Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.noch ein Kranz, "ein Geschenk der Gnade" schlingen werde. Ein meisterhafter noch ein Kranz, „ein Geschenk der Gnade" schlingen werde. Ein meisterhafter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147382"/> <p xml:id="ID_760" prev="#ID_759" next="#ID_761"> noch ein Kranz, „ein Geschenk der Gnade" schlingen werde. Ein meisterhafter<lb/> Dialog mit dem Grafen Hohenzollern in einer ebenso meisterhaft geschilderten<lb/> Situation im Staatsgefängnisse schleudert ihn von der Höhe seines Wahns<lb/> herab, und als er zuletzt nicht mehr an dem fürchterlichen Ernst der Lage zwei¬<lb/> feln kann, bricht der Unglückliche jedes Halts beraubt elend zusammen. Wüthende<lb/> Todesfurcht fällt ihn an, wie ein Verzweifelnder umklammert seine Phantasie<lb/> jede rettende Aussicht. Aus dem Gefängnisse eilt er zur Kurfürstin. Auf dem<lb/> Wege dahin sieht er sein Grab schaufeln, und die Geister der Nacht, Furcht<lb/> und Wahnsinn, die mit eiskaltem Hauche seine Gebeine durchschauern, ertödten<lb/> in dem erschütterten Gehirn jeden anderen Gedanken als den — zu leben. Von<lb/> der Höhe des Halbgottes, der erträumten Göttlichkeit, sinkt er herab auf die<lb/> unterste Stufe des Lebendigen, wo nur noch das Leben als solches, das nackte<lb/> Leben, entblößt von allem Schmuck und aller Zier des Menschlichen, nur von<lb/> der Gewalt des natürlichen Lebenswillens umklammert wird. Alle Phantasien<lb/> sind verstaubt. Ehre, Würde, Glück, alles ist zu Schatten geworden, er will<lb/> nichts mehr, als leben. Der Kurfürst, sobald er dies erfährt, fühlt sich selber<lb/> erschüttert. Er hat den träumerischen Uebermuth des Jünglings gesehen, seine<lb/> Verderblichkeit in zwei früheren Schlachten bereits erfahren, in gerechtem Un-<lb/> muth hat er sich zum Aeußersten entschlossen; nun erkennt er, daß das Urtheil<lb/> des Gerichts sich schon in der Brust des Schuldigen vollzogen hat, daß es der<lb/> blutigen That nicht mehr bedarf, daß sie jetzt nichts mehr sein würde als eine<lb/> barbarische Execution. Aus der tiefen maßlosen Zerknirschung wird der Prinz,<lb/> der Held gewiß sich aufraffen, sobald nur die rechte Stimme an sein Ohr schlägt,<lb/> und das ist Alles, was dem Herrscher und Meister nocli zu thun übrig bleibt.<lb/> Er schreibt dem Prinzen und legt die Entscheidung über Recht oder Unrecht<lb/> des blutigen Urtheilsspruchs in seine eigene Hand, worauf denn erfolgt, was<lb/> er vorausgesehen: Der Geist des Prinzen richtet sich männlich auf, er unter¬<lb/> scheidet Wirklichkeit und Traum und beugt sich, indem er dem Leben entsagt,<lb/> unter das heilige Gesetz des Staates. Inzwischen haben sich im Lager und bei<lb/> den Heerführern alle Künste, List, Trotz, Bitte und Beredsamkeit, in Bewegung<lb/> gesetzt, um die Gnade des Kurfürsten, von dessen Sinnesänderung noch niemand<lb/> lveiß, für den geliebten Feldherrn zu erwirken. Der Kurfürst aber, der seinem<lb/> freien Willen nichts will abtrotzen lassen, weiß sich der rebellischen Künste seiner<lb/> streuen Krieger mit gutem Humor zu erwehren. Sehr würdig und voll hohen<lb/> königlichen Rechtsbewußtseins tritt er mit seinem eigenen Empfinden zurück, um<lb/> dem Gesetze, der Pflicht gegen Land und Volk den Vorrang zu lassen, und zu¬<lb/> letzt hält er den Bittstellern seine stärkste Waffe, die freie Unterwerfung des<lb/> Schuldigen selbst entgegen. Sie fühlen sich besiegt, und nun kann die Gnade<lb/> f'es frei über dem Gesetz entfalten, der Prinz wird jubelnd erlöst, der Lorbeer,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0288]
