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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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sumptions- und Fabrikativnsartikel möglichst billig kauft, einerlei, wo und an
wen sie ihr Geld dafür bezahlt, sollten davor zur Einsicht kommen; zumal da
sie recht gut wissen, daß die Versorgung der deutschen Märkte direct aus den
Productionslündern ganz zweifellos auch die Preise der Producte für den Käufer
ermäßigt. Wie dem aber auch sei, ein solcher Zustand bedarf baldiger Ab¬
hilfe durch die Gesetzgebung des Reiches. Deutschland kann diese Abhilfe so
wenig wie andere Nationen, die sich einst in gleicher Lage befanden, von den
Kaufleute" der Seestädte allein erwarten, alle anderen Stände müssen dazu bei¬
tragen, und der Reichstag muß denselben Weg einschlagen, auf dem andere Ge¬
setzgebungen dem Uebel zu steuern versuchten und Erfolge erzielten. Dieser Weg
bestand darin, daß man Unterscheidungszvlle auf die indirecte Einfuhr legte
oder die directe auf andere Weise begünstigte.

Die Vereinigten Staaten erhielten einst die meisten ostindischen Waaren
über England und Holland. Dies dauerte auch nach der Unabhängigkeits-
Erkläruug fort, bis endlich das 1862 erneuerte Gesetz wegen Erhebung eines
Unterscheidnngszolles (älLoriwinMvA aut/) auf den indirecten Import der
Sache ein Ende machte. Dieses Gesetz bestimmt, daß alle in den Ländern jen¬
seits des Kaps der guten Hoffnung erzeugten Waaren, auch die sonst zollfreien,
wenn sie über Plätze diesseits des Kaps eingeführt werden, einen Zoll von
10 Procent des Werthes zu zahlen haben und zwar als Additional - Zoll bei
solchen Waaren, auf welche auch bei directer Einfuhr schon ein Zoll erhoben
wird. "Sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes änderte sich die Sachlage. Die
ostindischen Producte wurden mit dem besten Erfolge direct eingeführt, und
Europa verlor den Zwischenhandel gänzlich. Durch das frühere Festhalten am
alten Wege trotz der zwischen England und der Union herrschenden Animosität
wird bewiesen, wie sehr der Handel geneigt ist, altgewohnte, selbst ganz unra¬
tionelle Wege weiter zu verfolgen, durch das rasche Einlenken in den neuen
Weg nach Erlaß des Gesetzes, wie leicht er neue Wege beschreitet, wenn es
sein muß."

Die Niederlande erreichten ein gleich günstiges Ergebniß auf andere Weise.
Um deu Handel mit den Erzeugnissen ihrer ostindischen Colonien an das Mutter¬
land zu fesseln und diesem tributpflichtig zu machen, bewilligten sie von dem
in den Colonien erhobenen Ausfuhrzoll für den Fall, daß die betreffenden Pro¬
ducte dem Mutterlande direct zugeführt würden, eine Rückvergütung zuerst
von 10, dann von 5 und 3 Procent. Sie haben dadurch die deutsche Con-
currenz, auf die es vor allem abgesehen war, ferngehalten, obgleich Deutschland
der stärkste Consument jener Producte ist, und diese Zollbegüustignng erst auf¬
gegeben, nachdem der directe Handel zwischen den Colonien und dem Mutter¬
lande so erstarkt und zur Gewohnheit geworden war, daß er sich von uns nicht


sumptions- und Fabrikativnsartikel möglichst billig kauft, einerlei, wo und an
wen sie ihr Geld dafür bezahlt, sollten davor zur Einsicht kommen; zumal da
sie recht gut wissen, daß die Versorgung der deutschen Märkte direct aus den
Productionslündern ganz zweifellos auch die Preise der Producte für den Käufer
ermäßigt. Wie dem aber auch sei, ein solcher Zustand bedarf baldiger Ab¬
hilfe durch die Gesetzgebung des Reiches. Deutschland kann diese Abhilfe so
wenig wie andere Nationen, die sich einst in gleicher Lage befanden, von den
Kaufleute» der Seestädte allein erwarten, alle anderen Stände müssen dazu bei¬
tragen, und der Reichstag muß denselben Weg einschlagen, auf dem andere Ge¬
setzgebungen dem Uebel zu steuern versuchten und Erfolge erzielten. Dieser Weg
bestand darin, daß man Unterscheidungszvlle auf die indirecte Einfuhr legte
oder die directe auf andere Weise begünstigte.

Die Vereinigten Staaten erhielten einst die meisten ostindischen Waaren
über England und Holland. Dies dauerte auch nach der Unabhängigkeits-
Erkläruug fort, bis endlich das 1862 erneuerte Gesetz wegen Erhebung eines
Unterscheidnngszolles (älLoriwinMvA aut/) auf den indirecten Import der
Sache ein Ende machte. Dieses Gesetz bestimmt, daß alle in den Ländern jen¬
seits des Kaps der guten Hoffnung erzeugten Waaren, auch die sonst zollfreien,
wenn sie über Plätze diesseits des Kaps eingeführt werden, einen Zoll von
10 Procent des Werthes zu zahlen haben und zwar als Additional - Zoll bei
solchen Waaren, auf welche auch bei directer Einfuhr schon ein Zoll erhoben
wird. „Sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes änderte sich die Sachlage. Die
ostindischen Producte wurden mit dem besten Erfolge direct eingeführt, und
Europa verlor den Zwischenhandel gänzlich. Durch das frühere Festhalten am
alten Wege trotz der zwischen England und der Union herrschenden Animosität
wird bewiesen, wie sehr der Handel geneigt ist, altgewohnte, selbst ganz unra¬
tionelle Wege weiter zu verfolgen, durch das rasche Einlenken in den neuen
Weg nach Erlaß des Gesetzes, wie leicht er neue Wege beschreitet, wenn es
sein muß."

Die Niederlande erreichten ein gleich günstiges Ergebniß auf andere Weise.
Um deu Handel mit den Erzeugnissen ihrer ostindischen Colonien an das Mutter¬
land zu fesseln und diesem tributpflichtig zu machen, bewilligten sie von dem
in den Colonien erhobenen Ausfuhrzoll für den Fall, daß die betreffenden Pro¬
ducte dem Mutterlande direct zugeführt würden, eine Rückvergütung zuerst
von 10, dann von 5 und 3 Procent. Sie haben dadurch die deutsche Con-
currenz, auf die es vor allem abgesehen war, ferngehalten, obgleich Deutschland
der stärkste Consument jener Producte ist, und diese Zollbegüustignng erst auf¬
gegeben, nachdem der directe Handel zwischen den Colonien und dem Mutter¬
lande so erstarkt und zur Gewohnheit geworden war, daß er sich von uns nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/307>, abgerufen am 23.07.2024.