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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Dieser Gesetzentwurf wird vom Verfasser mit einer Motivirung empfohlen,
deren Hauptgedanken und Hauptthatsachen folgende sind. Deutschland bedarf
für seinen Consum und seine Fabrikthätigkeit eine Menge außereuropäischer
Producte. Es muß streben, mit den Ländern, welche dieselben hervorbringen,
in directen Verkehr zu treten, einerseits, um diese Producte dort möglichst gut
und billig, durch Zwischenhandel unvertheuert, zu erwerben, andererseits, um
jenen Ländern dagegen die Producte seiner Industrie zuführen zu können. That¬
sächlich wird jedoch das deutsche Reich mit außereuropäischen Producten größ-
tentheils durch belgische, holländische, französische und englische Seeplätze ver¬
sorgt, und so vertheuern sich jene Waaren für uns wesentlich, und die Nachbarn
Prosperiren auf unsere Kosten direct, d. h. durch Ankauf, Verschiffung und
Wiederverkauf jener, und indirect, d. h. durch Eintausch der Rohproduete gegen
die Erzeugnisse ihrer Industrie. Mit anderen Worten: Deutschland überläßt
seinen Nachbarn zum guten Theile den Nutzen, welchen der Bezug und Vertrieb
überseeischer Producte erfahrungsmäßig der Schifffahrt, dem Handel, den Hafen¬
bevölkerungen, den Transportanstalten und schließlich auch der Staatskasse in
ausgiebiger Weise gewährt, und läßt die naheliegende Gelegenheit unbenutzt, ein
ausgedehntes Absatzgebiet für Waarenerzeugung seiner Fabrikanten sich zu öffne"
und auszubeuten.

Einigermaßen umfangreich hat sich in Deutschland der Bezug außereuro¬
päischer Waaren nur in Bremen und Hamburg gestaltet, die Ostseestädte betreiben
vorwiegend den europäischen Handel, und selbst jene Empörten an der Nordsee
erfreuen sich trotz ihrer Freihafenstellnng keiner völligen Selbständigkeit ihres
Handels mit Colonialwaaren und tragen in befremdend großem Maße dazu
bei, die merkantile Macht unserer Nachbarn zu stärken und zu erweitern, indem
sie einen bedeutenden Theil der überseeischen Producte nicht direct aus deren
Erzeugungslündern, sondern aus England, Frankreich, Holland und Belgien be¬
ziehen. Wie groß das Quantum außereuropäischer Waaren ist, welches Ham¬
burg, der maßgebende Markt für Deutschland, alljährlich aus den genannten
vier Staaten bezieht, und wie wenig es seinerseits dahin ausführt, ergiebt sich
aus der ersten Tabelle unserer Schrift, die zugleich zeigt, daß Hamburg vor¬
züglich den Bezug geringwerthiger Stapelartikel betreibt und denjenigen der
werthvolleren Producte Asiens u. f. w. seinen Nachbarn in Holland und Eng¬
land überläßt, um sich bei diese" damit zu versorgen. Der Verkehr, in welchem
der deutsche Seehandel sich besonders unselbständig zeigt, ist also der mit hoch-
werthigen Colonialwaaren, welche naturgemäß leichter einen Nutzen abwerfe"
als geringwertige, während allerdings billige Massenartikel behufs des Trans¬
ports eine größere Anzahl von Schiffen erfordern.

Wie groß der Betrag ist, welcher den nichtdeutschen Seehandelsplätzen


Dieser Gesetzentwurf wird vom Verfasser mit einer Motivirung empfohlen,
deren Hauptgedanken und Hauptthatsachen folgende sind. Deutschland bedarf
für seinen Consum und seine Fabrikthätigkeit eine Menge außereuropäischer
Producte. Es muß streben, mit den Ländern, welche dieselben hervorbringen,
in directen Verkehr zu treten, einerseits, um diese Producte dort möglichst gut
und billig, durch Zwischenhandel unvertheuert, zu erwerben, andererseits, um
jenen Ländern dagegen die Producte seiner Industrie zuführen zu können. That¬
sächlich wird jedoch das deutsche Reich mit außereuropäischen Producten größ-
tentheils durch belgische, holländische, französische und englische Seeplätze ver¬
sorgt, und so vertheuern sich jene Waaren für uns wesentlich, und die Nachbarn
Prosperiren auf unsere Kosten direct, d. h. durch Ankauf, Verschiffung und
Wiederverkauf jener, und indirect, d. h. durch Eintausch der Rohproduete gegen
die Erzeugnisse ihrer Industrie. Mit anderen Worten: Deutschland überläßt
seinen Nachbarn zum guten Theile den Nutzen, welchen der Bezug und Vertrieb
überseeischer Producte erfahrungsmäßig der Schifffahrt, dem Handel, den Hafen¬
bevölkerungen, den Transportanstalten und schließlich auch der Staatskasse in
ausgiebiger Weise gewährt, und läßt die naheliegende Gelegenheit unbenutzt, ein
ausgedehntes Absatzgebiet für Waarenerzeugung seiner Fabrikanten sich zu öffne»
und auszubeuten.