noch ein Kranz, „ein Geschenk der Gnade" schlingen werde. Ein meisterhafter
Dialog mit dem Grafen Hohenzollern in einer ebenso meisterhaft geschilderten
Situation im Staatsgefängnisse schleudert ihn von der Höhe seines Wahns
herab, und als er zuletzt nicht mehr an dem fürchterlichen Ernst der Lage zwei¬
feln kann, bricht der Unglückliche jedes Halts beraubt elend zusammen. Wüthende
Todesfurcht fällt ihn an, wie ein Verzweifelnder umklammert seine Phantasie
jede rettende Aussicht. Aus dem Gefängnisse eilt er zur Kurfürstin. Auf dem
Wege dahin sieht er sein Grab schaufeln, und die Geister der Nacht, Furcht
und Wahnsinn, die mit eiskaltem Hauche seine Gebeine durchschauern, ertödten
in dem erschütterten Gehirn jeden anderen Gedanken als den — zu leben. Von
der Höhe des Halbgottes, der erträumten Göttlichkeit, sinkt er herab auf die
unterste Stufe des Lebendigen, wo nur noch das Leben als solches, das nackte
Leben, entblößt von allem Schmuck und aller Zier des Menschlichen, nur von
der Gewalt des natürlichen Lebenswillens umklammert wird. Alle Phantasien
sind verstaubt. Ehre, Würde, Glück, alles ist zu Schatten geworden, er will
nichts mehr, als leben. Der Kurfürst, sobald er dies erfährt, fühlt sich selber
erschüttert. Er hat den träumerischen Uebermuth des Jünglings gesehen, seine
Verderblichkeit in zwei früheren Schlachten bereits erfahren, in gerechtem Un-
muth hat er sich zum Aeußersten entschlossen; nun erkennt er, daß das Urtheil
des Gerichts sich schon in der Brust des Schuldigen vollzogen hat, daß es der
blutigen That nicht mehr bedarf, daß sie jetzt nichts mehr sein würde als eine
barbarische Execution. Aus der tiefen maßlosen Zerknirschung wird der Prinz,
der Held gewiß sich aufraffen, sobald nur die rechte Stimme an sein Ohr schlägt,
und das ist Alles, was dem Herrscher und Meister nocli zu thun übrig bleibt.
Er schreibt dem Prinzen und legt die Entscheidung über Recht oder Unrecht
des blutigen Urtheilsspruchs in seine eigene Hand, worauf denn erfolgt, was
er vorausgesehen: Der Geist des Prinzen richtet sich männlich auf, er unter¬
scheidet Wirklichkeit und Traum und beugt sich, indem er dem Leben entsagt,
unter das heilige Gesetz des Staates. Inzwischen haben sich im Lager und bei
den Heerführern alle Künste, List, Trotz, Bitte und Beredsamkeit, in Bewegung
gesetzt, um die Gnade des Kurfürsten, von dessen Sinnesänderung noch niemand
lveiß, für den geliebten Feldherrn zu erwirken. Der Kurfürst aber, der seinem
freien Willen nichts will abtrotzen lassen, weiß sich der rebellischen Künste seiner
streuen Krieger mit gutem Humor zu erwehren. Sehr würdig und voll hohen
königlichen Rechtsbewußtseins tritt er mit seinem eigenen Empfinden zurück, um
dem Gesetze, der Pflicht gegen Land und Volk den Vorrang zu lassen, und zu¬
letzt hält er den Bittstellern seine stärkste Waffe, die freie Unterwerfung des
Schuldigen selbst entgegen. Sie fühlen sich besiegt, und nun kann die Gnade
f'es frei über dem Gesetz entfalten, der Prinz wird jubelnd erlöst, der Lorbeer,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |