Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.plündernd ein, und selbst der größte Theil meiner eigenen Kleider wurde mir Soweit die eigene Erzählung Kraußes. Als die Kriegsunruhen sich aus der Gegend verzogen hatten, erfüllte er plündernd ein, und selbst der größte Theil meiner eigenen Kleider wurde mir Soweit die eigene Erzählung Kraußes. Als die Kriegsunruhen sich aus der Gegend verzogen hatten, erfüllte er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0279" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147373"/> <p xml:id="ID_736" prev="#ID_735"> plündernd ein, und selbst der größte Theil meiner eigenen Kleider wurde mir<lb/> von gierigen Händen entrissen. Halb entblößt wanderte ich nun nordöstlich den<lb/> Ettersberg hinauf; dort wurde ich aber der wenigen Kleidungsstücke, die meinen<lb/> Körper noch nothdürftig bedeckten, vollends beraubt und mußte mir einen Weiber¬<lb/> rock verschaffen und umlegen. Mit dieser Umhüllung langte ich Tags darauf<lb/> wieder vor meinem Wohnorte an. Das Dorf brannte. Soldaten waren im<lb/> Freien und in den Häusern mit Kochen des geraubten Viehes und anderer<lb/> Victualien beschäftigt. In meiner Wohnung welch ein Gräuel der Verwüstung!<lb/> Kartätschenkugeln lagen haufenweise im Schulhofe. Ich fand kein Brod, kein<lb/> Kleidungsstück mehr im Hause, die Stuben waren in Pferdeställe verwandelt,<lb/> und ich, in Ermangelung eines anderen Kleidungsstückes noch immer in den<lb/> Weiberrock gehüllt, wurde von den Franzosen zum Putzen, Füttern und Tränken<lb/> der in meinen Stuben stehenden Pferde angehalten. Nachdem ich zwei Tage<lb/> und zwei Nächte in dieser erbärmlichen Lage zugebracht hatte, wurde das Dorf<lb/> und die sich an demselben hinziehende Chaussee von Militär allmählich leer.<lb/> In meiner Wohnung war ein französischer Soldat, ein Schneider aus dem<lb/> Elsaß zurückgeblieben, der sich auf dem Boden im Heu verkrochen hatte. Vier<lb/> Wochen lang arbeitete er noch für mich, indem er die Garderobe, soweit es sich<lb/> bei meiner Armseligkeit thun ließ, wiederherstellte. Mein ganzer Wohnort aber<lb/> war durch das Elend und die Gewalt des Krieges zu einem Schauplatz des<lb/> Jammers geworden."</p><lb/> <p xml:id="ID_737"> Soweit die eigene Erzählung Kraußes.</p><lb/> <p xml:id="ID_738" next="#ID_739"> Als die Kriegsunruhen sich aus der Gegend verzogen hatten, erfüllte er<lb/> seinen Lehrerberuf weiter. Bald aber kam er auf den früheren Plan zurück,<lb/> sich den Universitätsstudien zu widmen, und versuchte die Ausführung dieses<lb/> Entschlusses. Er gedachte sich in Jena als Student für einen juristischen oder<lb/> kameralistischen Wirkungskreis auszubilden. Mit etwas Baarschaft in der Tasche,<lb/> mit romantischen Ideen vom Studentenleben im Kopfe, mit den glühendsten<lb/> Hoffnungen auf das Gelingen seines Planes im Herzen, wanderte er der Musen¬<lb/> stadt zu. Die erste nähere Bekanntschaft, die sich ihm dort darbot, war die alter<lb/> Musensöhne, „bemoosten Häupter", die sich im Laufe der Zeit so in das burschi¬<lb/> kose Leben und Treiben eingelebt hatten, daß fie nur mit Wehmuth an den<lb/> Abschied dachten. Die Geldader aus ihrem väterlichen Hause hatte nach und<lb/> nach zu fließen aufgehört, und der Beutel der jüngeren Burschen war es, der<lb/> auch für sie geöffnet wurde und geöffnet werden mußte, wenn diese gut Gedeihen<lb/> haben wollten. Auch Krcmße, dessen volle Börse sie wahrgenommen hatten, wurde<lb/> als „Fuchs" mit Freuden in ihren erfahrungsreicher Kreis aufgenommen, und<lb/> das um so lieber, da mehrere Partien seines Lebens, von denen er ihnen eine<lb/> anschauliche Schilderung gab, ihr Interesse erregten und sie in ihm, dem durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0279]
plündernd ein, und selbst der größte Theil meiner eigenen Kleider wurde mir
von gierigen Händen entrissen. Halb entblößt wanderte ich nun nordöstlich den
Ettersberg hinauf; dort wurde ich aber der wenigen Kleidungsstücke, die meinen
Körper noch nothdürftig bedeckten, vollends beraubt und mußte mir einen Weiber¬
rock verschaffen und umlegen. Mit dieser Umhüllung langte ich Tags darauf
wieder vor meinem Wohnorte an. Das Dorf brannte. Soldaten waren im
Freien und in den Häusern mit Kochen des geraubten Viehes und anderer
Victualien beschäftigt. In meiner Wohnung welch ein Gräuel der Verwüstung!
Kartätschenkugeln lagen haufenweise im Schulhofe. Ich fand kein Brod, kein
Kleidungsstück mehr im Hause, die Stuben waren in Pferdeställe verwandelt,
und ich, in Ermangelung eines anderen Kleidungsstückes noch immer in den
Weiberrock gehüllt, wurde von den Franzosen zum Putzen, Füttern und Tränken
der in meinen Stuben stehenden Pferde angehalten. Nachdem ich zwei Tage
und zwei Nächte in dieser erbärmlichen Lage zugebracht hatte, wurde das Dorf
und die sich an demselben hinziehende Chaussee von Militär allmählich leer.
In meiner Wohnung war ein französischer Soldat, ein Schneider aus dem
Elsaß zurückgeblieben, der sich auf dem Boden im Heu verkrochen hatte. Vier
Wochen lang arbeitete er noch für mich, indem er die Garderobe, soweit es sich
bei meiner Armseligkeit thun ließ, wiederherstellte. Mein ganzer Wohnort aber
war durch das Elend und die Gewalt des Krieges zu einem Schauplatz des
Jammers geworden."
Soweit die eigene Erzählung Kraußes.
Als die Kriegsunruhen sich aus der Gegend verzogen hatten, erfüllte er
seinen Lehrerberuf weiter. Bald aber kam er auf den früheren Plan zurück,
sich den Universitätsstudien zu widmen, und versuchte die Ausführung dieses
Entschlusses. Er gedachte sich in Jena als Student für einen juristischen oder
kameralistischen Wirkungskreis auszubilden. Mit etwas Baarschaft in der Tasche,
mit romantischen Ideen vom Studentenleben im Kopfe, mit den glühendsten
Hoffnungen auf das Gelingen seines Planes im Herzen, wanderte er der Musen¬
stadt zu. Die erste nähere Bekanntschaft, die sich ihm dort darbot, war die alter
Musensöhne, „bemoosten Häupter", die sich im Laufe der Zeit so in das burschi¬
kose Leben und Treiben eingelebt hatten, daß fie nur mit Wehmuth an den
Abschied dachten. Die Geldader aus ihrem väterlichen Hause hatte nach und
nach zu fließen aufgehört, und der Beutel der jüngeren Burschen war es, der
auch für sie geöffnet wurde und geöffnet werden mußte, wenn diese gut Gedeihen
haben wollten. Auch Krcmße, dessen volle Börse sie wahrgenommen hatten, wurde
als „Fuchs" mit Freuden in ihren erfahrungsreicher Kreis aufgenommen, und
das um so lieber, da mehrere Partien seines Lebens, von denen er ihnen eine
anschauliche Schilderung gab, ihr Interesse erregten und sie in ihm, dem durch
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |