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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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der Kaufherren, deren Vermögen sich auf eine Million Mark und darüber be¬
läuft, wird sich im Vergleich zwischen Hamburg und Bremen einerseits und
Antwerpen, Amsterdam und Rotterdam andererseits etwa wie 1 zu 10 stellen.
Die Kaufleute in Belgien und Holland leben aber ebenso wie die hanseatischen
von ihren Kunden im Binnenlande, und dieses Binnenland ist für jene wie für
diese vorzüglich Deutschland; denn der eigene Verbrauch Hollands und Belgiens
ist dem Verbrauch Deutschlands gegenüber nicht erheblich.

Wir sahen, daß 1878 nur für 622 Millionen Mark außereuropäische
Waaren direct, dagegen für 979 Millionen Mark indireet in Deutschland ein¬
geführt wurden. Auf diesen hohen Betrag haben unsere Nachbarn nicht bloß
die Mehrkosten, welche der Zwischenhandel veranlaßt, von uns eingeheimst, auch
die zahlenmäßig uicht nachzuweisenden indirecten Vortheile, welche eine solche
Waarenbewegung durch deu Ankauf im Auslande, durch die Verfrachtung zur
See, durch den Verkauf im Hafenplatze, durch den Wiederverkauf in Deutsch¬
land in reichstem Maße den Kaufleuten, der Seeschifffahrt, den Hafenanstalten,
den Eisenbahnen, der Mnßschifffahrt und zuletzt dem Staate gewährt, haben
jene vorher abgeschöpft.

Die directe Einbuße, welche ein Laud erleidet, wenn es die für seine Con-
smnption und Fabrikation erforderlichen außereuropäischen Erzeugnisse nicht aus
dem Productionslande selbst, sondern indirect aus einem fremden europäischen
Platze bezieht, läßt sich "ach Mosle auf fünf Procent vom Werthe der Waaren
veranschlagen. Darnach hat Deutschland bei der indirecten Einfuhr von außer¬
europäischen Waaren für 979 Millionen Mark im Jahre 1878 rund 50 Mil¬
lionen Mark an das Ausland verschwendet. Der indirecte Vortheil und Nutzen,
welchen Preissteigerungen solchem Handels- und Schifffahrtsverkehr im Laufe
der Zeit zu bringen Pflegen, läßt sich nicht in Zahlen ausdrücken, aber "wenn
man bedenkt," sagt unsere Schrift, "daß zwei Seehandelsstädte wie Hamburg
und Bremen im Ganzen von außereuropäischen Producten, deren Bezug die
Grundlage ihrer Existenz bildet, für 600 Millionen Mark (22 Millionen mögen
auf die Ostsee kommen) eingeführt und ein großes Quantum davon uach Skan¬
dinavien u. s. w. wieder ausgeführt haben, daß dagegen ihr Hinterland noch
für weitere 979 Millionen Mark solcher Producte in sich aufgenommen und
verarbeitet hat, so folgt daraus ganz klar, daß mindestens noch drei weitere
Seeplätze vom Kaliber Hamburgs und Bremens Nahrung in Deutschland finden
würden, wenn dieses es aufgeben könnte, seinen Bedarf an solchen Producten
in fremden Plätzen einzukaufen."

Niemand wird behaupten, daß das vou Mosle aufgerollte Bild den Pa¬
trioten mit Befriedigung erfüllen könne. Selbst die Consumenten-Anwälte, die,
welche das wirthschaftliche Heil der Nation darin finden, daß sie ihre Cor-


der Kaufherren, deren Vermögen sich auf eine Million Mark und darüber be¬
läuft, wird sich im Vergleich zwischen Hamburg und Bremen einerseits und
Antwerpen, Amsterdam und Rotterdam andererseits etwa wie 1 zu 10 stellen.
Die Kaufleute in Belgien und Holland leben aber ebenso wie die hanseatischen
von ihren Kunden im Binnenlande, und dieses Binnenland ist für jene wie für
diese vorzüglich Deutschland; denn der eigene Verbrauch Hollands und Belgiens
ist dem Verbrauch Deutschlands gegenüber nicht erheblich.

Wir sahen, daß 1878 nur für 622 Millionen Mark außereuropäische
Waaren direct, dagegen für 979 Millionen Mark indireet in Deutschland ein¬
geführt wurden. Auf diesen hohen Betrag haben unsere Nachbarn nicht bloß
die Mehrkosten, welche der Zwischenhandel veranlaßt, von uns eingeheimst, auch
die zahlenmäßig uicht nachzuweisenden indirecten Vortheile, welche eine solche
Waarenbewegung durch deu Ankauf im Auslande, durch die Verfrachtung zur
See, durch den Verkauf im Hafenplatze, durch den Wiederverkauf in Deutsch¬
land in reichstem Maße den Kaufleuten, der Seeschifffahrt, den Hafenanstalten,
den Eisenbahnen, der Mnßschifffahrt und zuletzt dem Staate gewährt, haben
jene vorher abgeschöpft.

Die directe Einbuße, welche ein Laud erleidet, wenn es die für seine Con-
smnption und Fabrikation erforderlichen außereuropäischen Erzeugnisse nicht aus
dem Productionslande selbst, sondern indirect aus einem fremden europäischen
Platze bezieht, läßt sich »ach Mosle auf fünf Procent vom Werthe der Waaren
veranschlagen. Darnach hat Deutschland bei der indirecten Einfuhr von außer¬
europäischen Waaren für 979 Millionen Mark im Jahre 1878 rund 50 Mil¬
lionen Mark an das Ausland verschwendet. Der indirecte Vortheil und Nutzen,
welchen Preissteigerungen solchem Handels- und Schifffahrtsverkehr im Laufe
der Zeit zu bringen Pflegen, läßt sich nicht in Zahlen ausdrücken, aber „wenn
man bedenkt," sagt unsere Schrift, „daß zwei Seehandelsstädte wie Hamburg
und Bremen im Ganzen von außereuropäischen Producten, deren Bezug die
Grundlage ihrer Existenz bildet, für 600 Millionen Mark (22 Millionen mögen
auf die Ostsee kommen) eingeführt und ein großes Quantum davon uach Skan¬
dinavien u. s. w. wieder ausgeführt haben, daß dagegen ihr Hinterland noch
für weitere 979 Millionen Mark solcher Producte in sich aufgenommen und
verarbeitet hat, so folgt daraus ganz klar, daß mindestens noch drei weitere
Seeplätze vom Kaliber Hamburgs und Bremens Nahrung in Deutschland finden
würden, wenn dieses es aufgeben könnte, seinen Bedarf an solchen Producten
in fremden Plätzen einzukaufen."

Niemand wird behaupten, daß das vou Mosle aufgerollte Bild den Pa¬
trioten mit Befriedigung erfüllen könne. Selbst die Consumenten-Anwälte, die,
welche das wirthschaftliche Heil der Nation darin finden, daß sie ihre Cor-


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[0306] der Kaufherren, deren Vermögen sich auf eine Million Mark und darüber be¬ läuft, wird sich im Vergleich zwischen Hamburg und Bremen einerseits und Antwerpen, Amsterdam und Rotterdam andererseits etwa wie 1 zu 10 stellen. Die Kaufleute in Belgien und Holland leben aber ebenso wie die hanseatischen von ihren Kunden im Binnenlande, und dieses Binnenland ist für jene wie für diese vorzüglich Deutschland; denn der eigene Verbrauch Hollands und Belgiens ist dem Verbrauch Deutschlands gegenüber nicht erheblich. Wir sahen, daß 1878 nur für 622 Millionen Mark außereuropäische Waaren direct, dagegen für 979 Millionen Mark indireet in Deutschland ein¬ geführt wurden. Auf diesen hohen Betrag haben unsere Nachbarn nicht bloß die Mehrkosten, welche der Zwischenhandel veranlaßt, von uns eingeheimst, auch die zahlenmäßig uicht nachzuweisenden indirecten Vortheile, welche eine solche Waarenbewegung durch deu Ankauf im Auslande, durch die Verfrachtung zur See, durch den Verkauf im Hafenplatze, durch den Wiederverkauf in Deutsch¬ land in reichstem Maße den Kaufleuten, der Seeschifffahrt, den Hafenanstalten, den Eisenbahnen, der Mnßschifffahrt und zuletzt dem Staate gewährt, haben jene vorher abgeschöpft. Die directe Einbuße, welche ein Laud erleidet, wenn es die für seine Con- smnption und Fabrikation erforderlichen außereuropäischen Erzeugnisse nicht aus dem Productionslande selbst, sondern indirect aus einem fremden europäischen Platze bezieht, läßt sich »ach Mosle auf fünf Procent vom Werthe der Waaren veranschlagen. Darnach hat Deutschland bei der indirecten Einfuhr von außer¬ europäischen Waaren für 979 Millionen Mark im Jahre 1878 rund 50 Mil¬ lionen Mark an das Ausland verschwendet. Der indirecte Vortheil und Nutzen, welchen Preissteigerungen solchem Handels- und Schifffahrtsverkehr im Laufe der Zeit zu bringen Pflegen, läßt sich nicht in Zahlen ausdrücken, aber „wenn man bedenkt," sagt unsere Schrift, „daß zwei Seehandelsstädte wie Hamburg und Bremen im Ganzen von außereuropäischen Producten, deren Bezug die Grundlage ihrer Existenz bildet, für 600 Millionen Mark (22 Millionen mögen auf die Ostsee kommen) eingeführt und ein großes Quantum davon uach Skan¬ dinavien u. s. w. wieder ausgeführt haben, daß dagegen ihr Hinterland noch für weitere 979 Millionen Mark solcher Producte in sich aufgenommen und verarbeitet hat, so folgt daraus ganz klar, daß mindestens noch drei weitere Seeplätze vom Kaliber Hamburgs und Bremens Nahrung in Deutschland finden würden, wenn dieses es aufgeben könnte, seinen Bedarf an solchen Producten in fremden Plätzen einzukaufen." Niemand wird behaupten, daß das vou Mosle aufgerollte Bild den Pa¬ trioten mit Befriedigung erfüllen könne. Selbst die Consumenten-Anwälte, die, welche das wirthschaftliche Heil der Nation darin finden, daß sie ihre Cor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/306>, abgerufen am 23.07.2024.