Einigermaßen umfangreich hat sich in Deutschland der Bezug außereuro¬
päischer Waaren nur in Bremen und Hamburg gestaltet, die Ostseestädte betreiben
vorwiegend den europäischen Handel, und selbst jene Empörten an der Nordsee
erfreuen sich trotz ihrer Freihafenstellnng keiner völligen Selbständigkeit ihres
Handels mit Colonialwaaren und tragen in befremdend großem Maße dazu
bei, die merkantile Macht unserer Nachbarn zu stärken und zu erweitern, indem
sie einen bedeutenden Theil der überseeischen Producte nicht direct aus deren
Erzeugungslündern, sondern aus England, Frankreich, Holland und Belgien be¬
ziehen. Wie groß das Quantum außereuropäischer Waaren ist, welches Ham¬
burg, der maßgebende Markt für Deutschland, alljährlich aus den genannten
vier Staaten bezieht, und wie wenig es seinerseits dahin ausführt, ergiebt sich
aus der ersten Tabelle unserer Schrift, die zugleich zeigt, daß Hamburg vor¬
züglich den Bezug geringwerthiger Stapelartikel betreibt und denjenigen der
werthvolleren Producte Asiens u. f. w. seinen Nachbarn in Holland und Eng¬
land überläßt, um sich bei diese« damit zu versorgen. Der Verkehr, in welchem
der deutsche Seehandel sich besonders unselbständig zeigt, ist also der mit hoch-
werthigen Colonialwaaren, welche naturgemäß leichter einen Nutzen abwerfe»
als geringwertige, während allerdings billige Massenartikel behufs des Trans¬
ports eine größere Anzahl von Schiffen erfordern.

Wie groß der Betrag ist, welcher den nichtdeutschen Seehandelsplätzen


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[0304] Dieser Gesetzentwurf wird vom Verfasser mit einer Motivirung empfohlen, deren Hauptgedanken und Hauptthatsachen folgende sind. Deutschland bedarf für seinen Consum und seine Fabrikthätigkeit eine Menge außereuropäischer Producte. Es muß streben, mit den Ländern, welche dieselben hervorbringen, in directen Verkehr zu treten, einerseits, um diese Producte dort möglichst gut und billig, durch Zwischenhandel unvertheuert, zu erwerben, andererseits, um jenen Ländern dagegen die Producte seiner Industrie zuführen zu können. That¬ sächlich wird jedoch das deutsche Reich mit außereuropäischen Producten größ- tentheils durch belgische, holländische, französische und englische Seeplätze ver¬ sorgt, und so vertheuern sich jene Waaren für uns wesentlich, und die Nachbarn Prosperiren auf unsere Kosten direct, d. h. durch Ankauf, Verschiffung und Wiederverkauf jener, und indirect, d. h. durch Eintausch der Rohproduete gegen die Erzeugnisse ihrer Industrie. Mit anderen Worten: Deutschland überläßt seinen Nachbarn zum guten Theile den Nutzen, welchen der Bezug und Vertrieb überseeischer Producte erfahrungsmäßig der Schifffahrt, dem Handel, den Hafen¬ bevölkerungen, den Transportanstalten und schließlich auch der Staatskasse in ausgiebiger Weise gewährt, und läßt die naheliegende Gelegenheit unbenutzt, ein ausgedehntes Absatzgebiet für Waarenerzeugung seiner Fabrikanten sich zu öffne» und auszubeuten. Einigermaßen umfangreich hat sich in Deutschland der Bezug außereuro¬ päischer Waaren nur in Bremen und Hamburg gestaltet, die Ostseestädte betreiben vorwiegend den europäischen Handel, und selbst jene Empörten an der Nordsee erfreuen sich trotz ihrer Freihafenstellnng keiner völligen Selbständigkeit ihres Handels mit Colonialwaaren und tragen in befremdend großem Maße dazu bei, die merkantile Macht unserer Nachbarn zu stärken und zu erweitern, indem sie einen bedeutenden Theil der überseeischen Producte nicht direct aus deren Erzeugungslündern, sondern aus England, Frankreich, Holland und Belgien be¬ ziehen. Wie groß das Quantum außereuropäischer Waaren ist, welches Ham¬ burg, der maßgebende Markt für Deutschland, alljährlich aus den genannten vier Staaten bezieht, und wie wenig es seinerseits dahin ausführt, ergiebt sich aus der ersten Tabelle unserer Schrift, die zugleich zeigt, daß Hamburg vor¬ züglich den Bezug geringwerthiger Stapelartikel betreibt und denjenigen der werthvolleren Producte Asiens u. f. w. seinen Nachbarn in Holland und Eng¬ land überläßt, um sich bei diese« damit zu versorgen. Der Verkehr, in welchem der deutsche Seehandel sich besonders unselbständig zeigt, ist also der mit hoch- werthigen Colonialwaaren, welche naturgemäß leichter einen Nutzen abwerfe» als geringwertige, während allerdings billige Massenartikel behufs des Trans¬ ports eine größere Anzahl von Schiffen erfordern. Wie groß der Betrag ist, welcher den nichtdeutschen Seehandelsplätzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/304>, abgerufen am 23.07.2024.