahre von
alle dem wenig zu bemerken. Seine geschichtliche Entwicklung hat einen that¬
kräftigen Nationalgeist auf merkantilem Gebiete nicht aufkommen lassen, sie hat
hier bisher das Zusammenwirken aller Kräfte der Nation gehemmt und Sepa¬
ratinteressen und Zollschranken da hervorgerufen, wo der überseeische Handel
bisher allein in ausgedehntem Maße betrieben wurde: in den Hansestädten und
in Mona. Und doch mangelt Deutschland durchaus uicht das Material, um
sich in seinen Handelsbeziehungen vom Auslande zu emancipiren; denn der
deutsche Kaufmann besitzt in gleichem, ja vielleicht in höherem Grade als der
holländische, englische und französische die Fähigkeit, den Welthandel erfolgreich
zu betreiben. Sind doch in allen Welttheilen unter denen, welche den aller¬
ersten Rang einnehmen, deutsche Firmen zahlreich vertreten. Aber das Bestre¬
ben, seine Arbeit auch dem Vaterlande zu Gute kommen zu lassen, durch dieselbe
dessen Schifffnhrt, Handel und Industrie zu fordern, wird den deutschen Kauf¬
leuten im Auslande schwieriger gemacht als denen unserer Nachbarnationen,
die es verstehen, diese Arbeit durch ihre Unterstützung für ihre nationale Wohl¬
fahrt nutzbar zu machen, indem sie die Früchte jener Arbeit auf ihr Gebiet
leiten und den Waaren die Wege zu ihren Seestädten ebenen, welche keine
Sonderinteressen verfolgen, sondern mit jeder Faser mit ihrem Hinterkante zu¬
sammenhängen. „Das politisch wieder geeinigte deutsche Reich muß sich auch
wirthschaftlich consolidiren, die Schäden heilen, welche seine merkantile Unselb¬
ständigkeit hervorgerufen hat, und seine Gesetzgebung ergänzen, um die mehr
und mehr überhandnehmende Ausbeutung seines Wirthschaftsgebietes durch fremde
Nationen zu hintertreiben. Diese Tendenz hat die Revision des Zolltarifs zu
Gunsten der Industrie und der Landwirthschaft verfolgt. Die durch die Unter¬
scheidungszölle beabsichtigte Begünstigung und Kräftigung des Seehandels und
der Seeschifffahrt ist die logische Folge der nationalen Wirthschaftspolitik, ein
weiterer Schritt zur segensreichen Durchführung derselben und ein Mittel ein¬
schneidendster Art, welches sich wie in anderen Ländern auch bei uns bewähren
wird. Wie bei der Revision des Zolltarifs werden sich auch hier Schwierigkeiten
ergeben; denn hier wie dort hat der bisherige Zustand eine Reihe von Sonder¬
interessen geschaffen, welche nicht fortbestehen können. Diese Sonderinteressen
werden sich mächtig gegen die Neuerung auflehnen und nicht müde werden, vor-


Grcnzbotm lit> 1880. 40
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0310" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147404"/>
          <p xml:id="ID_822" next="#ID_823"> Alle diese Länder wissen die Vortheile, welche der überseeische Handel dem<lb/>
Volkswohlstände zuführt, zu schätzen. Sie suchen ihn durch ihre Gesetzgebung<lb/>
heranzuziehen, zu pflegen und an sich zu fesseln, sie unterstützen ihn durch Ver¬<lb/>
mehrung und Verbesserung der Wasserstraßen und Schifffahrts - Verbindungen<lb/>
und werden überdies vor Ausbeutung ihres Gebietes von Seiten des fremden<lb/>
Handels durch eiuen thatkräftigen Nationalgeist geschützt, der die heimische Arbeit<lb/>
der ausländischen vorzieht. In Deutschland war bis auf die letzten Jahre von<lb/>
alle dem wenig zu bemerken. Seine geschichtliche Entwicklung hat einen that¬<lb/>
kräftigen Nationalgeist auf merkantilem Gebiete nicht aufkommen lassen, sie hat<lb/>
hier bisher das Zusammenwirken aller Kräfte der Nation gehemmt und Sepa¬<lb/>
ratinteressen und Zollschranken da hervorgerufen, wo der überseeische Handel<lb/>
bisher allein in ausgedehntem Maße betrieben wurde: in den Hansestädten und<lb/>
in Mona. Und doch mangelt Deutschland durchaus uicht das Material, um<lb/>
sich in seinen Handelsbeziehungen vom Auslande zu emancipiren; denn der<lb/>
deutsche Kaufmann besitzt in gleichem, ja vielleicht in höherem Grade als der<lb/>
holländische, englische und französische die Fähigkeit, den Welthandel erfolgreich<lb/>
zu betreiben. Sind doch in allen Welttheilen unter denen, welche den aller¬<lb/>
ersten Rang einnehmen, deutsche Firmen zahlreich vertreten. Aber das Bestre¬<lb/>
ben, seine Arbeit auch dem Vaterlande zu Gute kommen zu lassen, durch dieselbe<lb/>
dessen Schifffnhrt, Handel und Industrie zu fordern, wird den deutschen Kauf¬<lb/>
leuten im Auslande schwieriger gemacht als denen unserer Nachbarnationen,<lb/>
die es verstehen, diese Arbeit durch ihre Unterstützung für ihre nationale Wohl¬<lb/>
fahrt nutzbar zu machen, indem sie die Früchte jener Arbeit auf ihr Gebiet<lb/>
leiten und den Waaren die Wege zu ihren Seestädten ebenen, welche keine<lb/>
Sonderinteressen verfolgen, sondern mit jeder Faser mit ihrem Hinterkante zu¬<lb/>
sammenhängen. &#x201E;Das politisch wieder geeinigte deutsche Reich muß sich auch<lb/>
wirthschaftlich consolidiren, die Schäden heilen, welche seine merkantile Unselb¬<lb/>
ständigkeit hervorgerufen hat, und seine Gesetzgebung ergänzen, um die mehr<lb/>
und mehr überhandnehmende Ausbeutung seines Wirthschaftsgebietes durch fremde<lb/>
Nationen zu hintertreiben. Diese Tendenz hat die Revision des Zolltarifs zu<lb/>
Gunsten der Industrie und der Landwirthschaft verfolgt. Die durch die Unter¬<lb/>
scheidungszölle beabsichtigte Begünstigung und Kräftigung des Seehandels und<lb/>
der Seeschifffahrt ist die logische Folge der nationalen Wirthschaftspolitik, ein<lb/>
weiterer Schritt zur segensreichen Durchführung derselben und ein Mittel ein¬<lb/>
schneidendster Art, welches sich wie in anderen Ländern auch bei uns bewähren<lb/>
wird. Wie bei der Revision des Zolltarifs werden sich auch hier Schwierigkeiten<lb/>
ergeben; denn hier wie dort hat der bisherige Zustand eine Reihe von Sonder¬<lb/>
interessen geschaffen, welche nicht fortbestehen können. Diese Sonderinteressen<lb/>
werden sich mächtig gegen die Neuerung auflehnen und nicht müde werden, vor-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grcnzbotm lit&gt; 1880. 40</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0310] Alle diese Länder wissen die Vortheile, welche der überseeische Handel dem Volkswohlstände zuführt, zu schätzen. Sie suchen ihn durch ihre Gesetzgebung heranzuziehen, zu pflegen und an sich zu fesseln, sie unterstützen ihn durch Ver¬ mehrung und Verbesserung der Wasserstraßen und Schifffahrts - Verbindungen und werden überdies vor Ausbeutung ihres Gebietes von Seiten des fremden Handels durch eiuen thatkräftigen Nationalgeist geschützt, der die heimische Arbeit der ausländischen vorzieht. In Deutschland war bis auf die letzten Jahre von alle dem wenig zu bemerken. Seine geschichtliche Entwicklung hat einen that¬ kräftigen Nationalgeist auf merkantilem Gebiete nicht aufkommen lassen, sie hat hier bisher das Zusammenwirken aller Kräfte der Nation gehemmt und Sepa¬ ratinteressen und Zollschranken da hervorgerufen, wo der überseeische Handel bisher allein in ausgedehntem Maße betrieben wurde: in den Hansestädten und in Mona. Und doch mangelt Deutschland durchaus uicht das Material, um sich in seinen Handelsbeziehungen vom Auslande zu emancipiren; denn der deutsche Kaufmann besitzt in gleichem, ja vielleicht in höherem Grade als der holländische, englische und französische die Fähigkeit, den Welthandel erfolgreich zu betreiben. Sind doch in allen Welttheilen unter denen, welche den aller¬ ersten Rang einnehmen, deutsche Firmen zahlreich vertreten. Aber das Bestre¬ ben, seine Arbeit auch dem Vaterlande zu Gute kommen zu lassen, durch dieselbe dessen Schifffnhrt, Handel und Industrie zu fordern, wird den deutschen Kauf¬ leuten im Auslande schwieriger gemacht als denen unserer Nachbarnationen, die es verstehen, diese Arbeit durch ihre Unterstützung für ihre nationale Wohl¬ fahrt nutzbar zu machen, indem sie die Früchte jener Arbeit auf ihr Gebiet leiten und den Waaren die Wege zu ihren Seestädten ebenen, welche keine Sonderinteressen verfolgen, sondern mit jeder Faser mit ihrem Hinterkante zu¬ sammenhängen. „Das politisch wieder geeinigte deutsche Reich muß sich auch wirthschaftlich consolidiren, die Schäden heilen, welche seine merkantile Unselb¬ ständigkeit hervorgerufen hat, und seine Gesetzgebung ergänzen, um die mehr und mehr überhandnehmende Ausbeutung seines Wirthschaftsgebietes durch fremde Nationen zu hintertreiben. Diese Tendenz hat die Revision des Zolltarifs zu Gunsten der Industrie und der Landwirthschaft verfolgt. Die durch die Unter¬ scheidungszölle beabsichtigte Begünstigung und Kräftigung des Seehandels und der Seeschifffahrt ist die logische Folge der nationalen Wirthschaftspolitik, ein weiterer Schritt zur segensreichen Durchführung derselben und ein Mittel ein¬ schneidendster Art, welches sich wie in anderen Ländern auch bei uns bewähren wird. Wie bei der Revision des Zolltarifs werden sich auch hier Schwierigkeiten ergeben; denn hier wie dort hat der bisherige Zustand eine Reihe von Sonder¬ interessen geschaffen, welche nicht fortbestehen können. Diese Sonderinteressen werden sich mächtig gegen die Neuerung auflehnen und nicht müde werden, vor- Grcnzbotm lit> 1880. 40

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/310
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/310>, abgerufen am 23.07.2024.